Martina Pigol ist Projektleiterin für die Rekultivierung des ehemaligen Tagebaus Cottbus Nord – dem künftigen Cottbuser Ostsee. Ihrem kleinen fünfköpfigen Team gehören genau die Fachleute an, die man für eine solche Aufgabe braucht: ein Landwirt, ein Förster, eine Verantwortliche für den Naturschutz, eine Planerin und sie selbst. Unterstützt werden sie durch zahlreiche externe Partner, wie der HAN ARGE Heinersbrück – einem Zusammenschluss von vier Landwirtschaftsbetrieben – oder dem Behindertenwerk Spremberg.
Ihre Arbeit begann bereits im Jahr 2015 bevor der letzte Kohlezug den Tagebau verließ. Damals wurden die Böschungsbereiche an der Kohlebahnausfahrt von Wald und Wildwuchs beräumt. Und das Rekuteam wird noch über Jahre hier beschäftigt sein. Es geht um die Begrünung und Aufforstung im und rund um den ehemaligen Tagebau. Aber auch um Gestaltung, Bepflanzung und Pflege solcher Plätze wie den am Einlaufbauwerk, am Boot Mia oder am Südkap sowie das Anlegen von verschiedenen Habitaten für Amphibien. Auch der Wegebau Richtung Kippe sowie Arbeits- und Wirtschaftswege gehören zu ihrem Verantwortungsbereich.
Blick über die Bärenbrücker Bucht. Im Hintergrund arbeiten noch die Rütteldruckverdichter am vom Bergbau gekippten Ostufer, Foto: LEAG
Unterstützung aus der Nachbarschaft
Die Ingenieurin für Bergbautechnik/Tagebau Martina Pigol geht in ihrer Arbeit in der Rekultivierung auf, Foto: LEAG
Ich bin mit Martina Pigol an einem dieser für den Sommer 2018 typischen heißen Tage unterwegs am künftigen Cottbuser Ostsee. Künftig wird an solchen Tagen vermutlich Hochbetrieb herrschen, wenn das Seebecken erst gefüllt und für die Badewilligen freigegeben ist. An diese Abkühlung kann ich heute, Wochen vor dem Flutungsbeginn, nur etwas wehmütig denken. Doch umso erfrischender ist der Elan meiner Begleiterin. Dass Pigol in ihrer Arbeit aufgeht, merke ich auf Schritt und Tritt. Mehr als einmal wird sie zum Beispiel den Satz sagen: “Wir kämpfen um jeden Baum.“
Das erste Biotop, das sie mir zeigen will – es wurde als Ersatz für die ehemalige Hauptwasserhaltung des Tagebaus angelegt – führt fast kein Wasser mehr, obwohl es in einer Senke angelegt und mit Ton abgedichtet ist, ist das Wasser verdunstet. Pigol resigniert nicht. Stattdessen kommt ein: „Da muss die Betriebsfeuerwehr helfen.“ Schon einmal in diesem Hitze-Sommer habe sie die Senke neu befüllt. Pigols Arbeit lebt auch sehr viel von den über die Jahre gepflegten guten Kontakten zu LEAG-Kollegen und Vereinen in den Randgemeinden. Oft sind es vermeintliche Kleinigkeiten, die von dortigen Partnern übernommen werden. So pflegt der Bürgerverein den Lärmschutzdamm Schlichow und die Freiwillige Feuerwehr leert die Papierkörbe am Rastplatz Südkap und übernimmt nach Absprachen auch andere Arbeiten. Die Feuerwehrleute haben auch ein Auge dafür, wenn es mutwillige Zerstörungen gab. Obwohl strengstens verboten und gefährlich sind immer wieder Quadfahrer im künftigen See unterwegs.
114 Hektar Seegrund sind schon begrünt
"Geheimwaffe" Waldstaudenroggen - er ist dem Saatgut für die vorübergehende Begrünung beigemischt, Foto: LEAG
Auf dem Weg zum Einlaufbauwerk, vorbei an Neuendorf und Wilmersdorf, merkt Pigol immer wieder mit Bedauern an: „Hier war schon mal alles herrlich grün. Wir warten so dringend auf Regen.“ Denn in den Jahre 2016 und 2017 sind bereits 114 Hektar Seegrund begrünt worden. „Vorübergehende Begrünung“ nennt man das, was unterhalb der zukünftigen Uferlinie oder im Kippenbereich aus Immissionsschutzgründen gegen den Staub erfolgt. Für die vorübergehende Begrünung, erklärt mir Pigol, wird eine Standardrasenmischung ausgebracht. Sie ist angereichert mit dem Samen von Waldstaudenroggen. Diese Roggenart hat viele Vorteile, erfahre ich. Sie verträgt trockenen Boden gut, kann fast das ganze Jahr über ausgesät werden, wächst hoch und liefert dadurch zum Beispiel Schatten für Baumsetzlinge. Knickt der Roggen um, eignet er sich zudem als Mulch.
Die zweite Form der Begrünung ist die Wiedernutzbarmachung oberhalb der Wasserlinie. Sie wird zum Beispiel für die beiden künftigen Inseln im Ostsee, die ehemalige Kohlebahnausfahrt, die zur Bärenbrücker Bucht wird, und verschiedene Abflachungsbereiche an Böschungen umgesetzt. Hier werden regionale Saatgutmischungen ausgebracht, die die Kollegen aus dem Bereich Naturschutz der LEAG empfohlen haben.
Oberhalb wird wieder nutzbar gemacht
Hier fuhr bis zum Ende des Tagebaus die Kohlebahn hinaus. Die Fläche steht als nächste zur Begrünung an, Foto: LEAG
In manchen Bereichen, wie zum Beispiel an der künftigen Bärenbrücker Bucht, erfolgt beides. Vorübergehend gibt es eine Begrünung. Später werden unter fachlicher Betreuung etwa 75 Hektar aufgeforstet.
Bevor die Rekultivierer ans Werk gehen können, kartiert ein externes Ingenieurbüro die Flächen. Kartieren heißt, die Flächen werden erfasst, die Böden analysiert und festgelegt, wie sie bearbeitet werden müssen – Kalk, Dünger usw. Zudem werden die Filterbrunnen rückgebaut und verwahrt. Die Randflächen, auf denen sie standen, werden wiederhergestellt.
Der Arbeitsfortschritt des Projekts hängt also immer davon ab, wann die Oberbauleitung Flächen zur Rekultivierung übergibt. Aktuell „wartet“ Pigol auf eine ziemlich große Fläche – 90 Hektar an der ehemaligen Kohlebahnausfahrt, der Bärenbrücker Bucht und im Uferabflachungsbereich.
Auch am künftigen Einlaufbauwerk am Hammergraben gibt es noch Arbeit für Pigols Team. Hier entsteht ein Parkplatz für fünf bis sieben Pkw, Fahrradständer wird es geben, Poller werden eingelassen. Eine rollstuhlgerechte Zufahrt ist schon fertig.
Blaues Band am Einlaufbauwerk
Für die Begrünung hat die naturschutzfachliche Planerin ein blaues Band vorgesehen. Bergsandglöckchen, gemeine Ochsenzunge, Kornblume, echter Salbei und anderes mehr werden dort später blühen.
Am Hammergraben, aus dem später das Flutungswasser abgeleitet und Richtung Seebecken strömen wird, und über den an dieser Stelle eine kleine Fußgängerbrücke über ein Wehr führt, wurden auf beiden Seiten Anlegemöglichkeiten für Bootstouristen gebaut. Die wurden auf ausdrücklichen Wunsch von Pigol so errichtet, dass ein Baum, der hier laut Plan gefällt werden sollte, stehen bleiben konnte.
Hier können Bootstouristen aussteigen, um das Wehr zu umgehen. Der Anleger wurde so gebaut, dass der große Baum in der Bildmitte stehen bleiben konnte, Foto: LEAG
Nicht stehen bleiben kann auf Dauer der Strauch- und Baumwildwuchs. Obwohl bereits einmal abgeholzt bzw. abgemulcht, wächst immer wieder neues Gehölz auf dem künftigen Seegrund nach. Wie hier auf den Kippenflächen, von denen aus wir am Horizont die Baustelle der Stadt Cottbus für die Hafenmauer sehen. Die Lösung dafür hört sich für den Laien lustig an: „Wenn der See gefüllt ist, ernten wir die Bäume mit dem Boot.“ Das ist allerdings frühestens ab 2027 der Fall.
Mehr zum Thema Rekultivierung und zum Cottbuser Ostsee erfahren Sie hier:
Neue Landschaften: Rekultivierung
Lausitzer Landwirte beackern Bergbau-Boden
Artenvielfalt auf der Tagebaukippe
Alles standfest am Cottbuser Ostsee
Ameisenstrassen im Cottbuser Ostsee