Dieses Jahr entscheiden viele Familien aufgrund der Corona-Situation, Urlaub und Ferien statt in der Ferne zuhause und mit spontanen Kurztrips in die nähere Umgebung zu verbringen. Auch Erkundungen im Lausitzer Revier eigenen sich gut dafür. Mein Weg führt mich in den Tagebau Nochten. Hier im Rekultivierungsgebiet am Schweren Berg ist gerade ein neuer Teil der Bergbaufolgelandschaft für Besucher geöffnet worden.
Ralf Agricola, Leiter der Rekultivierung bei der LEAG, erklärt die Besonderheiten der rekultivierten Landschaft. Obstbäume alter Sorten sind Teil der neuen Bepflanzung, Foto: LEAG.
Südlich der Stadt Weißwasser in der Oberlausitz befindet sich ein vermeintlich unscheinbares Ausflugsziel, das es sich zu entdecken lohnt: das Rekultivierungsgebiet des Tagebaus Nochten. Gut ein Jahrzehnt nach dem aktiven Tagebau zeigt sich die Rekultivierung als noch junge Bergbaufolgelandschaft. Beim Aufenthalt auf dem sich entwickelnden Gelände fallen mir sofort die zarten Grünpflanzen zwischen den offenen Flächen auf. Ralf Agricola arbeitet als Leiter der Rekultivierung bei LEAG und erklärt mir bei einem Rundgang, was Bergbaufolgeflächen von anderen Landstrichen unterscheidet: „Rekultivierte Flächen sind etwas Besonderes. Landschaftliche Elemente sind darin geballt zu finden“, erklärt er. „Der Boden wird durch bedarfsgerechte Düngung und Kalkung in kürzester Zeit so vorbereitet, dass sich die Natur das zurückholt, wofür sie sonst Jahrhunderte gebraucht hätte“, betont Agricola. Bis heute wurden im Tagebau Nochten mehr als 6.000 Hektar Land für die Kohlegewinnung in Anspruch genommen. Davon sind etwa 2.800 Hektar bereits rekultiviert oder befinden sich gerade in der Wiedernutzbarmachung.
„Bevor der Bergbau in dieser Region betrieben wurde, befanden sich hier Waldgebiete mit zum Teil sehr alten Baumbeständen. Außerdem gab es Moore und Heideflächen“, beschreibt Agricola den vorbergbaulichen Zustand. Derartige Elemente würden im Nochtener Tagebaufolgelandschaft wieder entstehen, sagt der Chef-Rekultivierer.
Neue Landschaft nach Vorgaben
Wachstum braucht Zeit: Bis diese junge Eiche ein hoher und kräftiger Baum ist, vergehen noch viele Jahre. Die Voraussetzungen in der Rekultivierung sind aber bestens, Foto: LEAG.
Früher wurden Landstriche nach dem Braunkohleabbau häufig nur aufgeforstet. Heutzutage bedeutet die Wiederherstellung von Landschafts-Ökosystemen einen komplexeren Vorgang. „Typisch für die in der Bergbaufolge geschaffene Landschaft bei Weißwasser sind die mit kleineren Gehölzen strukturierten Freiflächen und sogenannte Benjeshecken“, erklärt Agricola. In diesen wallartigen Gehölzschnittablagerungen finden beispielsweise Eidechsen und Vögel ein Zuhause. „Das Ziel unserer Maßnahmen ist es, geschützte Arten anzusiedeln und die Artenvielfalt zu erhalten. Vor allem gebietsheimische Pflanzen sollen sich etablieren“, erklärt er. Der Bewuchs orientiere sich am ursprünglichen Zustand. Eingesetzt würden Saat- und Mahdgut von gebietsheimischen Pflanzen sowie gesichertes Genmaterial alter Bäume. Bereits angepflanzt worden seien 100 Hektar Wald, fährt Agricola fort. Weitere beheimatete Gehölze stellten Wildrosen und Wacholder dar. Sogar Obstbäume in Einzelbaumpflanzung befänden sich im Rekultivierungsgebiet, darunter einige alte Apfelsorten.
Oberstes Gebot: Naturschutz
Eine Reise wert: Nicht nur der Aussichtsturm Am Schweren Berg, auch die Waldeisenbahn in näherer Umgebung laden zum Entdecken und Erholen ein, Foto: LEAG.
Zu den neu geschaffenen Strukturen gehören auch die Bergterrassen. Schon im Jahr 2017 am Südhang des Berges angelegt, sind sie nun für Besucher auf einem stufenlosen und barrierefreien Weg begehbar. Neben den für Menschen zugänglichen Bereichen gibt es Zonen, die nicht betreten werden sollen. „In einem Naturschutzvorranggebiet wird die Umwelt so gestaltet, dass ihr Schutz im Vordergrund steht“, erläutert Agricola. „Grundvoraussetzung ist, dass die Natur ungestört sein darf.“
Der Hermannsdorfer See in der Rekultivierung am Schweren Berg sei so ein Bereich. Er stelle ein prägendes Element dieser Landschaft dar, in dem sich seltene Pflanzen und Tiere ausbreiten könnten, meint der Rekultivierungsexperte. „Der See ist daher mein persönliches Highlight in der Nochtener Bergbaufolgelandschaft.“ Der künftige Hermannsdorfer See ist ein Naturschutzsee. Über 200 Hektar Wasserfläche soll er einnehmen. Schon heute haben sich seltene Pflanzenarten aus ehemaligen Mooren am Südufer des Hermannsdorfer Sees im Moorinitial „Neue Jeseritzen“ angesiedelt.
Noch untersteht das Rekultivierungsgebiet am Schweren Berg der Bergaufsicht. Weil die Kohlegewinnung Böden und Flächen enorm in Bewegung brachte, spielt die Sicherheit eine große Rolle. „Besucher des Geländes sollten die Verhaltensregeln auf den Hinweisschildern an den Schranken unbedingt beachten“, rät Agricola. „Besonders wichtig ist, dass die ausgewiesenen Wege nicht verlassen werden. Wer einen guten Überblick erhalten möchte, sollte den Turm Am Schweren Berg besteigen“, rät er zum Ende meines Besuches.
Es gibt noch mehr zu erleben
Die Waldeisenbahn fährt regelmäßig vom Schweren Berg. Während der Rundfahrt bekommen Fahrgäste einen eindrucksvollen Blick über die Bergbaufolgelandschaft des Muskauer Faltenbogens, Foto: LEAG
Unweit vom Standort am Schweren Berg hält die Muskauer Waldeisenbahn. An ausgewählten Tagen fährt sie hier auf der ehemaligen, durch den Tagebau zum Teil umverlegten Tonbahn-Strecke mit einer historischen Dampf- oder Diesellok vom Bahnhof Weißwasser-Teichstraße zum Endbahnhof Schwerer Berg. Während der Rundfahrt bekommen Fahrgäste einen eindrucksvollen Blick über die Bergbaufolgelandschaft des Muskauer Faltenbogens. Einst diente die Schmalspurbahn dem Transport von Rohstoffen. Der eiszeitlich geformte Geopark Muskauer Faltenbogen eignet sich außerdem für ausgiebige Fahrrad- und Wandertouren. Es lohnt sich also, einen Blick in die Region zu werfen. Ob für Naturliebhaber, Technikbegeisterte oder Freizeitradler - vielfältig und spannend sind die regionalen Ziele allemal.