Kilometer von Gurtförderanlagen laufen Tag und Nacht in den Tagebauen der LEAG im Lausitzer Revier, um Abraum und Kohle zur transportieren. Je näher solche Anlagen einer Ortschaft kommen, desto mehr können sie von den Anwohnern als Lärmbelästigung empfunden werden. Gemeinsam haben die LEAG und die BTU Cottbus-Senftenberg darum seit Jahren die Tragrollen der Gurtförderer im Visier und fanden an ihnen ein erstaunliches Potential zur Lärmminderung.
Jens Höhna steht Rede und Antwort zum Thema Immissionsschutz im Auftrag der LEAG, Foto: LEAG
Er hat einen der kniffligsten Jobs bei der LEAG: Jens Höhna ist Stellvertretender Leiter Umweltschutz im Unternehmen und Immissionsschutzbeauftragter für den Bergbaubereich. Wann immer es von Tagebauanrainern Beschwerden über Lärm- oder Staubimmissionen gibt, er und seine Kollegen müssen sie prüfen, Rede und Antwort stehen und, wenn möglich und notwendig, Abhilfe schaffen. Besser noch, es kommt gar nicht erst zu Beschwerden. Darum tut Höhnas Team schon lange, bevor sich Bagger, Förderbrücken und Bandanlagen einer Ortslage annähern, alles dafür, dass der Tagebau die mit dem Hauptbetriebsplan und dem Sonderbetriebsplan Immissionsschutz vorgegebenen Orientierungswerte sicher einhält.
Jede Immissionsquelle wird einzeln betrachtet
„Allein für Lärm gibt es bis zu 600 mögliche Immissionsquellen in einem Tagebau, die einzeln geprüft und gutachterlich bewertet werden“, erklärt Jens Höhna. „Der Gutachter schätzt ein, ob wir mit den Anlagen in dieser Hinsicht auf dem Stand der Technik sind. Wenn nicht, müssen wir Maßnahmen einleiten, um den Stand der Technik zu erreichen.“
Die Kohleförderung im Tagebau erfolgt unter strengem Immissionschutz, Foto: LEAG
Forschung für Lärmminderung
Dabei hilft seit mittlerweile zehn Jahren eine technische Forschungseinrichtung an der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Gemeinsam hatten das Bergbauunternehmen und die damalige Fachhochschule Lausitz in Senftenberg ein Projekt in Bewegung gesetzt, das unter Laborbedingungen Lärmquellen und ihre Ursachen an Tragrollen ermitteln kann. Solche Rollen werden zu Tausenden im Lausitzer Revier eingesetzt. Über sie laufen die Gurtförderanlagen, ohne die im Tagebaubetrieb gar nichts geht. Die Förderer arbeiten auf Baggern und der F 60, sie bewältigen den kilometerlangen Transport des Abraums vom Vorschnittgerät zum Absetzer und den Transport der Kohle aus der Grube zum Grabenbunker und zur Kohleverladung. Und genau hier, beim Kontakt zwischen Tragrolle und Gurt, kann der Schall entstehen.
Erkenntnisse für die Praxis
Thomas Rieder prüft eine Tragrolle per Glockenschlag, Foto: LEAG
Der Tragrollenprüfstand auf dem Unigelände in Senftenberg ist jeweils an drei Messpositionen mit Mikrofonen zur Schalldruckmessung sowie mit drei Lasern zur Rundlaufmessung ausgestattet. Zudem kann man unterschiedliche Auflasten simulieren. Damit lässt sich ermitteln und in Daten beschreiben, welchen Einfluss die Konstruktion und die Materialbeschaffenheit auf die Schallemission der Tragrollen haben, welchen Einfluss die Geschwindigkeit der Förderbänder oder der Druck, der auf ihnen lastet, hat. Daraus wiederum lässt sich ableiten, welche Veränderungen an den Tragrollen nachhaltig zur Lärmminderung beitragen können. Seit den ersten Versuchen im November 2007 sind mittlerweile 17 Abschluss, 3 Diplom-, 7 Bachelor- und 7 Masterarbeiten zu diesen Themen geschrieben worden und sogar eine Doktorarbeit. Dabei stießen Studenten und Wissenschaftler auf eine Reihe interessanter Erkenntnisse.
Hersteller reagieren auf Ergebnisse
Da ist zum Beispiel der Glockenvergleich. Tatsächlich lässt sich die Eigenfrequenz des Tragrollenmantels (in der Regel ist er aus Stahl) ähnlich wie bei einer Kirchenglocke durch Anschlagen und die Aufzeichnung des so genannten Abklingverhaltens feststellen. Die erste Erkenntnis daraus seien durchaus überraschend gewesen, erinnert sich BTU-Mitarbeiter Thomas Rieder, der die Versuche am Tragrollenprüfstand von Anfang an begleitet. Es zeigte sich, dass die meisten herkömmlichen Tragrollen im gleichen Schallbereich wie eine Glocke liegen. Hersteller haben darauf inzwischen mit speziell lärmgeminderten Tragrollenmodellen reagiert, die innen gedämmt sind.
Unscheinbar, aber sehr effektiv: Die akustische Kamera, hier am Prüfstand, zeigt Lärmminderungspotentiale auf, Foto: LEAG
Akustische Kamera zeigt Potentiale auf
Thomas Rieder beim Einrichten des Tragrollenprüfstandes, Foto: LEAG
Aber vor allem die Oberflächenbeschaffenheit der Tragrolle kann laut den BTU-Forschungsergebnissen deutliche Auswirkungen auf den Schall haben: Je genauer die Oberfläche einer Kreisform entspricht, desto leiser die Tragrolle. Was schon eine Farbbeschichtung dabei ausmacht, demonstriert Thomas Rieder am Prüfstand gern mit Hilfe eines Klebebands, das er für den Versuch auf die Tragrolle aufbringt. Im Vorher-Nachher-Vergleich lässt sich der Unterschied selbst für ungeübte Ohren wahrnehmen: „Das Klebeband ist nur eine dünne Schicht von 0,02 Millimetern, aber damit habe ich quasi 10 Dezibel draufgezaubert.“
Ebenfalls eine wichtige Erkenntnis der zehnjährigen Kooperation zwischen LEAG und BTU: Durch Messungen mit einer akustischen Kamera vor Ort an den Förderbändern und am Prüfstand ließ sich feststellen, dass es selbst unter Tragrollen gleicher Bauart deutliche Lärm-Unterschiede gibt. Die Differenz kann bis zu 20 Dezibel betragen. Wenn man das wisse, erklärt Jens Höhna, dann könne man, gerade da, wo Anlagen sich in der Nähe von Ortschaften befinden, die lauten, aber mechanisch noch intakten Rollen herauspicken und auswechseln. Über Jahre lasse sich damit über ein gezieltes zustandsbezogenes Instandhaltungs- und Immissionsschutz-Management eine Förderbandanlage auf einem vergleichsweise niedrigen und genehmigungstechnisch vorgegebenen Niveau erhalten.
Möglichkeiten noch lange nicht erschöpft
„Der Nutzen des Tragrollenprüfstands für unser Unternehmen liegt auf der Hand“, sagt der LEAG-Umweltfachmann. „Die Ergebnisse, die wir aus den Versuchen am Prüfstand erhalten, gehen direkt ein in unsere Lieferanforderungen an die Hersteller und versetzen uns in die Lage, die Lärmimmissionen aus diesen Quellen nicht nur auf das genehmigungstechnische Maß, sondern darüber hinaus auf das technisch mögliche Maß zu senken. Mit wissenschaftlicher Hilfe haben wir in unseren von Gurtförderanlagen beeinflussten Tagebaurandgemeinden damit durchschnittlich eine Immissionssenkung um 8-10 Dezibel erreicht.“
Die Möglichkeiten des Tragrollenprüfstandes sind damit noch lange nicht erschöpft. In einem nächsten Projekt will man sich an der BTU mit der Frage beschäftigen, ob und wie die Unwucht von Tragrollen zur Lärmentstehung beiträgt, und daraus weitere Vorschläge zu den mechanischen und akustischen Anforderungen ableiten.
Weitere Information
Lausitz TV war bei der Jubiläumsfeier im Rahmen des BTU Transfertages vor Ort. Hier sehen Sie den Beitrag.