Artikel 10.08.2021

Die EVA Jänschwalde eine unerwünschte CO2-Schleuder?

In der Diskussion um die EVA Jänschwalde scheinen die Fronten verhärtet, wenn es um das Thema Klimaschutz geht. Die Lausitzer Rundschau schreibt gar von „unversöhnlichen Kontrahenten“ und bezieht sich dabei auf ein Schreiben aus dem brandenburgischen Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz, in dem es um die CO2-Emissionen aus der Anlage geht. Sind die Positionen tatsächlich unvereinbar? Wir sprachen mit dem stellvertretenden Projektleiter Maik Sieling.

Herr Sieling – das brandenburgische Umweltministerium sieht in der EVA Jänschwalde eine Gefahr für den Klimaschutz im Land und äußert sich in einem Antwortschreiben an das Aktionsbündnis Contra MVA aus Jänschwalde sehr kritisch zu Ihrem Vorhaben. Sind sie überrascht?

Ja. Ich finde es bedenklich, wie einseitig die EVA Jänschwalde hier beurteilt wird. Das wird dem Vorhaben nicht gerecht. Die Anlage erfüllt in aller erster Linie einen Entsorgungsauftrag – und eine sichere Abfallentsorgung gehört letztendlich auch zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Die EVA Jänschwalde wird die Bestandteile des Abfalls aufnehmen, die nicht sortier- bzw. recyclingfähig sind und nicht deponiert werden sollen. So sieht es auch die fünfstufige Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes vor. Durch die Verbrennung wird das Abfallvolumen reduziert und im Rauchgas enthaltene Schadstoffe werden durch mehrstufige Rauchgasreinigung und sichere Entsorgung der Reststoffe aus der Umwelt ferngehalten. Das ist also auch eine Frage des Umweltschutzes, für den das Ministerium ebenfalls zuständig ist.

 

In der Europäischen Union gilt eine fünfstufige Abfallhierarchie. Sie findet sich auch im deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz wieder. Innerhalb dieses Systems kommt der thermischen bzw. energetischen Verwertung eine zentrale Rolle zu. Grafik: EVA

 

Und diesen Verwertungsbedarf sehen Sie?

Ja, diesen Bedarf sehen wir. Allein im Wirtschaftsraum Berlin/Brandenburg wird das Aufkommen an thermisch zu behandelnden Gewerbe- und Siedlungsabfällen absehbar die verfügbaren Verwertungskapazitäten übersteigen. Das liegt vor allem daran, dass mit dem gesetzlichen Kohleausstieg die Mitverbrennungskapazitäten in den Kohlekraftwerken entfallen. Allein in Jänschwalde entspricht das bis Ende 2028 über 400.000 Tonnen pro Jahr. Wobei die Reduzierung bereits mit der Sicherheitsbereitschaft 2018/19 eingesetzt hat und mit der schrittweisen Stilllegung der Blöcke kontinuierlich voranschreitet, bis wir bei null stehen.

Über diese regionale Betrachtung hinaus haben das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos und Prof. Faulstich von der Universität Dortmund in einer Studie aus dem vergangenen Jahr sehr deutlich gemacht, dass es deutschlandweit zu einem Mangel an thermischen Verwertungskapazitäten kommen wird, wenn kein Zubau mehr erfolgt.

Auf verschiedenen Veranstaltungen zum Bürgerdialog standen die Projektverantwortlichen den Interessierten Rede und Antwort. Eingeladen wurden alle Bewohner in der Umgebung per Postwurfsendung, Foto: LEAG

Und die CO2-Emissionen?

Völlig außer Acht gelassen wird nach meiner Wahrnehmung, dass ein Teil des Inputs für die EVA Jänschwalde biogener Natur ist – sprich „treibhausgasneutral“. In der bundesweiten Energiestatistik werden Siedlungsabfälle mit 50 Prozent ihres Energiegehalts als biogene Fraktionen – also Biomasse – erfasst. Die Energie aus der Verbrennung des biogenen Anteils gilt daher als erneuerbar.

Wie viel CO2 die Anlage emittiert, ist im Abfall angelegt, also in dem was wir als Gesellschaft produzieren, verbrauchen und wegwerfen. Die EVA Jänschwalde als CO2-Emittenten abzulehnen, wird den eigentlichen Herausforderungen nicht gerecht. Sie verursacht diesen Abfall nicht, sie übernimmt „nur“ die Entsorgung. Wenn wir das als LEAG mit Deutschlands größtem Recyclingunternehmen, der Veolia, tun und faktisch nebenbei die Verbrennungsenergie noch in Fernwärme und Elektroenergie umwandeln, kann das nicht schlechter sein, als ob das andere andernorts machen.

Veolia wird etwa 75 Prozent des aufbereiteten Ersatzbrennstoffs aus Sortieranlagen in einem Umkreis von etwa 250 Kilometern einbringen. Wir als LEAG wollen die verbleibenden 25 Prozent an Kapazität nutzen, um Abfälle unserer Partner, die bisher in die Mitverbrennung liefern, weiter sicher entsorgen zu können. Müssten diese Abfälle künftig in weiter entfernten Anlagen untergebracht werden, wäre damit auch kein Klimanutzen erzielt, eher im Gegenteil.

Maik Sieling ist stellvertretender Projektleiter, Foto: LEAG

Und die deutschen Klimaziele?

Bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, stellt uns in allen Wirtschafts- und Lebensbereichen vor große Veränderungen. Die Lausitz muss eine der größten gerade mit dem Kohleausstieg und der Strukturentwicklung bewältigen. Unser Unternehmen ist dabei, geeignete neue Geschäftsfelder im Bereich Erneuerbare Energien, Speicher und weiteren Energietechnologien zu entwickeln. Auch die EVA betrachten wir gemeinsam mit Veolia als einen Baustein dieser Entwicklung – sie stellt weiterhin Energie für den Industriestandort und darüber hinaus bereit – nur dieses Mal CO2-reduziert, sie schafft neue Arbeitsplätze und kann zur Andockstelle weiterer Entwicklungen werden. Gerade diese Woche hat das Bundeswirtschaftsministerium die Strombedarfsprognosen nach oben korrigieren müssen. Eine Haltung, wonach 50 MW Strom und 100 MW Wärme mehr oder weniger keine Rolle spielen, halte ich da für nicht zeitgemäß.

Darüber hinaus sind der Entsorgungsbranche die Herausforderungen mit Blick auf den Klimaschutz durchaus bewusst. Nicht umsonst werden, wie beispielsweise erst kürzlich bei der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz, auch technische Lösungen wie CCU (Carbon Capture and Usage), aber auch orangener Wasserstoff diskutiert. Solange wir die thermische Behandlung brauchen, müssen Lösungen gefunden werden. Dafür benötigen wir von der Politik die geeigneten Rahmenbedingungen. Anlagen im eigenen Land abzulehnen, hilft aus meiner Sicht weder dem Klima, noch der Entsorgung.

 

Hintergrund zu den Brennstoffen



Ersatzbrennstoff (EBS) ist der Oberbegriff für heizwertreiche Brennstoffe, die aus ungefährlichen Abfällen hergestellt werden. Sie werden in EBS-Kraftwerken thermisch verwertet. Als Grundlage dienen insbesondere Gewerbeabfälle, produktionsspezifische Industrieabfälle, beispielsweise aus der Zellstoffindustrie, sowie nicht-recyclebare Materialien aus dem dualen Wertstoffsystem. Die Aufbereitungsschritte umfassen Sichtung und Sortierung, Schadstoff-Entfrachtung, Zerkleinerung und Metallabtrennung.

 
Heizwertreiche Sekundärbrennstoffe (SBS) werden in Kohlekraftwerken mitverbrannt und ersetzen dabei einen Teil des Hauptbrennstoffs. Sie werden vor allem aus nicht gefährlichen, kommunalen Siedlungsabfällen hergestellt. Recyclingfähige Wertstoffe und Schadstoffe werden abgetrennt. Die Aufbereitungsschritte umfassen Vorzerkleinerung, Absiebung mineralischer Bestandteile, Metallabtrennung sowie das Aushalten von PVC und die Sichtung von Stör- und Schwerstoffen. Abschließend wird der SBS nachzerkleinert und kompaktiert.

 

Dieser Artikel erschien zuerst im LEAG Blog