Weinlese auf dem Wolkenberg

Wer bei der Ernte auf dem Wolkenberg, die noch bis Anfang Oktober läuft, als freiwilliger Helfer unterstützen möchte, findet die Lesezeiten und den Kontakt auf der Homepage der Wolkenberg GmbH https://www.wolkenberg-gmbh.de/

Dem Wolkenberg vorausgegangen ist eine 0,25 Hektar große Versuchsfläche im Rekultivierungsgebiet von Welzow-Süd, wo 2005 die ersten Zöglinge (Merzling, Rondo und Ortega) in den Boden kamen. Sie sollten ihre Frostverträglichkeit unter Beweis stellen und zeigen, wie gut sie mit dem Wasserhaushalt eines Lausitzer Kippenbodens zurechtkommen. Die Sorte Rondo bewährte sich dabei am besten und ist heute noch ein wesentlicher Ertragsbringer auf dem Weinberg.

Der Weinberg selbst entstand bis 2010 als künstlich aufgeschüttete Erhebung. Der Hang ist mit elf Grad Neigung und der Ausrichtung nach Süd-Südwesten optimal für den Weinanbau hergestellt worden. 

Vor gut zehn Jahren ist der in der bergbaulichen Rekultivierung des Tagebaus Welzow-Süd geformte Weinberg Wolkenberg seiner Bestimmung übergeben worden. Seitdem haben sich die Reben an dem mit wissenschaftlicher Begleitung durch die BTU Cottbus-Senftenberg optimal angelegten Hang etabliert und versprechen auch in diesem Jahr eine ordentliche Ernte, wenn auch mit Abstrichen wegen der feuchten Witterung im Frühjahr und Sommer. Für die Lese wird jetzt jede helfende Hand gebraucht.

Immerhin sind es 26.600 Reben auf 6,2 Hektar Fläche, die diesmal zwar etwa drei Wochen später als sonst, aber nun fast zeitgleich beerntet werden wollen. Und als wäre das nicht Zeitdruck genug, muss Bettina Muthmann, die den Weinberg mit der Wolkenberg GmbH bewirtschaftet, Prioritäten setzen. „Die Nässe in diesem Jahr hat den Trauben zugesetzt und Mehltau begünstigt, kaum eine ist ganz gesund“, erklärt sie, warum jetzt Eile geboten ist.  

„Regen wäre jetzt schlecht“

Mit der Sorte Rondo, aus der der Feierabend-Wein vom Wolkenberg hergestellt wird, geht die Lese am dritten September-Wochenende los. Bis Anfang Oktober, schätzt Bettina Muthmann, wird man jeden Tag auf den Berg und lesen müssen, solang das Wetter es hergibt. „Regen wäre natürlich schlecht“, sagt sie. „Die Feuchtigkeit ginge in die Trauben, und wenn ich die dann 90 Kilometer nach Meißen in die Kellerei fahren würde, käme nur noch Matsch an. Da würde ich Ärger bekommen mit dem Kellermeister.“

Damit die Ernte rechtzeitig eingebracht werden kann, sind möglichst viele freiwillige Helfer nötig, die mit anfassen. Was sie mitbringen müssen? „Gute Laune, Zeit, wetterfeste Kleidung und Schuhe – das ist schon alles, den Rest stellen wir, und Verpflegung gibt es auch“, erklärt Winzer-Azubi Tony Braeuniger und zeigt, was zur Ausrüstung des Erntehelfers gehört: Handschuhe, die Rebschere – „…wirklich scharf, da muss man aufpassen, dass man sich nicht die Finger verletzt“ – und einen 16-Liter-Eimer. „Vielleicht sogar besser zwei“, meint Tony Braeuniger. „Denn einer reicht je nach Rebsorte gerade mal für die Ernte von einem Rebstock.“

 

Erntehelfer und Winzer-Azubi Tony Braeuniger bringt die Ernte von zwei Rebstäcken zum Transportbehälter, Foto: LEAG

Winzerausbildung im Gesamtpaket

Kein Blick in die Ferne: Mit dem Refraktometer wird der Oechsle-Grad der Beeren bestimmt, Foto: LEAG

Die Ausbildung des 23-Jährigen läuft über das Weingut von Martin Schwarz in Meißen, wo auch die Weine vom Lausitzer Wolkenberg gekeltert werden. Schwarz ist ebenso wie Bettina Muthmann Geschäftsführer der Wolkenberg GmbH, und kann seinem Azubi daher alles in einem Paket beibringen, was ein künftiger Winzer einmal braucht. Zum Beispiel, das Wissen, wann die Trauben reif für die Ernte sind. Das ist nicht nur eine Frage der optischen Bewertung von Beerengröße und -farbe, sondern wird maßgeblich durch den Oechsle-Grad bestimmt. Er trifft Aussagen über den Zuckergehalt in den Beeren, und dieser wiederum hat Einfluss auf den Alkoholgehalt. Für einen Rotling bzw. Rosé wie den Feierabend-Wein, wird bei einem niedrigen Zuckergehalt gelesen, bei einem Rotwein lässt man mehr zu.

Die Oechsle-Bestimmung erfolgt mittels Refraktometer. Es sieht aus wie ein kleines Fernglas. Tony Braueniger zeigt, wie man es anwendet. Er zerdrückt eine Beere und lässt den Saft auf eine Glasplatte an dem optischen Gerät tropfen. Dann schließt er die Klappe mit der Glasplatte und blickt durch das Refraktometer ins Licht. Durch die Lichtbrechung, wird ein Farbunterschied auf einer Skala sichtbar von Weiß zu Blau – wo die Grenze zwischen beiden Farben liegt, ist der Oechsle-Grad abzulesen. „76 – das passt“, kommentiert der Winzer-Azubi.

Die Trauben werden noch am selben Tag in die Kellerei nach Meißen geschickt, Foto: LEAG

Ein Champion-Wein vom Wolkenberg

Bettina Muthmann ist stolz auf ihren Roten Riesling. Beim Vinum Riesling Champion hat er in diesem Jahr eine Silbermedaille geholt, Foto: LEAG

Nach dem Rondo, sind noch sechs weitere Sorten auf dem Weinberg Wolkenberg zu lesen. Sie decken die ganze Palette von Weiß- über Rosè- bis zum Rotwein ab. Der weiße Cuvée entsteht zum Beispiel aus den Beeren von Weiß- und Grauburgunder, der Rotwein „Barbara“ entsteht aus dem Rondo und dem Cabernet Dorsa. Dazu gibt es den Kernling und den Schönburger. Und dann ist da natürlich noch der Star unter den Trauben und unter den Weinen. Der Rote Riesling hat 2021 beim Vinum Riesling Champion eine Silbermedaille erhalten, ist also der erste Ausgezeichnete der Wolkenberger Weine, die mittlerweile in ganz Deutschland in Gastronomien und Weinhandlungen zu finden sind, aber trotzdem nicht die Bodenhaftung verlieren.

Mit inzwischen neugestaltetem Etikett verweisen sie auf ihre Herkunft aus dem Lausitzer Revier und damit sowohl auf die Ortslage Wolkenberg – einem Ort, der 1990/91 dem Tagebau weichen musste – als auch auf den Bergbau und die Rekultivierung, die diesen Weinhang neu geschaffen haben und so an die fast vergessene Tradition des Weinanbaus in der Lausitz anknüpfen. Das Etikett des „Barbara“-Weins ziert sogar eine selbstbewusste Bergfrau, die eine moderne Version der Schutzheiligen der Bergleute sein könnte.  

Starke Bergfrau und Schutzheilige: Das neue Etikett des „Wolkenberg Barbara“, Foto: LEAG

Zwischen Bagger und Ernte

Baggerfahrerin Silke Butzlaff ist während der Weinlese so oft sie kann an ihrem Lieblingsplatz und hilft bei der Ernte, Foto: LEAG

Die zupackenden Bergfrauen von heute findet man auch auf dem Weinberg. Silke Butzlaff gehört dazu. Im Tagebau Welzow-Süd bedient sie einen Bagger auf dem Kohlelagerplatz, wo die Kohle je nach Einsatzbestimmung sortiert und später zu den entsprechenden Kohlezügen geschickt wird. Ihren Bagger kann sie vom Wolkenberg aus sehen, wenn sie hier als Erntehelferin arbeitet. Seit Jahren ist sie mit dabei – der Kontakt entstand über die „Initiative zur Erhaltung der Deutschen Bergbaureviere“, die sie mitbegründet hat. Dabei geht es ihr – das muss man heute ja immer dazu sagen – nicht um ein Festhalten an der Braunkohleförderung über das akzeptierte Ende 2038 hinaus. Aber darum, der Region wenigstens diesen vereinbarten Zeitraum für die notwendige Strukturentwicklung zu lassen.

„Bergbau und Rekultivierung gehören für mich zusammen. So gesehen ist der Wolkenberg ja irgendwie auch mein Berg. Und er ist sowieso mein Lieblingsplatz, auch zum Fotografieren“, sagt Silke Butzlaff. „Darum bin ich in der Erntezeit hier, wann immer ich Zeit habe. Da kann es schon mal sein, dass ich von der Weinlese direkt zur Schicht im Tagebau fahre.“ So schließt sich für die Spremberger Bergfrau der Kreis von Landinanspruchnahme, Kohlegewinnung, Energiegewinnung und Wiedernutzbarmachung von Bergbaufolgelandschaft. Und wen wundert es, dass zu ihren Lieblingsweinen vom Wolkenberg neben dem „Wochenende“ auch die „Barbara“ gehört.

 

Mehr zum Thema:

Weitere Blogbeiträge:

Von der Lausitz nach Meißen – Der Weg des Weines
Edle Tropfen vom Wolkenberg – Weinlese am Tagebaurand (2015)
 

Informationen zu den Weinen vom Wolkenberg finden Sie unter www.wolkenberg-gmbh.de

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Autor

Thoralf Schirmer

Nachdem ich 20 Jahre als Lokaljournalist in der Lausitz gearbeitet habe, kam ich 2011 als Pressesprecher ins Unternehmen. Seitdem begleite ich alle Themen aus der Region zusammen mit meinem Team.