Das Klima und die natürlichen Ressourcen als demografische Faktoren bestimmen seit 14.000 Jahren über Wohl und Wehe der Lausitzer, über gute und schlechte Zeiten, die es nachweislich in einem wiederkehrenden Auf und Ab gegeben hat. Archäologen können bei ihren großflächigen Ausgrabungen im Tagebauvorfeld die Spuren menschlicher Besiedlung und Beschäftigung von heute bis in die Steinzeit zurückverfolgen.

Die Eindrücke liegen in den Details: Die Ausstellung setzt auf interaktive Vermittlung der Entwicklung in der Lausitz, Foto: LEAG

Erstmals fasst das Landesamt für Archäologie Sachsen diese faszinierende Regionalgeschichte für die Lausitzer von heute zusammen – in einer Sonderausstellung mit Funden und Befunden der vergangenen 25 Jahre aus den Tagebauen Reichwalde und Nochten. Sie trägt den Titel „Steinschläger – Pechkocher – Herzensbrecher“ und ist bis zum 31. März 2020 im Glasmuseum Weißwasser zu sehen. Dessen Förderverein hatte sich maßgeblich dafür eingesetzt, die archäologischen Funde, die quasi vor den Toren der Stadt gemacht worden sind, auch hier vor Ort zu zeigen. Auch die LEAG unterstützt dieses Anliegen.

Interaktive Zeitreise

Die wissenschaftlich begleitete, interaktive und auf zeitgemäße Weise alle Sinne ansprechende Entdeckungsreise beginnt in einer Zeit vor der ersten nachweisbaren menschlichen Besiedlung. Etwa 12.000 vor Christus war in der späteren Gemarkung Mocholz ein Nadelholzwald im nacheiszeitlichen Sumpf versunken und so konserviert worden, dass man ihn bei Ausgrabungen im Vorfeld des Tagebaus Reichwalde recht gut erhalten wiederentdeckte. Wie das aussah, das kann der Besucher nun auf einer Reihe von Dias vom Ausgrabungsort nachvollziehen.

Großaufnahme: die Dias lassen in die Geschichte der Lausitz blicken, genauer auf den Moorwald in Reichwalde, Foto: LEAG

Vom Auf- und Abschwung der Lausitz

So sehen sie aus, die typischen Keramikgefäße, die in den zahlreichen ausgegrabenen Brandgräbern gefunden wurden, Foto: LEAG

Die ersten Steinzeitmenschen im Lausitzer Urwald waren etwa zur selben Zeit zunächst noch durchreisende Jäger. Erst später in der Mittelsteinzeit sind – dank Ausgrabungen im Tagebau Reichwalde – Spuren einer wachsenden Population nachzuweisen, die offenbar gut von den vielen Wasserquellen und dem Wild im Wald lebte, begünstigt durch große Vorkommen von Feuerstein, aus dem sich Waffen und Werkzeuge herstellen ließen. Das war aus Historikersicht der erste Aufschwung für die Lausitz, der bis etwa 5.500 vor Christus anhielt. Danach lassen sich für etwa 1000 Jahre kaum Spuren menschlicher Besiedlung finden.

Ein mildes Klima könnte den Ausschlag für einen weiteren Aufschwung gegeben haben. Ab der jüngeren Bronzezeit (1350 bis 500 vor Christus) entwickelte sich die Lausitzer Kultur zu wahrer Blüte. In der Ausstellung in Weißwasser wird sie repräsentiert durch die typischen Keramikgefäße, die in den zahlreichen ausgegrabenen Brandgräbern gefunden wurden. Aus einem dieser Gräber stammt übrigens auch das einzige Fundstück aus Gold – ein erbsengroßes, im Feuer zusammengeschmolzenes Klümpchen, das früher einmal ein Schmuckstück gewesen sein mag.

Leiterin des Glasmuseums, Frau Christine Lehmann, bei der Eröffnung der Ausstellung „Steinschläger – Pechsieder – Herzensbrecher“ Weißwasser, Foto: LEAG

Sprachrohr durch die Zeiten

Doch die wahren Schätze der Lausitz sind nach Ansicht der sächsischen Landesarchäologen ohnehin ganz andere. „Wir haben uns als Archäologen den Gedanken abgewöhnt, dass man aus der Geschichte lernt“, gesteht Landesarchäologin Dr. Regina Smolnik. „Was wir können, ist, Verständnis für eine Region zu wecken, für das Gefühl: Hier gehöre ich dazu.“ Mit Ausstellungen wie dieser könne man den Menschen ihre Schätze wieder in Wert setzen und ein Sprachrohr und Vermittler sein durch die Zeiten.

Funde belegen Nutzung der Ressourcen

Die Ausstellung ist nicht nur Ansichtssache sondern vermittelt auch andere Sinneseindrücke, wie zum Beispiel den „Duft“ der mittelalterlichen Pechsiedereien, Foto: LEAG

Dass dies bewegte Zeiten waren, können die Archäologen durch zahlreiche Funde belegen. „Die Menschen, die hier gesiedelt haben, haben immer die Ressourcen der Lausitz genutzt“, erklärt Dr. Wolfgang Ender. „Hier wurde beispielsweise am intensivsten im Mittelalter das Pechsieden betrieben. Mittlerweile kennt man 15 solcher Pechsiederein.“ Eine der größten davon wurde 2015 im Vorfeld des Tagebaus Nochten gefunden. Wie es dort vor über 500 Jahren gerochen haben muss, selbst das kann der Ausstellungsbesucher nachvollziehen. In Flaschen ist der Pechgeruch – natürlich eine heutige Kreation – aufbewahrt. 

Eine starke Besiedlung der Lausitz war zuvor bereits ab etwa 200 Jahre nach Christus mit der Verhüttung von Raseneisenerz in der jüngeren römischen Kaiserzeit einhergegangen. Auch davon treten ganz aktuell Zeugnisse im Vorfeld des Tagebaus Nochten zu Tage, berichtet Dr. Wolfgang Ender: „Wie groß dieser Verhüttungsplatz ist, kann ich aber noch gar nicht sagen, weil er derzeit noch ausgegraben wird.“

So schaut ein Pechofen-Fund aus. Dieser liegt im Tagebau Nochten, Foto: LEAG

Herzensbrecher der Lausitz

Abbildung des Chinesischen Turms im Park des Pücklerschen Jagdschlosses bei Weißwasser, Anonyme Radierung aus der illustrierten Zeitung von 1849

Bliebe noch zu klären, was es mit dem „Herzensbrecher“ im Titel der Ausstellung auf sich hat. Er verweist auf einen bekannten Lausitzer der jüngeren Geschichte, der die hiesige Landschaft nach eigenen Plänen verändert und geprägt hat. Weil der Tagebau Nochten vor wenigen Jahren auch den Tiergarten und damit das Jagdgebiet und den Bereich des früheren Jagdschlosses von Hermann Fürst von Pückler-Muskau streifte, galt es für die Archäologen, die Spuren des herrschaftlichen Jagdlebens – nicht nur der Pücklerzeit – zu sichern. Von der Mokkatasse über den Pfeifenkopf bis zur Ofenkachel trat da einiges zu Tage. Ein besonderes Ereignis war es jedoch, als die Archäologen auf die Fundamente des Jagdschlosses und des chinesischen Turms stießen, den Pückler selbst hatte errichten lassen.

In die Ausstellung hat außerdem ein erhaltenes Fragment einer hölzernen Bank seinen Weg gefunden, die einst am Märchensee im Tiergarten gestanden hat. Man hat sie dendrologisch untersuchen lassen, mit dem Ergebnis, dass sie tatsächlich aus dem Jahr 1810 (plus, minus 10 Jahre) stammt. Also darf man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Lebemann, Charmeur und Herzensbrecher Pückler tatsächlich auf ihr gesessen hat. Und vermutlich nicht allein. 

Weit über 1000 archäologische Leihgaben

Die Ausstellung „Steinschläger – Pechsieder – Herzensbrecher“ wird noch bis 31. März 2020 im Glasmuseum Weißwasser zu sehen sein. Danach soll sie auf Wanderschaft gehen, unter anderem auch an weitere Ausstellungsorte in der Lausitz. „Wir stehen immer bereit als kompetenter und verlässlicher Ansprechpartner für soche Ausstellungen“, betont Landesarchäologin Dr. Regina Smolnik. Aktuell unterstützt das Landesamt für Archäologie (LfA) Sachsen die Museen im Freistaat mit weit über 1000 Leihgaben.

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Autor

Thoralf Schirmer

Nachdem ich 20 Jahre als Lokaljournalist in der Lausitz gearbeitet habe, kam ich 2011 als Pressesprecher ins Unternehmen. Seitdem begleite ich alle Themen aus der Region zusammen mit meinem Team.