22.07.2022

Wer die Bezeichnung „KIA“ hört, denkt wahrscheinlich zuerst an die bekannte, südkoreanische Automarke. Doch weit gefehlt: mit dem Autohersteller hat das Angebot der Hochschule Zittau/Görlitz nichts zu tun. Viel eher handelt es sich dabei um ein ausbildungs- oder berufsintegriertes Studium, in dem sich Theorie- und Praxisphasen abwechseln: die Kooperative Ingenieursausbildung. Das geschieht gemeinsam mit Kooperationspartnern, bei denen die im Studium erworbenen Kenntnisse direkt im Unternehmen angewendet werden. Ein Mentor unterstützt die Studenten dabei und organisiert ihre Einsätze in den jeweiligen Fachbereichen des Betriebs.

Die Hochschule Zittau/Görlitz liegt im östlichsten Zipfel Deutschlands und damit im Herzen Europas, Grafik: Hochschule Zittau/Görlitz

Seit 1997 hat sich dieses Vorgehen etabliert. Damals war es noch die VEAG, eines der Vorgängerunternehmen der LEAG, die als Vorreiter die ersten kooperativ ausgebildeten Studenten ins Rennen schickte. Nur ein Jahr später folgten diesem Beispiel bereits 30 weitere Unternehmen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Bis heute hat sich diese Ausbildungsform gehalten – und sogar erweitert. Neben den reinen KIA bzw. KIA+-Studenten, die ein ausbildungsintegriertes duales Studium absolvieren, gibt es noch die KIAweb (berufsbegleitendes duales Studium), die KIAdirekt (praxisintegriertes duales Studium) und die KIApro (berufsintegriertes duales Studium). Das KIApro Angebot richtet sich dabei hauptsächlich an Facharbeiter, Techniker und Meister.

Florian Kossack ist angehender Fachingenieur für Leit- und Sicherungstechnik, Foto: LEAG

KIApro bei der Bahnsteuerung LEAG

Florian Kossack hat 2018 seine Ausbildung zum Mechatroniker bei der LEAG vorzeitig beendet und wurde nach der Lehre übernommen. Er arbeitete in der Hauptwerkstatt in Schwarze Pumpe in der Triebfahrzeuginstandhaltung.

Als er auf eine Ausschreibung für die KIApro Ausbildung zum Fachingenieur LST, ein eisenbahnspezifisches Elektrotechnikstudium in der Fachrichtung Leit- und Sicherungstechnik, bei der Bahnsteuerung der LEAG aufmerksam wurde, bewarb er sich.

„Ich habe schnell festgestellt, dass mir meine Aufgaben nicht ausreichten, mit denen ich bisher betraut war. Deshalb habe ich mich nach Weiterbildungsmöglichkeiten umgetan. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon mehrere Abteilungen durchlaufen und Erfahrungen gesammelt. Von einem Vorarbeiter habe ich dann den Hinweis auf einen dualen Studiengang bekommen.“

Der ursprünglich aus Groß Döbbern stammende 28-jährige lebt mittlerweile in Cottbus. Dass er in der Region bleiben und weiter am Standort arbeiten könne, sei ihm wichtig, da er sehr heimatverbunden sei, erzählt mir Kossack.

„Außerdem kannte ich mich mit dem Thema mobile Instandhaltung von Triebfahrzeugen schon aus und brachte deshalb gute Voraussetzungen mit.“

Zwischen Theorie und Praxis

Im Juli 2021 wurde er dann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, bei dem neben Personalern und dem Betriebsrat auch einer seiner zukünftigen Mentoren zugegen war. Dann ging alles sehr schnell. Innerhalb von nur drei Monaten erfolgten Treffen in Schwarze Pumpe, bei denen sich der angehende Student ein Bild des Zentralstellwerks machen konnte.

Blick in das Zentrallstellwerk der LEAG in Schwarze Pumpe, Foto: Andreas Franke für LEAG

Kossack erhielt seine Zusage, sein Studienfördervertrag wurde aufgesetzt und Anfang September unterschrieb er seinen neuen Arbeitsvertrag. Anfang Oktober 2021 ging das Studium dann auch schon los. „Seit Oktober bin ich im Theorieunterricht in Zittau. Ich habe mir da ein Zimmer genommen, an den Wochenenden bin ich Zuhause. Im Gegensatz zu vorher war das eine große Umstellung für mich. Hier werden ganz andere Anforderungen an mich gestellt. Das hat sich aber schnell eingespielt. Ich bin jetzt im Studienalltag angekommen und habe keine Probleme weiter. Leider hatten wir zwischendurch an der Fachhochschule teilweise nur Onlinebetrieb. Mein erster Praxisbetrieb dauert 3 Wochen. In Zukunft werden es aber eher 4 Wochen Praxis im Wechsel mit etwa 4 Wochen Hochschulbetrieb sein. Das ist der Rhythmus.“

KIA-Prinzip: Große Chancen für Studierende und Unternehmen

Frank Hentschker (li.) bemüht sich mit seinen Kollegen um die fachliche Einarbeitung der KIApro-Studenten im Betrieb, Foto: LEAG

Derzeit bekomme er viel Grundlagenwissen von seinen Kolleginnen und Kollegen vermittelt, berichtet er.

„Ich muss einen gewissen, fachlichen Stand erreichen. Deshalb ist mein Durchlauf an verschiedenen Stellen des Eisenbahnbetriebes geplant: im Bahnbetrieb, im Gleisoberbau und in der Bahnsteuerung. Die Bahnsteuerung ist verantwortlich für die Eisenbahnsicherungsanlagen sowie die Fahrleitungs- und Stromversorgungsanlagen des Eisenbahnbetriebes der LEAG.

Ziel ist es, dort eventuell mal als Bereichsingenieur eingesetzt zu werden.

Der Fachkräftebedarf und die Nachfrage in dieser Fachrichtung sind sehr groß.

Florian Kossack und Sylvia Gewohn, die diesjährigen KIApro-Studenten, vor dem Gebäude des Zentralen Eisenbahnbetriebs, Foto: LEAG

Die KIA-Ausbildung hat viele Vorteile für den Betrieb, aber auch für den Studenten. Theorie und Praxis werden sofort verbunden und durch die unterschiedlichen Einsatzperioden wird der theoretische Zusammenhang zum Praxiseinsatz gleich hergestellt.

Eins baut aufs andere auf, man begreift die Verzahnung besser und lernt dadurch viel schneller – man ist dann punktgenau maßgeschneidert auf seinen späteren Einsatz im Beruf. Zusätzlich macht es das geregelte Entgelt natürlich attraktiv.“

Fünf Jahre dauert der Studiengang, das ist eine lange Zeit – aber die Mühe lohnt sich. Da händeringend Ingenieure mit dieser Spezialausbildung gesucht werden, ist eine Beschäftigung in Zukunft so gut wie garantiert.

In Kooperation mit der Hochschule Zittau/Görlitz nehmen etwa 50 aktive Unternehmen an dem Studienprogramm KIA in allen Fachbereichen teil. Jährlich stehen so circa 70 Ausbildungsplätze zur Verfügung.

Viele denken bei Leit- und Sicherungstechnik an Kraftwerke und deren Leitstände. Damit hat es aber nichts zu tun. Leit- und Sicherungstechnik für die Eisenbahn – das ist die Voraussetzung für das sichere Fahren der Züge auf den Gleisen und die Steuerung der Signale und Weichen. Diese Spezialausbildung erfolgt in Deutschland selten, obwohl der Bedarf sehr groß ist. Wir schreiben schon seit drei Jahren Ingenieure für Leit- und Sicherungstechnik aus und sind jetzt sehr glücklich, dass die beiden Kollegen (Anm. d. Red.: Die diesjährigen KIApro Studenten Sylvia Gewohn und Florian Kossack) sich für diesen Weg entschieden haben. Um einen sicheren Arbeitsplatz müssen sich diese beiden künftig keine Sorgen mehr machen.

Frank Hentschker
Mentor im Praxiseinsatz und Stellwerker bei der LEAG

Über 300 km Gleise, über 330 Weichen und über 600 Signale gibt es bei der LEAG. An 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden ohne Pause läuft hier der Betrieb, damit die Kraftwerke stets mit Nachschub versorgt bleiben, Foto: LEAG

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Juliane Krause

Autor

Juliane Krause

Seit April 2018 verstärke ich als Redakteurin das Kommunikationsteam der LEAG. Ursprünglich begann mein beruflicher Werdegang allerdings in der Welt des Bestellwesens. Als Quereinsteiger in die Welt der Worte bringe ich aus dieser Zeit meine mehrjährige Berufserfahrung mit, genau wie meinen offenen Blick. Abseits meiner ersten, journalistischen Erfahrungen der Vergangenheit freue ich mich jetzt darauf, an meinen immer neuen Aufgaben zu wachsen. Und gespannt bin ich natürlich auch – auf die Menschen und Geschichten, die mich erwarten! Denn wie sagte bereits einer meiner liebsten Autoren: „Die Neugier ist die mächtigste Antriebskraft im Universum, weil sie die beiden größten Bremskräfte im Universum überwinden kann: die Vernunft und die Angst.“

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