In der Lausitz darf keine einzige Tonne Braunkohle gefördert werden, ohne dass feststeht wie der bergbauliche Eingriff in die bestehende Landschaft ausgeglichen wird. Doch warum ist dies so und was heißt das? Franziska Uhlig-May leitet den Bereich Rekultivierung und sie erklärt uns ihr Aufgabengebiet.
Frau Uhlig-May, was machen Sie und Ihr Team?
Ganz einfach gesagt sorgen wir dafür, dass die durch den Bergbau vorübergehend in Anspruch genommenen Landschaften wieder aufgebaut werden. Zu Beginn des Braunkohlentagebaus in der Lausitz bis ca. 1930 wurden die Landschaften nach dem Abbau der oftmals an der Oberfläche liegenden Braunkohleflöze sich selbst überlassen. Mit dem industriellen Aufschwung nahm die Fördermenge zu, die ersten Werksgärtner kümmerten sich nun um die Nachfolgelandschaften. Später übernahmen Forstleute diese Aufgabe. Die Ansprüche wuchsen im Laufe der Zeit. Heute sind sie so hoch wie nie zuvor. Früher wurde meist einfach aufgeforstet. Heute gilt es, Lebensraum zu schaffen der wirtschaftlich nutzbar, ökologisch wertvoll, lausitztypisch und vielschichtig ist.
Wie werden solche Kriterien und deren Umsetzung festgelegt?
Der Wiederaufbau der Landschaft wird heute bereits in der Planung neuer Tagebaue skizziert. Das schreiben unter anderem das Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung (RegBkPlG) sowie das Bundesberggesetz (BBergG) vor. Ob neue Tagebaue aufgeschlossen werden und inwiefern die Vorstellungen der Bergbauplaner Wirklichkeit werden, entscheiden mehrjährige Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dabei kann zwischen zwei Hauptetappen unterschieden werden: dem Braunkohlenplanverfahren und dem bergrechtlichen Zulassungsverfahren.
Hört sich sehr formell an. Also steht von Beginn der Planungen schon fest, wie die Folgelandschaft aussehen wird?
Ja. Allerdings nicht in allen Details. Das sogenannte Braunkohlenplanverfahren dient der Beurteilung des Abbauvorhabens aus Sicht der Landesplanung. Dafür wird ein Braunkohlenplan erarbeitet, der letztendlich auf Regierungsebene des Landes beschlossen wird.
Hierbei wird unter anderem der gegenwärtige Bestand von Siedlung und Landschaft erfasst. Das Braunkohlenplanverfahren legt Abbaugrenzen und Sicherheitslinien des Bergbaus sowie Räume für Verkehrswege und Leitungen, notwendige Umsiedlungen sowie die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft fest. Teil dieses Verfahrens ist auch eine Strategische Umweltprüfung (SUP) nach europarechtlichen Vorgaben. Diese Prüfergebnisse werden in einem Umweltbericht zusammengetragen und dem Braunkohlenplanentwurf beigefügt.
Schritt für Schritt bis hin zur Rekultivierung, Grafik: LEAG
Und das Ziel ist es, die Landschaft genauso wieder zu gestalten?
Die Spreeauen sind eines der großen Renaturierungsprojekte in der Lausitz, Foto: LEAG
Dazu müssen wir noch einmal kurz auf das Verfahren zurückkommen. Es ist nicht mit dem Braunkohlenplan beendet. Es schließen sich mehrstufige bergrechtliche Zulassungsverfahren für den Rahmenbetriebsplan sowie Haupt- und Sonderbetriebspläne an. Auch hier werden Vorgaben für die Neugestaltung der Landschaft festgelegt. Zudem unterliegen alle neuen Tagebauvorhaben der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmenbetriebsplanverfahren.
Ziel ist es immer, die Eingriffe in Natur und Landschaft auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. Die Folgen dieser Eingriffe sind schnell, wirksam und nachhaltig auszugleichen. Der Aufbau einer solchen Landschaft bietet zudem Chancen. So können dem Naturschutz dienende Maßnahmen umgesetzt, Tourismus fördernde Maßnahmen wie Rad- und Wanderwege mit eingeplant werden. Zudem entsteht aufgrund der fehlenden Massen – also der dem Erdreich entnommenen Braunkohle – eine neue Seenlandschaft.
Sie haben das Verfahren beschrieben jedoch nicht gesagt, wer die Festlegungen trifft.
Stimmt. Der Braunkohlenplan wird letztendlich in Brandenburg und Sachsen auf Landesebene beschlossen. Der zweite, der bergrechtliche Teil der Zulassung wird durch das brandenburgische Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe oder das Sächsische Oberbergamt geführt.
Zu beiden Teilen gehört eine sogenannte öffentliche Beteiligung dazu. Hier können Bürger ihre Anregungen und Vorstellungen, aber auch Ängste und Bedenken einbringen. Auch Umweltverbände werden einbezogen. So ist zum Beispiel das Projekt „Renaturierung der Spreeaue“ ein Ergebnis öffentlicher Diskussionen im Zusammenhang mit der Genehmigung des Tagebaus Cottbus-Nord. Damit haben wir einen Ausgleich für die durch den Bergbau in Anspruch genommenen Lakomaer Teiche geschaffen und die hier beheimateten seltenen Tierarten erfolgreich umgesiedelt. Es geht also manches Mal nicht nur um die betroffenen Flächen an sich, sondern auch darum, passende Schutzräume neu zu schaffen, um das vielfältige Tierleben und den Pflanzenreichtum der Lausitz optimal zu erhalten. Deshalb entstehen auf etwa 15 Prozent des Bergbaufolgelands neue, artenspezifische Lebensräume für den Naturschutz. Selbst Tierarten, die sich in der von Menschen beeinflussten Kulturlandschaft zunehmend gestört fühlen, finden hier ihren Platz.
Wo liegen weitere Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Die Lausitz ist eine ländliche und waldreiche Gegend. Und so entstehen mit der Rekultivierung neben den schon erwähnten Naturschutz-Arealen vor allem Forst- und Agrarflächen. Mehr als die Hälfte der bergbaulich in Anspruch genommenen Flächen werden aufgeforstet. Damit ergibt sich eine einmalige Chance, großflächig Waldumbau zu betreiben. Solche waldbaulichen Ziele lassen sich sonst nur über Generationen von Forstleuten umsetzen.
Der Findlingspark bei Nochten ist ein Tourismusmagnet, Foto: LEAG
Auf etwa zehn Prozent der Folgelandschaft richten wir Agrarflächen her. Die Rückgabeflächen sichern die Existenz bereits bestehender landwirtschaftlicher Betriebe und damit den Erhalt ländlicher Räume. Vattenfall übergibt den Boden an die Folgenutzer, wenn eine nachhaltige Kultur gewährleistet ist und die Agrarfläche als Erwerbsgrundlage bewirtschaftet werden kann. Bis dahin betreut das Unternehmen die Flächen gemeinsam mit den regionalen Landwirtschaftsbetrieben.
Zusätzlich zu diesen Schwerpunkten schafft die Rekultivierung neue Gestaltungsmöglichkeiten. Viele Radwege, Rastplätze und Besuchermagnete wie den Senftenberger See oder den Findlingspark Nochten bei Boxberg gäbe es ohne den Bergbau nicht. Die alte neue Lausitz behält ihren Reiz. Das beweisen Jahr für Jahr die Besucherzahlen: 2014 wurden in der Oberlausitz 1.878.060 Übernachtungen gezählt – ein weiteres Prozent mehr als im Jahr 2013.
Der Beitrag erschien zuerst im Vattenfall Blog.