12.01.2022
Zur Person

Nach ihrem Abschluss als Dipl.-Ing. für Landeskultur und Umweltschutz an der Universität Rostock begann die gebürtige Rostockerin Stine Thieß ihren Berufsweg zunächst in verschiedenen Planungsbüros ehe sie im Jahr 2008 bei der LEAG-Tochter GMB GmbH in Senftenberg im Bereich Ökologie tätig wurde. Seit dem Jahr 2020 arbeitet sie für LEAG im Bereich Naturschutzmanagement.

Schwarzes Fließ, Torfteich oder Kleinseemoor – Namen, die an Fantasielandschaften in Märchen erinnern. Tatsächlich sind sie real. Sie liegen nördlich des Tagebaus Jänschwalde, dessen Grundwasserabsenkung in den kommenden Jahren einen Einfluss auf diese Fauna-Flora-Habitate (FFH) haben könnte. Mit der Zulassung des Hauptbetriebsplans (2020-2023) haben sich LEAG, das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) und das Landesamt für Umwelt (LfU) auf ein umfangreiches Maßnahmenpaket zum Schutz dieser Gebiete verständigt.

Es sind bald zwei Jahre her, dass vielen Bergleuten bei LEAG der sprichwörtliche Stein vom Herzen gefallen ist. Am 24. Februar 2020 erteilte das LBGR die Zulassung für den Hauptbetriebsplan Tagebau Jänschwalde bis zum Ende seiner geplanten Laufzeit im Jahr 2023. Damit endete der fast halbjährige gerichtlich erzwungene Stillstand des Tagebaus bei dem etwa die Hälfte der Tagebau-Stammbelegschaft zwischenzeitlich an anderen Standorten eingesetzt werden musste.

Dieser Zulassung vorausgegangen war eine umfangreiche FFH-Verträglichkeitsuntersuchung und -prüfung für 14 FFH-Gebiete und ein Vogelschutzgebiet im Nordraum von Jänschwalde. Die zunächst im Jahr 2019 erfolgte Zulassung des Hauptbetriebsplans ohne diese Prüfung war gerichtlicher Streitpunkt gewesen. Damit die Zulassung rechtens wurde, musste LEAG eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung, erweitert um eine Rückschau des Gebietszustandes der FFH-Gebiete seit ihrer Meldung in den Jahren 2004/2007 einreichen. Mit der Erteilung der Zulassung im Februar 2020 konnten die bis dahin über Monate konzeptionell erarbeiteten Schutzmaßnahmen unter Einholung weiterer Genehmigungen in die Praxis umgesetzt werden.

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Für die sichere Kohlegewinnung ist die Absenkung des Grundwassers in der Lagerstätte notwendig. Auf Grund der geologischen Gegebenheiten im Umfeld des Tagebaus Jänschwalde wirkt sich diese Grundwasserabsenkung auch in die weitere Umgebung des Tagebaus aus. Vom hydrologischen Wirkraum des Tagebaus werden mehrere Natura 2000-Gebiete berührt. Hier sehen sie eine kurze Dokumentation zu den Maßnahmen im Tagebau Jänschwalde via Youtube.

Regelungen zu laufenden und neuen Schutzmaßnahmen

Ergebnis der FFH-Prüfung: Unter Berücksichtigung weiterer umfangreicher Schadensbegrenzungsmaßnahmen einschließlich deren Überwachung im Rahmen eines Risikomanagements, können erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele aller Natura 2000-Gebiete durch den Tagebau Jänschwalde sowohl für den Zeitraum ab 2020 bis zum Erreichen der maximalen Grundwasserabsenkung wie auch bis zum Ausklingen der Auswirkungen des Tagebaus einschließlich der Wiedernutzbarmachungsmaßnahmen ausgeschlossen werden.

Stine Thieß, tätig im Bereich Naturschutz, gehört zu einem Team von LEAG-Mitarbeitern und externen Partnern, die maßgeblich an der Ausarbeitung, Planung und laufenden Umsetzung der Schutzmaßnahmen arbeiten. Für sie ist in den letzten Monaten sichtbar geworden, woran sie und ihre Kollegen zuvor intensiv geplant haben. „Es ist ein großflächiger Raum mit vielen einzelnen Gebieten, den wir in die Untersuchungen einbeziehen mussten. Er reicht von der Sergen-Kathlower Teich- und Wiesenlandschaft im Süden bis zur Reicherkreuzer Heide im Norden und von der Spree zwischen Peitz und Burg im Westen bis zur Neißeaue im Osten. Vor allem die Rückschau bis in die Jahre 2004/2007 war zeitaufwändig und anspruchsvoll“, erinnert sich Stine Thieß an die Erarbeitung der Unterlagen für die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung.

In der Zulassung des LBGR werden bei acht von den untersuchten FFH-Gebieten plus einem VogelschutzgebietRegelungen zu bereits laufenden Schutzmaßnahmen getroffen, die weitergeführt werden und Regelungen zu neuen sogenannten Schadensbegrenzungsmaßnahmen getroffen, für die zum Teil zusätzliche Genehmigungen einzuholen waren und weiterhin einzuholen sind. Nicht alle der 14 untersuchten Gebiete unterliegen auch einem Einfluss des Tagebaus. Für fünf von 14 Gebieten wurden aufgrund des fehlenden Tagebaueinflusses keine Maßnahmen erforderlich. Prämisse bei der Umsetzung der Maßnahmen hat neben der Zielerreichung, den Eingriff in Natur und Landschaft durch die Maßnahmen so gering wie möglich zu halten.

Das an den Calpenzsee angrenzende Moor wird über zwei Einleitstellen am südlich Rand des Moores ebenfalls mit zusätzlichem Wasser versorgt, Foto: Andreas Franke

Im Fokus steht das Wasser

Übersicht zu den Maßnahmen im Gebiet, Grafik: LEAG

Bei allen umzusetzenden Maßnahmen steht das Wasser im Hauptfokus der Betrachtungen. Es in der Landschaft zu halten, trotz Tagebau und trotz klimatischer Einwirkungen, ist das Ziel.

„Für einige der Seen im Nordraum Jänschwalde laufen bereits seit einigen Jahren Schutzmaßnahmen. So leiten wir in den Pastlingsee bereits seit dem Jahr 2015 zusätzliches Wasser ein, um den Wasserstand im See zu stützen. Seit Mai 2019 erfolgen zudem Stützwasserversorgungen für den Kleinsee, Großsee und Pinnower See“, erläutert Stine Thieß. Darüber hinaus seien Anlagen zur Wasserversorgung für die Grabkoer Seewiesen, das Eilenzfließ und die Moaske bereits aktiv.

Umfassende Maßnahmen

Zu den im Hauptbetriebsplan angeordneten neuen Schadensbegrenzungsmaßnahmen, wie es die Zulassung formuliert, zählen Wasserversorgungsanlagen, teilweise mit einer Phosphor-Reduzierung, für Pastlingsee und -moor, Calpenzmoor, Maschnetzenlauch und Torfteich sowie Weißes Lauch. Neben der Wasserversorgung erzielt auch die Entnahme von Gehölzen langfristig einen spürbaren Effekt auf den Wasserstand vor allem in den Mooren. „Wir konnten die Gehölzentnahme in den Gebieten Maschnetzenlauch, Torfteich, Kleinseemoor, Pastlingseemoor und beim Weißen Lauch im März 2021 abschließen“, so Thieß. „Hier wurden unter Rücksprache mit den zuständigen Behörden die Vorgaben des Naturschutzes natürlich berücksichtigt. Das war echte Handarbeit und daher zeitaufwändig, denn mit schwerer Technik ist in den Mooren kein Vorankommen möglich.“

Im Pastlingmoor findet sich der selten gewordene Sumpfporst, der in seinem Geruch stark an Mottenkugeln erinnert, Foto: Andreas Franke

Auf den Nährstoffgehalt kommt es an

Der Wasserstand im Pastlingsee wird über eine Wasserleitung seit dem Jahr 2015 stabil gehalten, Foto: Andreas Franke

Bei der Wasserversorgung der Seen und Moore gilt der Grundsatz Wasser ist nicht gleich Wasser und zu viel Wasser darf es auch nicht sein. So werden für Seen wie dem Pastlingsee naturnahe Zustände einer bestimmten Nährstoffstufe angestrebt. Das ihm zugeführte Wasser müsse sich dieser Nährstoffstufe anpassen, erklärt Thieß. „Selbst beim Einleiten von Trinkwasser könnte es zu einer Erhöhung des Nährstoffgehaltes im See kommen, was Auswirkungen auf die dortige Flora und Fauna hätte. Denn das Trinkwasser, das aus dem Wasserwerk Jänschwalde Ost geliefert wird, weist zu hohe Nährstoffwerte für den Pastlingsee auf.“

Wasser wird passend aufbereitet

Deshalb wurde eine Anlage zur Reduzierung von Phosphor aus dem Grundwasser errichtet. „Innerhalb von sechs Monaten wurde an der Wassergewinnungsanlage Drewitz II eine kleine Aufbereitungsanlage in einem grünen Container gebaut, mit der wir unter Beimischung von Eisen(III)chlorid das Wasser entsprechend der Erfordernisse aufbereiten können“, so Thieß. Bislang sei dies aber noch nicht nötig gewesen, da sich die Wasserwerte im See noch im vorgegebenen Bereich bewegen.

Auch der Sonnentau entfaltet sich dank ausreichend Wasser im Sommer 2021 im Weißen Lauch, Foto: Andreas Franke

Das Moor darf nicht untergehen

Nach der Gehölzentnahme im Winter und dem Bau einer Wasserversorgungsleitung erwacht das Torfteich genannte Moor zu neuem Leben, Foto: Andreas Franke

Zuviel eingeleitetes Wasser könnte den Mooren allerdings auch schaden. „Unsere Vorgabe lautet, dass die Moore aufschwimmen aber nicht untergehen sollen. Diese Vorgabe ist vor allem bei den Seen mit angeschlossenen Mooren zu beachten. Würden wir zu viel Wasser in die Seen mit angeschlossenen Mooren einleiten, würde das Wasser aus den Seen in die Moore abfließen und sie unter Wasser setzen“, das wolle natürlich keiner, sagt Thieß. Kontinuierlich werden deshalb die Seewasserstände und die Moore kontrolliert und überwacht. Als Zeiger für den Zustand der Moore dienen die Pflanzengesellschaften. Eine Monitoring-Aufgabe, die bis zum Ende der bergbaulichen Grundwasserbeeinflussung von Seiten der Behörde aufgegeben worden ist.

Gehölzentnahmen auf den Mooren

Zum Schutz der Moore geht es auch den Gehölzen an den Kragen. Bäume und Sträucher entziehen den Mooren Wasser. „Bleiben dürfen die Moorkiefern. Sie sind eine typische im Moor vorkommende Art mit kürzeren und weicheren Nadeln als sie die Waldkiefer besitzt. Etwa 30 Prozent der Bäume lassen wir als Windschutz und zur Beschattung in den Mooren stehen“, erläutert Thieß. Die Waldkiefern und Birken müsse man weitgehend entfernen. „Das wird teilweise aller drei bis fünf Jahre in Abhängigkeit des Moorwasserstandes nötig sein. Erst wenn der Wasserstand unter anderem durch die Einleitung von Wasser in den Mooren hoch genug ist, entwickelt sich kein unerwünschter Aufwuchs mehr“, so Thieß.

Gehölzentnahme im Maschnetzenlauch im Januar 2021, Foto: Andreas Franke

Ein Habitat für die Windelschnecke

Auf den naturbelassenen Feuchtwiesen am Schwarzen Fließ ist die Windelschnecke zu Hause. Hier erfolgt die Wasserversorgung unterirdisch, Foto: Andreas Franke

Feucht liebt es auch die Windelschnecke. Sie gibt es in schmal genannt Vertigo angustior und in bauchig Vertigo moulinsiana. Bei gutachterlichen Untersuchungen im Quellgebiet des Schwarzen Fließes wurde ihr Vorkommen unter dem Mikroskop von einem Experten für diese Tierart in Bereichen, die auf Grund der dort sehr nassen Verhältnisse überwiegend ungenutzt sind, nachgewiesen. Die Windelschnecken sind so klein, dass man sie mit bloßem Auge nicht erkennt. „Der Nachweis erfolgte durch die Untersuchung der Gräser und der Streu unter dem Mikroskop durch den Gutachter“, berichtet Stine Thieß. Neben dieser Tierart wurden in den Feuchtwiesen bei Atterwasch und am Schwarzen Fließ noch viele weitere naturräumlich interessante wasserabhängige Lebensraumtypen nachgewiesen, die eine Vielzahl an Wasserversorgungsmaßnahmen erfordern. So wurden insgesamt 13 Brunnen neu gebaut bzw. reaktiviert. „Wir haben von den Brunnen aus Leitungen zu direkten Einleitstellen und zu oberirdischen wie unterirdischen Bewässerungssträngen verlegt. Für die Windelschnecke beispielsweise war eine unterirdische Bewässerung erforderlich“, erklärt Stine Thieß. „In den Hangbereichen des Schwarzen Fließes leiten wir das Wasser ähnlich seitlicher Quellen ein. Unsere Vorgabe bei der Bewässerung war eine naturnahe Nachbildung, die bei entsprechender Vegetation kaum wahrnehmbar ist“, so Thieß. Einiges, so berichtet Thieß, war für die ortsansässigen Landwirte schwer zu verstehen, denn sie seien es seit Generationen gewohnt gewesen, gegen zu viel Wasser zu kämpfen, um Ihre Wiesen und Weiden nutzen zu können, wenngleich auch sie in den letzten Jahren die Folgen der extrem trockenen Witterung gespürt haben.

Das weiße Schnabelried im Weißen Lauch erblüht im Sommer 2021, Foto: Andreas Franke

Naturnah ist die Vorgabe auch bei den Farben

Über Messstellen wird der Wasserstand in den Mooren kontinuierlich überwacht, Foto: Andreas Franke

Naturnah war auch die Vorgabe bei den technischen Bauten. „Wir mussten alle sichtbaren Anlagen in einem bestimmten von der Behörde vorgegebenen Dunkelgrün gestalten, damit sie in der Natur weniger auffallen“, erzählt Thieß weiter.

Zum Thema Farbe sei hier noch erwähnt, warum das Schwarze Fließ seinen Namen trägt. Es liegt nicht etwa an schwarzem Wasser. Das Wasser ist glasklar. Dafür ist die Erde auf dem Gewässergrund schwarz. Schwarz wie Kohle.

Inbetriebnahme der Wasserversorgung zeigt erste Erfolge

In den zurückliegenden Monaten wurde der Bau aller Wasserversorgungsanlagen abgeschlossen. Ihr Betrieb hat bereits bei einigen Gebieten positive Effekte gezeigt und dass trotz der weiterhin negativen klimatischen Wasserbilanz der vergangenen zwei Jahre, wie Stine Thieß zu Bedenken gibt.  Beim naturnahen Waldumbau, der ebenfalls eine Vorgabe ist, richtet man sich bei der Umsetzung nach der besten Pflanzzeit für Bäume und verlegt das Pflanzen in den Herbst und in das bevorstehende Frühjahr.

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Autor

Kathi Gerstner

Direkt nach meinem Studium der Kulturwissenschaften hatte ich die Möglichkeit, in vielen Bereichen der Kommunikation unseres Energieunternehmens tätig zu sein. Seit mehr als zehn Jahren gehöre ich zum Team der Pressesprecher. Dort bin ich Ansprechpartnerin für die Medien zu allen Themen der LEAG-Geschäftswelt.  

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