Miscanthus, auch Riesen-Chinaschilfgras oder Elefantengras genannt, ist eigentlich in Südostasien beheimatet. Seit einigen Jahren erobert es aber auch Europa, wo man seine Vorzüge als robuste Pflanze und vielseitig einsetzbaren Biomasse-Erzeuger nutzen will. Im Rahmen des EU-Projektes MISCOMAR+ ist nun auch eine Versuchsfläche am Rande des LEAG-Tagebaus Reichwalde mit dem Schilfgras bepflanzt worden.  

Die LEAG, die 2020 schon gemeinsam mit regionalen Landwirtschaftsbetrieben erste Erfahrungen mit Sonderkulturen wie Hanf, Szechuan-Pfeffer und Lavendel auf Rekultivierungsflächen gesammelt hat, sieht auch im Chinaschilfgras großes Potential. „Wenn man sich, wie auch die LEAG in ihrer Rekultivierung mit nachwachsenden Rohstoffen und ihrer nachhaltigen Verwertung beschäftigt, dann führt an Miscanthus kein Weg vorbei“, sagt Doris Wüstenhagen, verantwortlich für den Agrarbereich im LEAG-Fachbereich Rekultivierung. „Die Einsatzmöglichkeiten sind vielseitig, angefangen bei der energetischen Biomasse-Verwertung bis hin zur stofflichen Nutzung – beispielsweise in Baumaterialien und bei der Papierherstellung. Hinzu kommt der positive Effekt für das Klima, denn Miscanthus kann mehr Kohlendioxid als andere Kulturpflanzen aus der Luft aufnehmen und binden.“

Versuchsfeld am Rande des Tagebaus Reichwalde: Im Rahmen des EU-Projektes Miscomar+ wird hier Chinagras (Miscanthus Giganteus) gepflanzt.

Aufschluss über Nutzung von jungen rekultivierten Böden

So schaut es aus: Miscanthus, auch Riesen-Chinaschilfgras oder Elefantengras genannt, Foto: LEAG

Von der Beteiligung der LEAG an dem EU-Projekt MISCOMAR+ verspricht sich das Unternehmen außerdem Aufschluss darüber, wie gut sich jungen rekultivierte Böden für den Anbau von Sonderkulturen wie Miscanthus eignen, welche Erträge man dabei erzielen kann und wie sich der Boden dabei weiterentwickelt. Das ist auch spezielles Anliegen des MISCOMAR-Nachfolgeprogramms mit dem Plus: Nachdem man im ersten Projekt unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität Hohenheim die Probleme beim Miscanthusanbau auf marginalen, kontaminierten oder industriell geschädigten Flächen identifiziert hat, sollen diese nun behoben werden. Erfahrungen bei der Etablierung von Miscanthus sollen dabei genutzt, Verlustrisiken minimiert und nach Möglichkeit höhere Erträge erzielt werden. 

Vom Tagebau-Feldriegel zum Kultur-Feld

Doris Wüstenhagen begleitet das Projekt seitens der LEAG, Foto: LEAG

Doris Wüstenhagen blickt über das ein Hektar große Feld, auf dem ein Traktor mit angehängtem Pflug Bahn um Bahn Furchen in die Erde zieht. Ihm folg das Grüppchen der Pflanzer mit den Miscanthus-Setzlingen. Nachdem der Tagebau weitergezogen war, begann die Beräumung und Flächenwiederherstellung und die Vorbereitung für die landwirtschaftliche Nutzung, das heißt, die Erde wurde gelockert und gedüngt, Steine abgelesen.

Die Fläche war noch vor 3 Jahren wichtiger Bestandteil der betriebsnotwendigen Infrastruktur des Tagebaus. Nun hat die LEAG die Fläche für zunächst bis Ende 2024 dem Ingenieur und Landwirt Uwe Kuehn aus dem sächsischen Buscheritz kostenfrei überlassen. Er ist Chef der Technical Service Kuehn GmbH, eines Familienbetriebes, der ursprünglich eine Gießerei ist. Doch weil der Markt enger wird und die Nachfrage begrenzt ist, macht die Gießerei heute nur noch etwa 35 Prozent des Unternehmens aus. Der größere Teil liegt im Bereich Landwirtschaft, und hier wiederum liegt der Schwerpunkt auf Miscanthus und seiner stofflichen Verwertung. Seit 2009 baut Uwe Kuehn das Riesen-Chinaschilfgras, das bis zu vier Meter hoch werden kann, in der sächsischen Lausitz an, inzwischen auf 20 Hektar. Hinzu kommt nun ein weiterer Hektar in Reichwalde.

Der ersten Furche sollen in der Lausitz noch mehrere folgen, Ziel ist es, die gesamte Wertschöpfungslinie für Flächennutzer zu optimieren, vom Anbau bis zur Verwertung, Foto: LEAG

Abnehmer in der Chemie- und Papierindustrie

Uwe Kühn ist Geschäftführer der Technical Service Kuehn GmbH und stellvertretender Vorsitzender des internationalen Miscanthus-Vereins, Foto: LEAG

Am Unternehmensstandort in Buscheritz hat die Technical Service Kuehn GmbH eine eigene Aufbereitungsanlage für Miscanthus. Abnehmer für das aufbereitete Schilfgras, das unter anderem Inhaltsstoffe wie Lignin, Zellulose und Silizium enthält, finden sich beispielsweise in der Papier- und Verpackungsindustrie, in der Baustoffproduktion, wo man die Dämmende Wirkung der Miscanthus-Fasern schätzt, oder in der Kunststoffindustrie zur Verstärkung des Materials. Die direkte chemische Verwertung bis hin zur Herstellung von CO2-negativem Bio-Ethanol ist ebenfalls möglich – negativ deshalb, weil durch Humusaufbau auf dem Acker und Einlagerung des anfallenden CO2-reichen Abgases der Alkoholgärung in geeigneten geologischen Lagerstätten, z.B. ausgebeutete Ölfelder, mehr CO2 der Atmosphäre entzogen werden kann als beim Miscanthus Anbau und der Ethanol-Erzeugung insgesamt ausgestoßen wird. Und auch als Biomulch wird das Pflanzenmaterial verwendet – praktischerweise gleich auf dem neuen Feld in Reichwalde.

Als stellvertretender Vorsitzender des internationalen Miscanthus-Vereins versucht Uwe Kuehn dem nützlichen Riesen-Chinaschilf und seinem gezielten Anbau auch in Deutschland den Weg zu ebnen. „Wenn wir die regionalen Landwirte dafür gewinnen wollen, sind Beispiele und Flächen wie diese am Reichwalder Tagebau wichtig“, sagt Uwe Kuehn. „Einen Landwirt kann man nicht allein mit Theorie überzeugen. Er braucht etwas, das er selbst anschauen und anfassen kann.“

Selbstversorger Miscanthus braucht keinen Dünger

Dr. sc. agr. Andreas Kiesel vom Fachbereich Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie der Universität Hohenheim begleitet das Projekt, Foto: LEAG

Ein wesentlicher Vorteil für den Landwirt ist die vergleichsweise unkomplizierte Bewirtschaftung eines solchen Feldes. Dr. sc. agr. Andreas Kiesel vom Fachbereich Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie der Universität Hohenheim erklärt, weshalb das so ist: „Als Dauerkultur pflanzt man Miscanthus nur ein einziges Mal aus, und wenn es sich etabliert hat, dann kann man es jedes Jahr für mindestens 20 Jahre lang ernten, ohne viel für den Anbau tun zu müssen. Die Pflanze bildet ein dichtes, tief reichendes Wurzelnetz aus und lagert im Herbst und Winter einen Großteil der Nährstoffe in ihre unterirdischen Überdauerungs-Organe, die Rhizome, zurück. Dadurch benötigt sie in der Praxis in der Regel keinen zusätzlichen Dünger und durch die große Konkurrenzkraft und Widerstandsfähigkeit nach erfolgreicher Etablierung in der Regel keinen Pflanzenschutz.  Durch die Bodenruhe und den Eintrag an organischem Material trägt sie zum Humusaufbau bei und holt so CO2 wieder in den Boden zurück. Damit ist Miscanthus geradezu ideal für die Entwicklung marginaler und degradierter Böden. Auch klimatisch sind die im Anbau befindlichen Miscanthus-Hybride gut an unsere mitteleuropäischen Bedingungen angepasst und kommen nach erfolgreicher Etablierung gut mit Trockenphasen und Winter-Frösten zurecht.“

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Lausitz TV hat die Pflanzung begleitet und Infos rund um das Projekt zusammengestellt, Beitrag via youtube von Lausitz TV

Wenn das EU-Forschungsprojekt auf dem Feld am Reichwalder Tagebaurand Erfolg hat und Miscanthus sich als alternativer Rohstoff durchsetzt, dann ist die weitere Nutzung der Fläche als Riesen-Chinaschilf-Plantage auch über die ersten zwei Jahre hinaus sehr wahrscheinlich.

„Das wäre auch sinnvoll, sowohl für die Forschung als auch im Interesse einer nachhaltigen Ressourcennutzung, denn Miscanthus erreicht seinen vollen Ertrag erst im dritten Jahr“, sagt Doris Wüstenhagen, die nicht ausschließt, dass das Riesen-Chinaschilfgras künftig auch weitere Rekultivierungsflächen in der Lausitz besiedeln könnte.

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Autor

Thoralf Schirmer

Nachdem ich 20 Jahre als Lokaljournalist in der Lausitz gearbeitet habe, kam ich 2011 als Pressesprecher ins Unternehmen. Seitdem begleite ich alle Themen aus der Region zusammen mit meinem Team.