Lautes Pfeifen, Trillern und ein stampfender Rhythmus begleiteten die Ankunft der Teilnehmer der Lausitz Konferenz am 9. September im Suhler Klubhaus. Die IG BCE und der Betriebsrat der LEAG hatten an diesem regnerischen Morgen aufgerufen, Präsenz zu zeigen. Denn die Veranstalter, die Staatskanzlei Brandenburg, die IKEM und WindNODE hatten als Titel und Ziel der Veranstaltung eine gemeinsame Weichenstellung für den erfolgreichen Strukturwandel in der Lausitz angegeben.
Die große Präsenz der Belegschaft vor dem Klubhaus prägte den Start der Veranstaltung. Denn sie zeigte die Betroffenheit, die Wut aber auch die Verletzlichkeit der Kolleginnen und Kollegen. Es geht um ihre Arbeitsplätze, ihre Lebensqualität und Zukunftsperspektiven. Auch der demografische Wandel, die Fachkräftebindung und eine Deindustrialisierung betreffen sie unmittelbar. Der Lausitzbeauftragte Dr. Klaus Freytag betonte in der Begrüßung der rund 200 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Umweltverbänden, dass es richtig und wichtig sei, in Schwarze Pumpe diese Veranstaltung zu machen. Denn auch wenn es laut oder auch nass gewesen sei, gelte es, die Zukunft der Lausitz gemeinsam zu diskutieren.
Bereits früh morgens liefen die ersten Teilnehmer vom Kraftwerk Schwarze Pumpe zum Suhler Klubhaus, Foto: LEAG
Schlagabtausch auf dem Podium
Die Podiumsdiskussion war das Spotlight zu Beginn, Foto: LEAG
Doch vorerst beschränkte sich die Diskussion auf die Teilnehmer der Veranstaltung: Unter ihnen Prof. Dr. Jörg Steinbach, der Wirtschaftsminister Brandenburgs, der zudem seinen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke vertrat, der aus familiären Gründen abgesagt hatte. Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace und Mitglied der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (WSB), Christian Hoßbach, der Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg und auch Dr. Helmar Rendez, Vorstandsvorsitzender der LEAG waren dabei. Zusammen mit Annalena Baerbock bestritten diese fünf einen Großteil des Vormittags: Nach den Grußworten von Baerbock und Steinbach gab eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Arbeitsplätze und Versorgungssicherheit versus Klimaschutz und Zukunftchancen?" den Rahmen zum Schlagabtausch.
Schlüsselrolle für die LEAG
Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende der Grünen, suchte das Gespräch mit den Demonstranten, Foto: LEAG
Erstaunlich einig zeigte sich die Runde, dass im Zentrum eines Strukturwandels konkrete Aussagen stehen müssten. Und dabei sei wichtig, es nicht bei Versprechungen zu belassen. Der Beschluss der Kommission WSB sei etwas sehr Wertvolles, dies unterstrich vor allem die Bundesvorsitzende der Grünen. Mit Blick auf die Demonstranten vor dem Haus räumte Baerbock ein, dass es in ihrer Partei versäumt wurde, zu berücksichtigen, was den Kern der Menschen in der Region ausmache. Allerdings sei es aus ihrer Sicht auch ein Fehler der Geschäftsführung und der Landesregierung zu versichern, dass sich nichts ändert, teilte sie aus. Die LEAG habe natürlich eine Schlüsselrolle beim Strukturwandel. Wie sei es zu schaffen, dass dieser Energiekonzern, der die Region prägt, umgepolt wird, stellte sie als Frage in den Raum.
Vorstandsvorsitzender Helmar Rendez begrüßte sowohl die Belegschaft als auch die Teilnehmer vor dem Suhler Klubhaus, Foto: LEAG
Wertschöpfung muss gesichert werden
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Grünenvorsitzende Annalena Baerbock wollte sich für kein Tor entscheiden, Video: LEAG
Rendez versicherte, dass sich das Unternehmen jeder Herausforderung stelle. Doch dies brauche Zeit. „Wir fordern vom Bund und der neuen brandenburgischen Landesregierung deshalb eine 1:1-Umsetzung der KWSB-Empfehlungen und ein klares Bekenntnis zu 2038. Auch und ganz besonders von den Grünen, die hier immer noch taktieren und sich nicht festlegen wollen“, sagte er und spielte damit darauf an, dass Baerbock sich vor Beginn der Veranstaltung für keines der mit Zielzahlen für den Kohleausstieg gekennzeichneten Tore entscheiden wollte. „Für eine erfolgreiche Zukunft gilt es, bestehende Wertschöpfungsketten in den Regionen zu erhalten. Die LEAG als eins der hier strukturbestimmenden Unternehmen muss die Sicherheit haben, ihre Konzepte umsetzen zu können.“
Strukturwandel mit gesicherten Rahmenbedingungen
Zwei Petitionen
Zur Lausitzkonferenz gab es gleich zwei Schreiben an die Brandenburgische Landesregierung. Zum einen forderten die Lausitzrunde, die IHK und HWK Cottbus in einem gemeinsamen Schreiben von allen Beteiligten im Verfahren um den zwischenzeitlichen Sicherheitsbetrieb des Tagebaus Jänschwalde ein zielführendes Handeln, damit dieser schnellstmöglich wieder in Betrieb gehen kann. Zum anderen verfassten mehrere Unternehmen ein so genanntes Memorandum für Nachhaltigkeit, Innovation und Arbeitsplätze in der Lausitz.
Die ersten dieser Konzepte stünden in den Startlöchern: „Der 50-MW-Batteriespeicher, das Referenzkraftwerk Lausitz, der Solarpark Welzow - wie die Glieder einer Kette reihen sich unsere Zukunftsprojekte aneinander. Wir brauchen aber ausreichend Zeit, verlässliche Planungsgrundlagen und für den Übergang auch die Erlöse aus unserem Kerngeschäft, der Braunkohle, damit diese Kette nicht reißt, sondern langfristig eine stabile Verankerung in der Region hat.“
Kritik gab es von Greenpeace-Geschäftsführer Kaiser. Ein beherztes Ja zu 100 Prozent erneuerbarer Energien im Konzern höre sich für ihn anders an. Er setzte auf das Kohleausstiegsgesetz und sehe hier den verlässlichen Rahmen. Die Region müsse mitgehen und über den Ausstieg sprechen.
DGB Berlin-Brandenburg-Vorsitzender Hoßbach sprang Rendez zur Seite. Der Strukturwandel in der Lausitz müsse mit gesicherten Arbeitsplätzen verbunden werden. Das sei wichtig für die Menschen. In der Lausitz gäbe es eine schlechte Tarifbindung, die Einkommen seien statistisch belegt geringer als in vielen anderen Regionen und dies, obwohl hier schon die guten Industriejobs berücksichtigt seien.
Ehrlichkeit nötig
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach bei der Ankunft im Gespräch mit IG BCE-Vertretern, Betriebsräten und Belegschaft, Foto: LEAG
Brandenburgs Wirtschaftsminister Steinbach betonte, dass bereits jetzt Arbeitsplätze in der Lausitz geschaffen würden und verwies auf die Hybridwagenfertigung der Bahn, die sich in Cottbus ansiedeln will. Die Gesamtentwicklung müsse angepasst werden, damit es nicht die nächsten Verlierer gäbe. Seiner Ansicht nach vertrugen die Leute ehrliche Informationen. Aber sie könnten keine nicht eingehaltenen Versprechungen mehr ertragen. Jede demokratische Partei in Brandenburg habe eine Quittung bekommen. Es gelte Vertrauen wiederzugewinnen: Ehrlichkeit stehe an erster Stelle, auch wenn sie manchmal weh tue. Es brauche Klarheit für die Lausitz. Denn flankierend stünden viele Möglichkeiten offen. „Wir wollen beweisen, dass Wirtschaftswachstum und Klimaschutz zugleich möglich sind", betonte Steinbach. „Die Region zu stärken, das Klima zu schützen, die Energieversorgung zu sichern und gut bezahlte Dauerarbeitsplätze in Industrie und Forschung, Verwaltung und Dienstleistungen zu schaffen - das ist unser Ziel." Wichtig sei nicht nur hierfür auf jeden Fall die Vernetzung über die Region hinaus. Dies belegten die weiteren Beiträge am Vormittag, die einen Blick über den Tellerrand wagten.
Kraftakt für die Region
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Mit einem von Christine Herntier verlesenen Appell für den Tagebau und das Kraftwerk Jänschwalde wandten sich die Lausitzrunde, die IHK und HWK Cottbus an die Landesregierung Brandenburgs und alle Beteiligten am Verfahren, Video: LEAG
Am Nachmittag ging es um die Gestaltung des Wandels – ganz konkret anhand von vielen Projekten, die sich in Kürze hintereinander weg präsentierten. Vom Reallabor, dem Ausbau Erneuerbarer auf Kippengelände, einer neuen Betrachtung der energetischen Transformation der chemischen Industrie, über die Bildung einer Wasserstoffregion bis hin zu verschiedenen Speicherideen, unter anderen auch der BigBattery, reichte die Palette der vorgestellten Ideen für die Lausitz. Es gibt sie also, die Innovation in der Lausitz. Es werde alles getan, um die Energieregion Lausitz zu halten, so der Tenor der Konferenz. Doch es bleibe ein riesiger Kraftakt, der nur zu schaffen sei, wenn alle Beteiligten für diese Region gemeinsam an einem Strang ziehen.
Meine berufliche Wiege stand in Brunsbüttel, genauer im dortigen Kernkraftwerk. Von da ging es stromaufwärts über Hamburg und Berlin in die Lausitz. Seit Beginn dieses Jahrtausends arbeite ich in der Unternehmenskommunikation: erst analog, jetzt digital. Mein Antrieb ist die Neugierde und der Spaß am Ausprobieren. Und ich bin ein großer Fan der Sesamstraße. In diesem Sinne: ... 1000 tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen, manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen....