Tagebauflächen bieten als so genannte „Offenflächen“ Lebensraum für viele Rote-Listen-Arten. Die durch den Braunkohleabbau hergestellten Flächen schaffen ein Refugium für Tiere, die in der klassischen Kulturlandschaft keinen Raum mehr finden.
Hendrik Zank im Einsatz, hier beim Interview mit dem DLF auf der Offenfläche im Tagebau Jänschwalde im letzten Sommer, Foto: LEAG
„Das Lausitzer Revier mit seinen bergbaulich geprägten Arealen ist ein Hotspot für verschiedene Arten, die inzwischen selten geworden sind“, berichtet Hendrik Zank, Leiter des Fachbereiches Naturschutzmanagement der LEAG. „Neben den Truppenübungsplätzen bietet der Tagebau in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt die einzigen zusammenhängenden Offenflächen.“ Offenflächen oder Offenland, das seien Flächen mit geringem Gehölzbewuchs. „Vor allem die Übergangsflächen, die nach dem Braunkohle-Abbau entstehen und der Rekultivierung entgegensehen, sind wertvolle Lebensräume. Die jungen Flächen sind nicht öffentlich begehbar, werden nur mäßig vom Betrieb beeinflusst“, so Zank. „Allerdings sind die Bedingungen extrem. Diese Landschaften haben nährstoffarme Böden und sind dem Wetter ausgesetzte Habitate. Diese abiotischen Voraussetzungen führen dazu, dass hier nur Arten existieren, die das auch aushalten. Aber genau diese Arten unterliegen häufig im Konkurrenzkampf in günstigeren Lebensräumen.“
Den Vögeln auf der Spur
Im Tagebau Welzow-Süd läd der Ornithologische Lehrpfad Besucher ein, die Vogelwelt angeleitet anhand von Tafeln zu erkunden, Foto: LEAG
Doch welche Arten werden von diesen Bedingungen angelockt? „Als erstes sind immer die Vögel zu sichten, da sie mobiler sind als andere Lebewesen“, erläutert Zank. Mehr als 200 Vogelarten sind im Lausitzer Revier nachgewiesen. „Die Feldlerche ist beispielsweise eine der Pionierarten, also einer der ersten Vögel, die da sind, wenn die Flächen in die Rekultivierung gehen“, so Zank. „Genau wie Steinschmätzer, Brachpieper und Braunkehlchen. Sie alle lieben das offene Land. Und sie alle sind selten geworden in der normalen Kulturlandschaft, stehen auf der Liste der bedrohten Arten.
Der Mix des Angebot macht es
Wanderfalken schätzen das Miteinander von Industrie und Offenland. Beides finden sie in den Tagebauen der Lausitz. „Dabei profitiert der Wanderfalke vor allem von den Nistmöglichkeiten an unseren Industriestandorten. Sie nisten nicht nur an den Gebäuden der Kraftwerke, auch an der F 60 im Tagebau Jänschwalde brütet regelmäßig ein Paar.“
Jede Menge Krabbeltiere
Insekten in großer Vielfalt trifft man auf den Offenflächen auf Schritt und Tritt, Foto: Kerstin Adam
Auch Insekten schätzen den extremen Lebensraum der Offenlandschaften. „Auch hier sorgen die oft kargen Bedingungen für ideale Lebensbedingung für konkurrenzschwächere Arten“, erklärt Zank. „Es gibt genügend Nahrung, kurze Weg und nicht zuletzt ausreichend Ruhe.“ Insbesondere für Webspinnen, Heuschrecken, Zikaden, Tagfalter und Laufkäfer seien die jungen Reku-Flächen wichtige Lebensräume. Diese Arten begegnen einem auf Schritt und Tritt. „Bei den Laufkäfern haben wir mit dem Deutschen Sandläufer und dem Wiener Sandläufer gleich zwei Käferarten, die besonders geschützt sind. So ist beim Deutschen Sandläufer der letzte Nachweis im Gebiet des heutigen Brandenburg 1902 erfolgt.“
Mehr als Spuren im Sand
Von den Wölfen bekommen achtsame Besucher Spuren zu sehen. Ein Tier zu treffen ist eher selten, Foto: LEAG
Weitere Belege sind die Ansiedlung von Wölfen und die Sichtung von Luchsen. Beide Wildtiere galten lange als ausgestorben – nicht nur in der Lausitz. „Natürlich ist die Wiederansiedlung von Wildtieren stark diskutiert. Vor allem, wenn sie mit der Landnutzung durch den Menschen konkurrieren“, so Zank. „Beeindruckende Belege für die Artenvielfalt der Tagebaulandschaften sind die Ansiedlung des Wolfes und die Sichtung des Luchses aber allemal.“
Prozesse extensiv lenken
Die offenen Flächen des Tagebaus sind wertvolle Habitate, allerdings auf Zeit. „Den Braunkohleplänen zufolge werden mehr als 80 Prozent der Flächen in normale Kulturlandschaft überführt“, erklärt Zank. „Auf den Flächen, die dem Naturschutz vorbehalten bleiben sollen, setzen wir aber auf eine langsame Vegetationsentwicklung.“ Denn ohne menschliches Handeln besiedeln sich die Flächen zügig wieder neu. „Wir wirken dem Prozess entgegen und steuern den Aufwuchs, also die Neubesiedlung der Flächen, beispielsweise mit gezielten Begrünungsmethoden und einer extensiven Nutzung wie zum Beispiel im grünen Herzen des Tagebaus Jänschwalde. Damit können wir den sich sonst dominant ausbreitenden Arten, zu denen auch das Landreitgras gehört, entgegenwirken.“
Am Schweren Berg ist seit letztem Jahr die Offenfläche per Weg erschlossen, Foto: LEAG
Offener Zustand wertvoll für die Artenvielfalt
Die Bergbaufolgelandschaft sieht etwa 15 Prozent neue, artenspezifische Lebensräume für den Naturschutz vor. „Offenflächen sind dabei in all unseren Tagebauen – Jänschwalde, Nochten, Reichwalde und Welzow-Süd – enthalten“, erklärt Zank. Gerade im Juli letzten Jahres öffnete die LEAG das Gebiet um den Schweren Berg für Besucher. Hier führen Bergterrassen-Wege barrierefrei ins Naturschutzvorranggebiet, ein sandiges Offenland. „Die Flächen sind jung und werden sich mit der Zeit entwickeln, aber gerade dieser offene Zustand bleibt besonders wertvoll für die Artenvielfalt in der Region. Hier kann sich jeder ein Bild machen.“