Damit Strom verlässlich fließt, müssen die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Stromerzeugung und -verbrauch jederzeit im Gleichgewicht halten – auch bei unvorhersehbaren Ereignissen wie Kraftwerksausfall, plötzlichem Wetterumschwung oder abrupten Verbrauchsanstieg. Dabei hilft ihnen Regelenergie. Was dem Stromnetz den notwendigen Sicherheitspuffer verschafft, bietet Erzeugern, Speicherbetreibern und Unternehmen Chancen für attraktive zusätzliche Erlöse. Eine Win-Win-Situation, über die wir mit Harald Altmann gesprochen haben, Geschäftsfeldverantwortlicher für den Virtuellen Kraftwerksverbund der LEAG energy cubes.
Mit Regelenergie wird die Frequenz des Wechselstroms bei 50 Hertz gehalten. Käme sie aus dem Takt, wären Störungen bei elektrischen Prozessen, Schäden an Geräten und Stromausfälle bis hin zum flächendeckenden Blackout die Folge. „Damit das nicht passiert, brauchen die ÜNBs genug flexibel einsetzbare Leistung, um die Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch von Strom binnen von Sekunden und Minuten wiederherstellen zu können“, erklärt Harald Altmann, der für das Regelleistungsportfolio in den Virtuellen Kraftwerken der LEAG energy cubes zuständig ist. Die notwendige Flexibilität bieten u.a. Batterien, aber auch industrielle Prozesse wie Kühlen, Trocknen oder Wärmen, bei denen der Stromverbrauch auf Abruf für kurze Zeit angepasst werden kann. Auch Erzeugungsanlagen wie Notstromaggregate, KWK-Anlagen oder Blockheizkraftwerke haben Potential.
Harald Altmann, Geschäftsfeldverantwortlicher für den Virtuellen Kraftwerksverbund der LEAG energy cubes, Foto: Andreas Franke für LEAG
Herr Altmann, wo und wie wird Regelenergie beschafft?
Die Übertragungsnetzbetreiber schreiben die benötigten Mengen Regelenergie aus. Daraufhin geben die Marktteilnehmer ihre Gebote ab. Diese werden beginnend mit dem niedrigsten Preis bezuschlagt, bis die erforderliche Menge gedeckt ist. Die LEAG ist im Regelenergiemarkt deutschlandweit für alle Regelenergiearten präqualifiziert. Wir übernehmen für die Anlagen im Pool der energy cubes die Besicherung und das gesamte Abwicklungsprozedere von Gebotsabgabe, über die Steuerung im Abruffall bis zur Abrechnung der Vergütung.
Warum sollte man am Regelenergiemarkt dabei sein?
Zunächst ist man an der Erbringung einer wertvollen Leistung für die Versorgungssicherheit beteiligt. Und die Erlöse, die man dafür erzielen kann, haben sich in den letzten Wochen sehr positiv entwickelt. Zeitweise sogar mit Spitzenwerten. Dabei wird seit dem vergangenen Jahr bei der Sekundärregelleistung und der Minutenreserve zwischen Leistungsmarkt und Arbeitsmarkt unterschieden. Im Leistungsmarkt geht es zunächst um die reine Vorhaltung von Regelleistung. Sie wird täglich neu für den Folgetag ausgeschrieben. Für die Bereitschaft wird der Leistungspreis gezahlt, auch wenn gar kein Abruf erfolgt. Für den tatsächlichen Abruf, also die Bereitstellung oder Entnahme von Strom, wird am Regelarbeitsmarkt ein zweiter Preis gebildet. Diese Ausschreibungen erfolgen am Tag der Erbringung im Vier-Stunden-Takt.
Was zunächst sehr aufwendig klingt, bietet uns noch mehr Möglichkeiten, aus den Voraussetzungen beim Kunden und seinen Opportunitäten das Beste herauszuholen. Kühlhäuser oder Anlagen mit Wärmelieferverpflichtungen werden wir selbstverständlich anders am Markt platzieren, als einen Batteriespeicher oder ein Notstromaggregat. Die Hauptaufgabe der Anlage bleibt im Fokus. Lässt der Kunde eventuelle Einschränkungen in den regulären Prozessen in einem gewissen Maß zu, sollte das am Regelenergiemarkt refinanziert werden können. Mit diesen und weiteren Rahmenbedingungen wird ein Mindesterlös und eine Gebotsstrategie festgelegt. Beides kann je nach Kundenwunsch langfristig gefasst oder auch tagesaktuell angepasst werden. Diese Flexibilität können wir unseren Kunden aufgrund unserer langjährigen Markterfahrung und des verfügbaren Anlagenpools bieten.
Worauf ist die Preisentwicklung am Regelenergiemarkt zurückzuführen?
Insgesamt haben die Preise im Stromhandel in den letzten Monaten wieder deutlich angezogen. Nach der Corona-Delle erholt sich die Wirtschaft allmählich. Das gilt auch für den Stromverbrauch. Eine weitere Ursache ist der deutlich gestiegene CO2-Preis, der sich auch auf die Preise für positive Regelenergie aus konventionellen Anlagen auswirkt. Gleichzeitig geht gesicherte Leistung aus Kohlekraftwerken mit der gesetzlichen Stilllegung schrittweise zurück. Und soweit Gas an die Stelle tritt, schlagen sich hier die höheren Brennstoffkosten nieder. Nicht zuletzt ergeben sich vorübergehende Effekte aus der Verfügbarkeit präqualifizierter Anlagen und Revisionszeiträumen.
Was sind Ihre Erwartungen an die weitere Entwicklung?
Nach dem „Boom“ in diesem Frühsommer sehen wir aktuell gute Chancen, dass sich der Regelenergiemarkt weiter stabil bis positiv entwickelt. In den kommenden Jahren nimmt mit dem Ausscheiden von Kohlekraftwerken die gesicherte Leistung im System weiter ab. Gleichzeitig wird die Stromerzeugung mit steigendem Anteil der erneuerbaren Produktion naturgemäß stärkeren Schwankungen unterliegen. Das legt nahe, dass Regelenergie ein gefragtes Gut bleiben wird. Wer flexible Anlagen und Prozesse an den Regelenergiemarkt bringt, kann hier profitieren. Und der Zusatzaufwand ist mit einem guten Vermarkter an der Seite sehr gering.