Katze Polly siedelt mit um, Foto: Andreas Franke für LEAG
Heimat mit Zukunft
Sohn Robert ist als einer der wenigen dageblieben - auch, weil er im Tagebau arbeitet, genau wie Vater Werner und Mutter Liesbeth viele Jahre vor ihrem Ruhestand selbst. Sein Job ist dem gelernten Großgeräteschlosser wichtig. Noch wichtiger ist ihm und seiner kleinen Familie aber eine echte Zukunftsperspektive in seiner Heimat. Der Umzug in sein neues Haus im fünf Kilometer weiter nördlich gelegenen Neu-Mühlrose am Rande der Gemeinde Schleife ist ein entscheidender Schritt dahin. Wo heute noch das Baufeld bereinigt wird, soll der kleine John spätestens in drei Jahren im Sandkasten sitzen.
Katze Polly zieht mit Werner, Liesbeth, Robert, Gitte und dem kleinen John in das neue Dorf. "Meine Heimat ist da, wo meine Familie ist", sagt Robert - "und Freunde, Nachbarn, Vereinskollegen." Die heutigen Nachbarn der Koitschkas werden auch in Neu-Mühlrose über den Zaun rufen können. Die Bewahrung der ursprünglichen Verhältnisse in der Dorfgemeinschaft ist ein wichtiges Prinzip der sozialverträglichen Umsiedlung, wie sie in der Lausitz stattfindet.
Die zweite Generation unter dem Dach: Robert mit Freundin Gitte und Sohn John, Foto: Andreas Franke für LEAG
Aus eins wird zwei, aus alt wird neu
Genauso wie ein finanzieller Ausgleich für den Verlust des Wohnraumes. Für Robert und seine kleine Familie ein Glücksfall, denn für das 2.200 Quadratmeter große Grundstück der Eltern erhalten beide Generationen jeweils eine halb so große "beherrschbare Scholle", wie Werner und Robert einstimmig sagen - und eine zweite Chance auf einen Neubau nach eigenen Wünschen. Die zugige Haustür und das alte Mauerwerk wird er nicht vermissen, sagt Robert pragmatisch.
Abschied auf Raten
Von Mühlrose geht es nach Neu-Mühlrose, welches zu Schleife gehören wird, Foto: Andreas Franke für LEAG
Mutter Liesbeth zeigt verblichene Fotografien ihrer Großeltern auf dem ehemals bäuerlichen Hof, von dem heute nur noch die holzverkleideten Stallungen zeugen. Ihr Gesicht offenbart ein wenig Wehmut beim Gedanken an die baldige Abkehr vom elterlichen Hof - ihre unbeschwerte Kindheit in der ehemaligen Bauernwirtschaft, das Aufwachsen ihrer drei Söhne und die unzähligen Feiertage, an denen sich die gesame Familie mit Kind und Kegel in Mühlrose versammelt hat. Und dennoch: "Der Abschiedsschmerz ist längst der Vorfreude auf den Neuanfang gewichen, denn wir hatten viele Jahre, um uns zu verabschieden", sagt sie bestimmt und legt den Stapel Bilder beiseite.
Hand auf's Herz - Interview mit Martin Klausch von der LEAG
Martin Klausch betreut die Umsiedlung für die LEAG, Foto: LEAG
Wird durch die Bergbautätigkeit eine Umsiedlung notwendig, verantwortet der Tagebaubetreiber den gesamten Prozess. Bei der LEAG betreut ein eigener Bereich die Betroffenen vor, während und nach dem Umzug. Martin Klausch und seine Kollegen stehen als Ansprechpartner für die Bürger von Mühlrose zur Verfügung. Wir sprachen mit ihm über seinen Job.
Wie wird eine Umsiedlung sozialverträglich?
Jede Umsiedlung ist ein individuelles Projekt und kann nicht nach einem bestimmten Schema durchgeführt werden. Es startet immer mit einer offenen, ehrlichen Kommunikation mit den Beteiligten. Nur so können wir als Unternehmen die Beweggründe der Einzelpersonen, aber auch das gemeinschaftliche Interesse der Dorfgemeinschaft kennenlernen. Daraus erstellen wir den Projektplan: Wer siedelt mit der Gemeinschaft um? Wer nicht? Welche neuen Standorte kommen (nicht) in Frage? Welche zentralen Einrichtungen des Ortes ziehen mit um?
Wie sprechen Sie mit den Menschen über das sensible Thema?
Auch hier gibt es kein Handbuch - aber aktives Zuhören und ein permanenter intensiver Austausch sind der Kern meiner Aufgabe. Dafür bieten wir Sprechstunden, Infoveranstaltungen, Bürgerdialoge, aber bei Bedarf auch individuelle Termine an.
Was war das bewegendste Erlebnis in Ihrem Job?
Besonders in Erinnerung bleiben wird mir der 14. Februar 2019. Als wir im Saal der Mühlroser Gaststätte verkündet haben, dass der Umsiedlungsvertrag unterschrieben wird, sind nicht nur bei den Einwohnern die Dämme gebrochen. Wir hatten trotz der unsicheren politischen Rahmenbedingungen lange darauf hingearbeitet, das Warten der Menschen zu beenden. Die erleichterten Gesichter werden mir ewig in Erinnerung bleiben.