Es heißt, dass Leistungssportler in der Regel über einen Zeitraum von zehn Jahren ihre Höchstleistungen halten können. Der Cottbuser Radsprinter Maximilian Levy beweist, dass das nicht so sein muss. Seit 13 Jahren ist er ganz oben mit dabei. Damals gewann der heute 31-Jährige seinen ersten Weltcup.
„Alter schützt vor Leistung nicht“, wandelt Levy schmunzelnd ein bekanntes Sprichwort ab. Letztendlich setze sich Qualität durch. Wer hart und diszipliniert arbeite, bekomme auch den Lohn dafür. Er sei seiner Arbeitsweise immer treu geblieben. Mit den Jahren kämen nun auch die Erfahrung und die notwendige Ruhe vor Wettkämpfen hinzu. Er wisse, „wie es läuft“, was ihm guttue aber auch, was alles passieren kann.
Wir sitzen Anfang Dezember im Innenraum der Radrennbahn in Frankfurt (Oder), im Bundesleistungszentrum Radsport. Nach einem Weltcupwochenende in Berlin bestreitet Levy hier mit seinen Nationalmannschaftskollegen ein Trainingslager, bevor es zum nächsten Weltcup nach London geht. Vor Weihnachten wird noch der Frankfurter Kreisel folgen und am 3. Januar geht es in Rotterdam mit einem Weltcup bereits wieder weiter. Radsport ist eine harte Sportart. Aktive haben heutzutage das ganze Jahr über Saison. Im Winter gibt es Weltcups und Meisterschaften. Im Sommer stehen Reisen durch die ganze Welt an, um Qualifikationspunkte zu sammeln – 2019 zum Beispiel für die Olympischen Spiele im Jahr 2020 in Tokio.
Trainingslager, das heißt: je eine Trainingseinheit am Vor- und Nachmittag, zweimal drei Stunden jeweils auf der Bahn und auf der Straße. Was bei Leistungsschwimmern das „Kacheln zählen“ ist, ist für Radsportler das Straßentraining.
Große Freude über den Europameistertitel im Keirin im Jahr 2017, Foto: privat
Familie ist dem Sportler wichtig
Tochter Tessa ruft an: Die Fünfjährige hat ihren ersten Zahn verloren, Foto: LEAG
Die Halle in der Oderstadt ist Levys Zuhause für das Training im Winter. Sie ist überdacht und entspricht den Standards des Rad-Weltverbands. Dass sie dem Sprinter auch gut liegt, beweist er am Wochenende vor Weihnachten mit einem neuen deutschen Rekord über die 500 Meter fliegend. Seine 25,38sec sind zudem die zweitschnellste Zeit, die je gefahren wurde.
Levy hat ein eigenes Zimmer direkt über dem Haupteingang der Halle. Er ist dem Olympiastützpunkt dankbar für die guten Bedingungen. In einer Stunde kann er zu Hause sein in Cottbus bei seiner Familie, seiner Frau Madeline und den beiden drei- bzw. fünfjährigen Töchtern. Die Familie ist dem Sportler sehr wichtig. „Wenn ich im Trainingslager bin, lasse ich keine Einheit aus und belaste mich voll. Die Zeit, in der ich nicht zu Hause sein kann, will ich maximal nutzen“, erklärt er mir. Die eigene Familie habe für ihn den Blick auf das Leben und den Sport verändert. „Ob ein Tag ein guter Tag für mich war, hängt nicht mehr vom Verlauf eines Wettkampfes ab“, fasst er zusammen.
Für Tessa (5) und Mila (3) ist Levy ohnehin einfach nur der Papa und nicht der Spitzensportler. Das beste Beispiel dafür darf ich während des Gesprächs miterleben. Tessa ruft an. Sie hat ihren ersten Zahn verloren und will das ihrem Papa unbedingt mitteilen. Sein vorsichtiger Hinweis, er sei gerade in einem Interview, hält sie nicht davon ab, ihm die ganze Geschichte zu erzählen.
Vertrag für 2019 verlängert
Jeder Muskel ist angespannt. Levy auf dem Weg zum Sieg in der Sprintwertung bei den Sixdays in Berlin 2018, Foto: privat
Ende Februar erwartet die Familie Levy ihr drittes Kind. Deshalb wird Levy die Bahn-Weltmeisterschaften im polnischen Pruszków auslassen. „Ich habe mich für Familie und Kinder entschieden. Also will ich auch Verantwortung dafür übernehmen“, so seine einfache und überzeugende Begründung dafür.
Nicht nur wegen dieser Absage wird Levy in letzter Zeit von Journalisten immer öfter gefragt, wie lange er noch aktiv sein will. Für 2019 hat er die Antwort klar gegeben, indem er seinen Vertrag mit dem Chemnitzer Team Erdgas verlängert hat. Wie es dann weitergeht, hat er noch nicht entschieden. Fest steht für ihn jedoch, dass die Familie Vorrang haben wird bei einer Entscheidung. Außerdem ist er überzeugt, dass man den richtigen Zeitpunkt für den Abschied nicht verpassen darf, um nicht „zur tragischen Figur“ zu werden. Zudem habe ihn das Leben gelehrt, dass es wichtigere Dinge gibt, als mit dem Rad im Kreis zu fahren.
Bei der Gelegenheit verweist Levy darauf, dass er bei der LEAG einen Beruf gelernt habe. Er ist Industriekaufmann. Mit dieser soliden Ausbildung könne er vielerorts etwas anfangen. Ob bei der LEAG, die ihn all die Jahre immer gut unterstützt hat, oder woanders, auch das ist für ihn gegenwärtig noch offen.
Levys Ziel auch für 2019: Möglichst oft ganz vorn ankommen, Foto: privat
Daumen drücken fürs Velodrom
Auf jeden Fall aber möchte er erst einmal etwas Abstand zum Sport haben. „Später kann ich mir durchaus vorstellen, mich sportpolitisch zu engagieren“, erzählt er mir. Auf diesem Gebiet gäbe es viel zu tun. Überall mangele es an Geld und in der Regel sei es so, dass die Verantwortlichen nur aufrechnen würden, wie viel Geld das Erringen einer Olympiagoldmedaille gekostet habe. Vergessen werde dabei, dass der Sport den Charakter prägt, Disziplin lehrt und – dabei zeigt er auf die Gruppe junger Sportler, die während unseres Gesprächs Runde um Runde in der Oderlandhalle drehen – eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung sei.
Es sieht so aus, als würden wir auch in einigen Jahren von Maximilian Levy etwas hören. Doch bis es so weit ist, heißt es Daumen drücken für das Sechs-Tage-Rennen in Berlin. Fit ist Levy nach den zahlreichen Rennen der letzten Wochen auf jeden Fall.
Alles zum Sechs-Tege-Rennen in Berlin erfahren Sie hier: https://sixday.com/berlin/