18.06.2022

Der Krieg in der Ukraine markiert auch für die Energiewirtschaft eine Zeitenwende. Galt zuvor russisches Gas als sichere Brücke auf dem Weg der Energiewende, ist nun fraglich, welche Rolle Gas in der künftigen Energieversorgung einnehmen wird. Klar ist, neben einem beschleunigten Ausbau von Erneuerbaren Energien, Stromnetzen und Speichern wird weiterhin steuerbare Leistung im Stromnetz gebraucht. LEAG hält deshalb an Planungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke fest, erläutert Thomas Hörtinger, Leiter des LEAG-Kraftwerksmanagement, im Interview.

Thomas Hörtinger auf der Grundsteinlegung für das Kraftwerk Leipheim, Foto: www.picslocation.de

Die LEAG will sich zu einem modernen und grünen Energieunternehmen transformieren. Wie passen Gaskraftwerke in diese Strategie?

Der Transformationsprozess der LEAG konzentriert sich vor allem auf den Bereich Energie. Sie gehört zu unserer DNA, so dass eine Weiterentwicklung unserer Energiestandorte mit ihren vorhandenen Infrastrukturen genauso wie der Aufbau erneuerbarer Energieanlagen auf unseren Tagebauflächen unser Anspruch sein muss. Gas als steuerbarer Energieträger wird nach dem Abschalten der letzten Kern- und Kohlekraftwerke eine wichtige Funktion für die Versorgungssicherheit übernehmen müssen, da die erneuerbaren Energien allein die sichere Stromversorgung rund um die Uhr nicht gewährleisten können. Insofern gehören neue Gaskraftwerke, die zukünftig für den Einsatz mit Wasserstoff ausgerüstet sein werden, auch in das LEAG-Portfolio.

Aktuell investiert niemand in Gaskraftwerke, weil ihre Perspektive und damit die Refinanzierung unklar sind. Warum geht LEAG hier einen anderen Weg?

Ganz einfach: wir wollen vorbereitet sein, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Mit dem Kohleausstieg werden Kraftwerke in der Größenordnung von 20 bis 43 GW notwendig – das können Gas- oder wasserstofffähige Kraftwerke sein. Und das sind noch vorsichtige Schätzungen, wenn man bedenkt, dass sich die Spitzenlast im deutschen Stromnetz von jetzt im Durchschnitt 70 GW mit der Sektorkopplung auf bis zu 100 GW erhöhen könnte.

Technisches Konzept Gasturbinenkraftwerke, Prinzip Gasturbine, Abb. LEAG

Im Moment geht es in Europa vorrangig darum, sich von russischen Energieimporten unabhängig zu machen. Ein Großteil des in Deutschland verbrauchten Gas kommt aus Russland. Wird es in Zukunft genug Gas zur Stromerzeugung geben?

Der russische Angriff auf die Ukraine hat Eckpfeiler der deutschen Politik hinweggefegt. In der deutschen und europäischen Energiepolitik ist die sichere Versorgung mit Energie wieder ein heiß diskutiertes Thema. Das hat auch dazu geführt, dass die heimische Braunkohle wieder mehr wahrgenommen wird. Dennoch wird Gas in Zukunft von hoher Bedeutung bleiben und ich bin optimistisch, dass es gelingen wird, einen Ausgleich für russische Gaslieferungen zu schaffen. Die Politik, konkret das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, setzt hier alle Hebel in Bewegung. Mit der vom Wirtschaftsminister gestarteten Offensive zum Bau schwimmender LNG-Terminals ist zudem ein erster Schritt in Richtung Importunabhängigkeit von Russland gemacht, weitere, wie die Verfügbarkeit von ausreichend Transport-Schiffen und stationäre LNG-Terminals, müssen sicher folgen. Wir sind optimistisch, dass der Bundesregierung die Beschaffung ausreichender Ressourcenmengen mittelfristig gelingen wird.

offene Gasturbine/GuD

Vorteile offener Gasturbinen sind, dass sie schnell hohe Wirkleistungen erreichen und innerhalb kürzester Zeiträume zur Netzstabilisierung beitragen können. GuD-Kraftwerke überzeugen dagegen eher bei der Versorgung über längere Betriebszeiten mit ihrer typischen Kraft-Wärme-Koppelung. Umrüstung der Gaskraftwerke auf H2-Nutzung dabei im Blick

An welchen Standorten plant LEAG den Bau von neuen Gaskraftwerken?

Ein Gaskraftwerk braucht eine entsprechende Infrastruktur, vor allem braucht es einen Anschluss an das Gasnetz. Diese Voraussetzung erfüllen unsere beiden Kraftwerksstandorte Schwarze Pumpe und Lippendorf. Deshalb entwickeln wir für diese beiden Standorte Konzepte für den Neubau von offenen Gasturbinenkraftwerken mit 600 MWel. Alternativ wären auch Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) mit einer Leistung von 850 MWel oder eine spätere Umrüstung auf Wasserstoff möglich.

Wovon wird die Technologie, ob offene Gasturbine oder GuD, abhängen?

Im künftigen Strommarktdesign könnten sowohl offene Gasturbinenanlagen mit einer vergleichsweisen geringen Betriebsdauer zu Netzstabilisierungszwecken als auch GuDs zur Deckung von Residuallasten bei einer geringen Einspeisung von Erneuerbaren erforderlich werden. Die Entscheidung, ob reine Gasturbinenanlagen oder GuDs geplant, genehmigt und errichtet werden, hängt von den zukünftigen regulatorischen Rahmenbedingungen ab. Hier erwarten wir, dass die Bundesregierung im Sinne der Versorgungssicherheit schnell Klarheit schafft.

Kurz zum Zeitablauf. Wo stehen Sie aktuell mit den beiden Projekten?

Vorweg - unser Ziel ist, im Falle eines durch die Bundesregierung angezeigten Bedarfs von Anlagen, zeitnah mit dem Bau dieser beginnen zu können. Mit Blick auf den notwendigen zeitlichen Planungsrahmen für Kraftwerksneubauten von etwa sieben bis acht Jahren, sehen wir es als zwingend an, bereits jetzt Konzepte für den Neubau von Gasturbinenkraftwerken zu erarbeiten und Planungsverfahren dazu auf den Weg zu bringen. Das erforderliche Genehmigungsverfahren befindet sich aktuell in Vorbereitung. Zum Start des Verfahrens wurden bereits die für die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlichen Scoping-Termine mit der Landesdirektion Sachsen durchgeführt. Unser festes Ziel ist es, die Genehmigungsanträge zum Jahresende 2022 einzureichen. Die Errichtung beider Anlagen wäre in den Jahren 2025/26 vorgesehen, der Start des Anlagenbetriebs könnte im Jahr 2027 erfolgen. Bereits jetzt profitieren wir bei der Planung dieser Anlagen stark von unseren Erfahrungen im Neubau-Projekt Gaskraftwerk Leipheim, bei dem wir mit Siemens Energy einen projekterfahrenen Partner an unserer Seite haben.

Mit dem Gaskraftwerks-Neubauprojekt in Leipheim übernimmt LEAG auch in Süddeutschland Verantwortung für eine sichere und steuerbare Stromversorgung, Foto: LEAG

Welche Planungen gibt es für die beiden anderen Lausitzer Kraftwerksstandorte Jänschwalde und Boxberg, wo kein Anschluss an die Gasinfrastruktur vorliegt?

Für die Kraftwerksstandorte Jänschwalde und Boxberg verfolgen wir Planungen für innovative Kraftwerkskonzepte, bei denen wir gesicherte Leistung mit Speichertechnologie verbinden wollen. Allerdings stimmt es, dass sich der Anschluss an das Gasnetz für diese beiden Standorte schwieriger gestaltet, da neue Gasleitungen verlegt werden müssten. Im Falle von Jänschwalde liegt der nächste Netzanschlusspunkt rund 75 km und in Boxberg etwa 23 km entfernt. Es bleibt also abzuwarten, welche Entwicklungen sich auf den Energiemärkten abzeichnen und ob diese die notwendigen Investitionen in die industrielle Infrastruktur nach sich ziehen werden.

 

Mehr Infos zu  unseren Kraftwerken unter www.leag.de.

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Autor

Kathi Gerstner

Direkt nach meinem Studium der Kulturwissenschaften hatte ich die Möglichkeit, in vielen Bereichen der Kommunikation unseres Energieunternehmens tätig zu sein. Seit mehr als zehn Jahren gehöre ich zum Team der Pressesprecher. Dort bin ich Ansprechpartnerin für die Medien zu allen Themen der LEAG-Geschäftswelt.