01.04.2022
Zur Person

Ralf Agricola leitet den Bereich Rekultivierung bei der LEAG seit Oktober 2019. Sein Studium der Geotechnik Bergbau absolvierte er an der TU Bergakademie Freiberg. Nach dem Studium arbeitete Agricola im Spezialtiefbau, Erd- und Straßenbau. 2006 kam er zu Vattenfall. Hier arbeitete er in den Tagebauen Nochten und Reichwalde. 2012 kam der Wechsel in den Tagebau Welzow-Süd. Hier war er sieben Jahre Betriebsführer bevor er den Bereich Rekultivierung übernahm. Seit April 2022 sind die Abteilungen Entwässerung und Rekultivierung zusammengeführt.

Offenland oder Wald? Landwirtschaft mit oder ohne PV-Anlagen? Was kommt nach der Braunkohleförderung? Die Rekultivierung ist ein wichtiges Thema in der Lausitz und bestimmt das künftige Aussehen und die Nutzung der jetzt noch in Anspruch genommenen Flächen. Ralf Agricola verantwortet einen Teil dieser Zukunft. Er weiß genau, was die Braunköhleförderung für die Landschaft bedeutet. Der studierte Geotechniker war jahrelang als Betriebsführer für Nebenprozesse im Tagebau tätig. 2019 wechselte er so zu sagen die Seiten und ist seitdem für die Rekultivierung der durch den Braunkohlenbergbau in Anspruch genommenen Flächen zuständig. Dabei seien die Übergänge fließend, erläutert mir der Leiter Entwässerung/Rekultivierung in unserem Gespräch. „Der Bergbau schüttet ja bereits die Strukturen, mit denen wir arbeiten. Die Kollegen liefern im Grunde genommen das Fundament für unsere Folgearbeiten. Es ist wichtig, dass wir Hand in Hand arbeiten. Und doch: Im Tagebau habe ich die Förderung abgesichert und in die Erde eingegriffen. Jetzt ist der Blickwinkel ein ganz anderer.“

Der Wiederaufbau der Landschaft wird gesetzlich bereits in der Planung der jeweiligen Tagebaue skizziert und wird fortlaufend unter anderen in den Braunkohleplanungen, in den Rahmenbetriebsplänen und schließlich untersetzt in den Hauptbetriebsplänen fortgeschrieben. Ziel ist es, die Eingriffe in Natur und Landschaft durch die zeitnahe Herstellung der Bergbaufolgelandschaft auszugleichen. „Wir wollen die in Anspruch genommenen Flächen in mindestens vergleichbarer Qualität wiederherstellen“, so Agricola. „So kommen wir nicht nur der Verpflichtung durch den Gesetzgeber nach, sondern schaffen eine nachhaltige und zukunftsträchtige Landschaft, die ein wichtiges Akzeptanzinstrument in der Öffentlichkeit ist.“ Es gelte nachhaltig Lebensraum zu gestalten, der wirtschaftlich nutzbar, ökologisch wertvoll, lausitztypisch und vielschichtig ist. Dabei unterteilt sich die Arbeit in vier große Nutzungsbereiche: Die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, die Renaturierung und den Bereich der Gewässer.

Flächen für die Landwirtschaft wieder herzustellen ist ein Ziel der Rekultivierung, Foto: LEAG

Spezialisten gefragt

Die Aufforstung ist mit viel Personaleinsatz verbunden, hier sitzt jeder Handgriff, Foto: LEAG

„Die Arbeit in meinem Team konzentriert sich auf die Rekultivierung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen sowie die Integration naturschutzwertvoller Strukturen in die Bergbaufolgelandschaft“, umreißt Agricola die Aufgabe. Sein Team – das sind Spezialisten aus den verschiedensten Bereichen: „Den Schwerpunkt bilden die Planung und Umsetzung der Rekultivierungsmaßnahmen. Die Flächen werden im Hinblick auf das Entwicklungsziel vorbereitet, hergestellt und bewirtschaftet. Da kommt einiges an benötigtem Fachwissen und Expertise zusammen. Angefangen bei Bodenspezialisten, über Diplom-Landwirte und Landschaftsgestalter bis hin zu forstlich ausgebildetem Personal reicht das Portfolio an Fachkräften in der Abteilung.“

Grafik zu den Flächenanteilen der Rekultivierung in der Lausitz

Langfristiges Unterfangen

Auch digital unterwegs: Die Rekutlivierung setzt auf moderne Mittel bei der Bearbeiten der Böden, Foto: LEAG

Die Rekultivierung ist ein langfristiges Unterfangen. „Den Planungsvorlauf ausgenommen dauert die Umsetzung von der Übernahme der Flächen nach der bergmännischen Oberflächengestaltung bei der Landwirtschaft im Schnitt sieben Jahre, in der Forstwirtschaft 15 Jahre“, so Agricola. Warum die Zeiten so unterschiedlich ausfallen? „Die Zielstellung ist verschieden. Für die Landwirtschaft schaffen wir über erste Rotationsfruchtfolgen im Wechsel von verschiedenen Anbaukulturen eine Bodenentwicklung, um den Landwirten wieder eine wirtschaftliche Grundlage zur Verfügung zu stellen“, betont der Lausitzer. „Anders bei den Waldflächen. Hier spielt die Forstbehörde eine wesentliche Rolle. Sie nimmt nach 15 Jahren unseren Flächen die Waldeigenschaft ab. Danach befindet sich der angehende Wald weiter mit Pflege und Hege inklusive Bejagung in unserem Eigentum. Hier bewirtschaften wir selbst die Flächen.“

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Umsetzung im Detail zeigt Entwicklung

Die Jagd gehört zur Forstwirtschaft dazu, so werden in die Rekultivierungslandschaft auch Hochsitze integriert. Foto: LEAG

Doch wie flexibel sind solche Langzeitplanungen? frage ich mich während des Gespräches. Die in der Lausitz geltenden Braunkohlen- und bergrechtlichen Betriebspläne erstrecken sich über große Zeiträume. Wie fließen neue Anforderungen ein? Die Antwort ist eindeutig: „Natürlich bieten unsere Genehmigungen Spielraum. Aber dieser Spielraum ist nicht endlos. Grundlegende Änderungen müssen mit der Genehmigungsbehörde diskutiert und ggf. neu zugelassen werden“, unterstreicht der studierte Geotechniker. „Dennoch gibt es in der Umsetzung Bereiche, wo wir auf neue Anforderungen reagieren können und Anpassungen vornehmen – natürlich in Rücksprachen mit den zuständigen Behörde“, erläutert mir Agricola. „Neu ist beispielsweise, dass wir die landwirtschaftliche Rekultivierung öffnen, um die Flächen gegebenenfalls auch für Erneuerbare-Energien-Projekte nutzen zu können. Diese sollen auch in unserer Bergbaufolgelandschaft ihren Platz finden.“ Landwirte sind bei der Entwicklung eingebunden und beteiligt. Der Kippenboden sei wertvoll, das zeige das Monitoring. „Wir müssen die Nutzung entsprechend abstimmen und die Voraussetzungen an die Zielsetzung anpassen.“ 

Aktuell wissenschaftlich Erkenntnisse würden ebenfalls bei der Umsetzung aufgeriffen. Dies sei zum Beispiel in der Forstwirtschaft beim Aufbau nachhaltig funktionierender Waldökosysteme besonderswichtig. „Zudem finden sich in den Rekultivierungsflächen immer wieder wissenschaftliche Versuchsflächen, deren Ergebnisse in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden in zukünftige Wiedernutzbarmachungsstrategien einfließen. Und über das Kerngeschäft hinaus zeichnen sich weitere Entwicklungstendenzen ab“, ergänzt Agricola.

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Akzeptanz schaffen

Gut Geisendorf läd zum Verweilen ein: Neben Musik und Lesungen bietet das Haus wechselnde Ausstellungen und die Verkostung des Weines vom Wolkenberg aus dem Tagebau Welzow-Süd, Foto: LEAG

„Die Transformation des Unternehmens im Strukturwandel erstreckt sich auf alle Bereiche, auch wir erarbeiten unsere eigenen Ideen. Als einen ersten Schritt bieten wir Ingenieursdienstleistungen im Forstbereich auch Gemeinden und Waldbesitzern in der Region an. Darüber schaffen wir Synergien, können Servicepakete schnüren“, so Agricola. Sein Ziel sei auch, mehr Akzeptanz für die Arbeit des Bergbauunternehmens zu schaffen. „Da wo es möglich ist, öffnen wir vermehrt Bereiche für Besucher, um die Arbeit erlebbar zu machen, statt hinter Zäunen mit Betreten verboten Schildern zu arbeiten.“ Sein persönliches Highlight ist die Rekultivierung rund um den Höhenzug der Steinitzer Alpen mit den markanten Punkten des Wolkenbergs, Steinitzer Bergs und Geisendorfer Bergs. „Die Umsetzung zeigt gut, wie das Zusammenspiel zwischen Tagebau und Rekultivierung klappt. Der Tagebau hat die Strukturen geschüttet und wir haben die Landschaft gestaltet und die Entwicklung geschützt. Entstanden ist eine begehbare und vielseitig nutzbare Landschaft - alles in einer relativ kurzen Zeit. Die Wanderwege und das Gut Geisendorf laden alle Interessierte zu einem Besuch ein und werden erfahrungsgemäß auch sehr gut genutzt.“

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Autor

Daniela Hertzer

Meine berufliche Wiege stand in Brunsbüttel, genauer im dortigen Kernkraftwerk. Von da ging es stromaufwärts über Hamburg und Berlin in die Lausitz. Seit Beginn dieses Jahrtausends arbeite ich in der Unternehmenskommunikation: erst analog, jetzt digital. Mein Antrieb ist die Neugierde und der Spaß am Ausprobieren. Und ich bin ein großer Fan der Sesamstraße. In diesem Sinne: ... 1000 tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen, manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen....

 

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