Erna kommt. Mit vollem Speed. Die acht Monate alte Rauhaardackeldame rennt durch die Rekultivierungsfläche. Immer auf Tuchfühlung mit Revierförster Wolf-Dieter Emmrich. Er ist für die forstwirtschaftliche Rekultivierung im Tagebau Jänschwalde zuständig und zeigt mir heute den neuen Kippenwald. „Seit 2009 pflanzen wir hier im Tagebau Jänschwalde große, zusammenhängende Waldflächen. Rund 40 Hektar forsten wir in diesem Herbst im so genannten Grünen Herzen des Tagebaus auf“, erläutert Emmrich.
Pflanzaktion: Der Boden wird aufgepflügt, die Pflanzerin legt die Baumschulpflanzen in den Pflanzspalt ein, bevor zwei Räder die Furche wieder schließen, Foto: Andreas Franke für LEAG
Gleich zwei Agrarbetriebe sind hier mit der Pflanzung neuer Bäume beschäftigt. Erna begrüßt die dem Regenwetter trotzenden Arbeiter. „Ideales Pflanzwetter“, sagt Emmrich. „Die Pflanzzeit beginnt mit Ende der Vegetationszeit – das heißt, der erste Frost ist durch und die Pflanzen haben ihre Blätter verloren. Das ist eine wichtige Voraussetzung für einen sicheren Anwuchs.“
Optimale Pflanzbedingungen
O.k. sage ich mir. Der Regen schlägt gegen meine Brillengläser, meine Schuhe versinken im Kippenboden, der zwar fest, aber schon ziemlich durchweicht ist. Bei aktuell 10 Grad plus ist es zwar noch nicht wirklich kalt, aber ich bin doch froh über meine Zwiebeltaktik mit Regenhose, Jeans und langer Unterhose. Ähnlich ausgestattet scheinen die Arbeiter unterwegs zu sein. Soweit ich das sehen kann. Optimale Pflanzbedingungen sind nicht automatisch optimale Bedingungen, um den Tag draußen zu verbringen – so viel kann festgehalten werden.
Hinter der Maschine prüft ein weiterer Mitarbeiter die Pflanzung, Foto: Andreas Franke für LEAG
Furche für Furche entsteht der neue Wald, Foto: Andreas Franke für LEAG
Harte Arbeit in der Rekultivierung
„Die Arbeit ist hart“, sagt Emmrich mit respektvollem Blick auf die Mitarbeiter der Agrarbetriebe, die sich auf die Aufforstung spezialisiert haben. Die Traktoren ziehen heute einreihige Pflanzmaschinen. Diese bringen je eine Furche in den Boden, in die die jungen Bäumchen von einem oder zwei Arbeitern eingelegt werden. Dann schließen zwei nachlaufende Räder den Pflanzspalt. Ein weiterer Kollege kontrolliert den Sitz der Pflanzen, tritt den Boden rund um die kleinen Bäumchen fest. „Aufforsten ist trotz Maschinenhilfe arbeitsintensiv.“ Emmrich schreitet die Furchen ab, tritt hier und da eine Pflanze ergänzend fest, prüft die Pflanztiefe, schaut auf die Qualität der zweijährigen Sämlinge. Bepflanzt werden gerade zwei Abschnitte. Der eine wird mit Birke, Salweide und Traubeneiche bestückt, die sich Reihe für Reihe abwechseln, alle 1,5 Meter ein junger Baum. Der andere Abschnitt ist in 10 mal 30 Meter große Flächen unterteilt. Hier gruppieren sich Birke, Aspe und wiederum Eiche.
Erst ein halbes Jahr alt sind diese Eichen, Foto: Andreas Franke für LEAG
Naturnaher Mischwald entsteht
Die Baumschulware (Gemeine Birke) wartet auf die Pflanzung, Foto: Andreas Franke für LEAG
„Schon mein Uniprofessor hat mir mitgegeben: ,Auf kohlehaltigen Kippsubstraten wächst die Eiche!‘ Und es stimmt.“ Dennoch komme es auf den richtigen Mix an, denn Ziel der Aufforstung sei ein naturnaher Mischwald. „Wir wählen Baumarten aus, die auch von Natur aus diese Flächen besiedeln würden. In der Jänschwalder Bergbaufolgelandschaft sind das vor allem einheimische Baumarten wie die Stiel- und Traubeneiche, Linde, Hainbuche und auch die Gemeine Kiefer“, erläutert Emmrich.
Gerade die Eichenarten haben sich unter den Standortbedingungen im Revier Jänschwalde besonders bewährt. Schnellwüchsige Baumarten wie Birke, Erle, Weide und Aspe ergänzen und stabilisieren das Waldgefüge. „Diese Pioniere der Waldentwicklung vertragen die rauen Freiflächenverhältnisse besonders gut und wachsen zunächst schneller als die Eichen. Ihr Blätterdach schützt vor Sonne und Wind und ihre leicht zersetzbare Blattstreu befördert die Humusentwicklung.“ Die gut durchdachte Auswahl der Gehölze sei schon eine Art Weichenstellung für die Entwicklung stabiler Mischwälder nach dem Bergbau.
Bei einer gesäten Eiche kann sich die sogenannte Pfahlwurzel ungehindert ausbilden. Im ersten Jahr ist sie schon bis zu 50 Zentimeter lang, Foto: Andreas Franke für LEAG
Robuste Bäume sind gefragt
Besonders wichtig sei neben der Mischung die Robustheit der Bäume. „Aufgrund der klimatischen Bedingungen muss jeder einzelne Baum möglichst tiefe Wurzeln schlagen, denn dann überlebt er Stürme und kann auch solche Sommer wie die beiden letzten überstehen“, so Emmrich. „Wir im Team der Forstwirtschaft bei der LEAG beschäftigen uns intensiv damit, einen möglichst robusten Baumbestand zu entwickeln.“ Um dies zu unterstreichen, zeigt mir Emmrich eine Fläche, auf der im Frühjahr die Eichen nicht als Pflanzen, sondern als Saatgut in den Boden gekommen sind. „Üblicherweise werden die Bäume zwei Jahre lang in Baumschulen angezogen und erst dann ausgepflanzt. In den letzten Jahren haben wir ergänzend dazu mit der Aussaat von Eicheln aus zugelassenen Saatgutbeständen begonnen.“ Vor 150 Jahre hätten Förster viel mehr gesät, erklärt mir mein Begleiter. Inzwischen sei darüber viel Wissen verloren gegangen.
Eine gute Humusschicht ist entscheidend. Auch für den Wuchs der Kiefer, die sich aus den Zapfensamen hierher ausgesät hat, Foto: Andreas Franke für LEAG
„Wir sind dabei, dieses Wissen wiederzuerlangen, Verfahren zu erproben und Erfahrungen zu sammeln. Und diese Erfahrungen sind bisher sehr vielversprechend“, verrät Emmrich. Die Bäume würden tiefer wurzeln, als wenn man sie als Baumschulware einbringt, und seien dadurch besonders widerstandsfähig. Dieses Jahr gebe es trotz der Trockenheit kaum Schäden.
Das macht die Bäumchen aus der Saat für Emmrich zu besonders guten Bausteinen für eine stabile Waldentwicklung. Zwischen den kleinen Sämlingen liegen Stroh und Holzhackschnitzel, um sie im Winter vor Frost und im Sommer vor übermäßiger Verdunstung zu schützen. Zudem ersetze die Bodenbedeckung aus organischem Material die im Wald vorhandene Humusdecke. „Die Holzhackschnitzel sind aus Kiefer“, erklärt mir Emmrich. „Die noch nicht geöffneten Zapfen werden mitgehäckselt. Aus den darin enthaltenen Samen sollen Kiefern wachsen.“ Und tatsächlich entdecke ich in der schützenden Schicht immer wieder kleine Kiefernsämlinge.
Bei Pflanzen aus den Baumschulen müssen die Wurzeln noch einmal gekürzt werden, damit es beim Setzen mit der Pflanzmaschine zu keinen Stauchungen kommt, Foto: Andreas Franke für LEAG
Aussaat und Pflanzung als gute Ergänzung
„Eine Herausforderung bei der Aufforstung ist das geringe Zeitfenster“, gibt Emmrich zu bedenken. „Um pflanzen zu können, müssen wir im Herbst den ersten Frost abwarten, der die Vegetationsphase beendet. Im Anschluss darf es nicht zu nass werden, weil dann der Untergrund nicht mehr befahrbar ist. In der Regel bleiben so nur wenige Wochen, bis uns tiefe Temperaturen und gefrorene Böden ausbremsen. Im Frühjahr können wir je nach Witterung im März beginnen und müssen fertig sein, wenn der Blattaustrieb beginnt.“
Mit diesem engen Zeitplan wären die bis zu 100 Hektar pro Jahr, die es allein in Jänschwalde jedes Jahr aufzuforsten gilt, nicht zu schaffen. „Können wir die Pflanzung durch Saat ergänzen, gewinnen wir mehrere Wochen Zeit für die forstliche Rekultivierung hinzu“, so Emmrich. Im Herbst könne man bereits Mitte Oktober mit dem Säen beginnen, im Frühjahr seien die Arbeiten bis Mitte Mai möglich. Das schaffe eine bessere Auslastung über das Jahr. Ein weiterer Vorteil: Lieferengpässe der wichtigen Baumarten können besser aufgefangen werden. In manchen Jahren seien bestimmte Arten als Sämlingspflanzen schwer zu bekommen, dann könne man auf Saatgut ausweichen und umgekehrt.
Kippenboden als Besonderheit
Den Kippenboden gibt es in Deutschland großflächig nur in den Braunkohleregionen. Er ist in jedem Tagebau spezifisch, Foto: Andreas Franke für LEAG
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Beschaffenheit des Bodens, der den Baumnachwuchs aufnimmt. Im Grünen Herzen des Tagebaus Jänschwalde wird der Rekultivierungsboden direkt durch die Abraumförderbrücke F 60 gekippt. „Wir haben dadurch stark durchmengte Bodensubstrate. Da kommt alles vor, was die Eimerkettenbagger der F 60 an Abraum bewegen“, erklärt Emmrich.
Um nachhaltig günstige Ausgangsbedingungen für das Pflanzenwachstum zu schaffen, erfolgt eine Aufwertung durch gezielte Kalkeinarbeitung und Düngung. „Die Grundmelioration erfolgt auf wissenschaftlicher Grundlage. So werden zunächst durch ein Ingenieurbüro Bodenparameter wie der pH-Wert erhoben und im Labor ausgewertet. Darauf beruht die Bearbeitung und die Zugaben von Meliorationsmitteln.“ Das gut vorbereitete Kippsubstrat dieser F 60-Kippe biete für die künftige Waldentwicklung sehr gute Ausgangsbedingungen.
Immer wieder prüft Emmrich den Boden und weist mich auf die unterschiedliche Zusammensetzung hin. „Die Lehm- und Schluffbrocken werten den Boden auf und dienen als Wasser- und Nährstoffspeicher. Diesen durchwurzeln die Pflanzen besonders intensiv. Auch die Kohlebeimengungen tragen zur Verbesserung der Wasserspeicherkapazität bei und helfen den Pflanzen über sommerliche Durststrecken.“
Das Ende eines langen Tages
Seite an Seite im Revier: Förster Wolf-Dieter Emmrich und Rauhaardackeldame Erna, Foto: LEAG
Inzwischen wird es langsam dunkel. Die Pflanzarbeiten werden für heute beendet, die Trecker machen sich auf den Rückweg. Auch ich mache mich mit Emmrich und Erna auf zum Auto. Der Rauhaardackel nutzt die Gelegenheit, sich nochmal zwischen den jungen Saatpflanzen auszutoben.
Noch ist Erna mit ihnen auf Augenhöhe, aber schon bald werden sie den Rauhaardackel überragen. Dieses Jahr reicht es noch nicht zum Weihnachtsbaum, denke ich schmunzelnd, als mein Blick auf eine kleine Kiefer fällt. Doch in wenigen Jahren wird sie zu einem prächtigen Baum herangewachsen sein. Ob Emmrich sie dann allerdings noch hergeben würde, ist fraglich. Eine gute Aussicht.
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Foto: Andreas Franke für LEAG
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