26.06.2019

Es ist einer dieser heißen Junitage, der mit einem kräftigen Gewitter zu Ende gehen wird. Ich bin, genauso wie 13 Schüler und zwei Lehrerinnen vom Gymnasium Johanneum aus Hoyerswerda, mit Hendrik Zank, Leiter der Fachgruppe Naturschutzmanagement bei der LEAG, und Dr. Reinhard Reißmann vom Gutachterbüro Beak Consultants in der Tagebaurekultivierung verabredet. 

Für den Unterricht auf der Kippe haben die Schüler alles eingepackt, Foto: LEAG

Unser Treffpunkt: ein Kippenareal des Tagebaus Welzow-Süd nördlich des neuen Lugteichs im Renaturierungsbereich der zukünftigen Aue des Hühnerwassers. Die zehn Mädchen und drei Jungen gehören dem Leistungskurs Biologie der Lehrerin Editha Wiesenberg an. Der Lehrplan der Elftklässler sieht unter anderem eine Exkursion vor – raus aus der Schule, rein in die Natur.

Zank erklärt mir, dass die Rekultivierungsfläche mit dem jungen Wald und seinen Kleingewächsen, einer Wiese, einzelnen Wasserlöchern und sogar einer Düne ideal sei für die Aufgabenstellung, die die Lehrerin ihren Schülern übertragen hat: Vegetationsaufnahme und -bestimmung, Boden- und Wasseranalysen.

Zwei Spezialisten in Sachen Rekultivierung beim Unterricht mit den Schülern auf der Tagebaukippe: Hendrik Zank (links außen), und Dr. Reinhard Reißmann (rechts außen), Foto: LEAG

Erfassen, analysieren und bestimmen

Eine Wanderausstellung zum Kippenboden ist aktuell zu Gast im Kommunikations- und Naturschutzzentrum Weißwasser (KNW), Foto: LEAG

Bevor es losgeht, erläutern Zank und Reißmann den jungen Leuten, was sie erwartet: Ein Boden, der extensiv genutzt wird, der sich entwickeln kann, ohne dass der Mensch eingreift. Eine Landschaft, in der keiner „Ordnung macht“, mit dem Ergebnis, dass hier zum Beispiel Pflanzen wachsen, die es woanders kaum noch gibt. Im Übrigen sei der Kippenboden von der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft zum Boden des Jahres 2019 gewählt worden.

Und auch Tiere fühlen sich hier wohl. Am Lugteich brüten gerade die Kraniche, berichtet Zank. Daher ist diese Naturschutzfläche für die heutige Exkursion tabu. Dort und an den anderen Gewässern im Rekugebiet leben bis zu 1.000 Tierarten – Schmetterlinge, Käfer, Würmer – erläutert Reißmann.

Gut vorbereitet und ganz bei der Sache

Fotos sind die halbe Miete für die spätere Dokumentation, Foto: LEAG

Der Gutachter und Zoologe ist seit über 30 Jahren auf LEAG-Flächen unterwegs, erfasst und bewertet „alles, was lebt“ vor der Inanspruchnahme durch den Tagebau, überwacht Natur und Umwelt über die Jahre der Kohleförderung und führt das Erfolgsmonitoring auf der Kippe durch. Das heißt, er führt den Nachweis darüber, ob die planerischen Zusagen aus den Genehmigungen auch tatsächlich eingetreten sind.

Zwei solche Spezialisten während der Exkursion an der Seite zu haben, sei Gold wert, urteilt Wiesenberg. Vor einem Jahr war sie zum ersten Mal mit einem Leistungskurs hier. Dass sie erneut bei der LEAG anfragen würde, stand danach außer Frage. „Die Schüler sind begeistert. Sie haben Freude daran, ganz praktische Dinge wie die Bodenbestimmung vor Ort auszuprobieren“, begründet sie das.

 

1/8 Die beiden Schülerinnen sind mit dem Fahrrad zum Treffpunkt gekommen. Sie sind in der Nähe zu Hause, Foto: LEAG
2/8 Erfassen heißt auch anfassen …, Foto: LEAG
3/8 … und riechen, Foto: LEAG
4/8 Auch selten und auf der Roten Liste der bedrohten Arten – der Sandtragant, Foto: LEAG
5/8 Im Wald gibt es mehr zu sehen, als die angepflanzten Bäume, Foto: LEAG
6/8 „Schau mal, hier wächst Sanddorn“, Foto: LEAG
7/8 Gemeinsam mit Hendrik Zank „sammeln“ die Schüler auf der Wiese das Material für die spätere Pflanzenbestimmung, Foto: LEAG
8/8 Die Decke könnte täuschen: Es geht hier nicht um Camping, Foto: LEAG

Gruppenarbeit im Wald und auf der Wiese

Die Schüler haben ihr „Labor“ dabei, Foto. LEAG

Zank und Reißmann begleiten je eine Gruppe, die abwechselnd Wiese und Wasser sowie Düne und Wald im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe nehmen.

Trotz der hohen Temperaturen sind alle Schüler mit Begeisterung dabei. Es wird notiert, fotografiert, zwischen den Fingern verrieben, um zu riechen, und gestaunt – Silbergras, Segge, Sandstrohblume, Schilf, Wiesenthymian und sogar die ersten Walderdbeeren gibt es zu sehen. Alle sind vertieft in ihre Aufgaben, bis sie ein „Halt. Stopp. Nicht weiterlaufen!“ von Reißmann innehalten lässt. Auf der Düne hat er zwei äußerst seltene Pflanzen entdeckt – die Bärentraube und den Sand-Tragant. In Deutschland – erfahren die Schüler – stehen beide Pflanzen auf der Roten Liste der bedrohten Arten.   

Die Bärentraube ist eine von zwei ganz seltenen Pflanzen, die die Schüler auf der Düne „gefunden“ haben, Foto: LEAG

Geduld und Präzision bei der Pflanzenbestimmung

Im Wald arbeitet es sich – auch für mich – inzwischen angenehmer, denn auch junge und noch nicht allzu hohe Bäume spenden Schatten und sorgen für angenehme Temperaturen. So außergewöhnliche Pflanzen, wie auf der Düne, gibt es hier nicht. Doch die Schüler entdecken zwischen den von der LEAG angepflanzten Bäumen durchaus für sie Unerwartetes wie Lupinen, Sanddorn oder Ginster. Auch das notieren sie und entnehmen, wie später auf der Wiese, Bodenproben für die Analyse.

Gemeinsam mit Hendrik Zank und der entsprechenden Fachliteratur – dem Rothmaler - bestimmen die Schüler ausgewählte Pflanzen von der Wiese; Foto: LEAG

Zum Schluss, schon etwas ermüdet von den hohen Temperaturen, sitzt jede Gruppe im Schatten, im Kreis um den studierten Biologen Zank und bestimmt mit Hilfe der entsprechenden Fachliteratur eine Pflanze. Das erfordert Geduld und Präzision gleichermaßen. Ich bin angetan davon, wie gut die Schüler diese wissenschaftliche Vorgehensweise beherrschen.

Den ganzen Tag über war mir Paula aufgefallen. Anfangs, weil sie auf mich sehr ernst wirkte. Schnell habe ich jedoch festgestellt, dass sie einfach nur sehr konzentriert arbeitet. Den Leistungskurs Biologie hat sie gewählt, weil sie dieses Fach am meisten interessiert. Vielleicht, erzählt sie mir, will sie nach dem Abitur Veterinärmedizin studieren. Und der Tag auf der Kippe, wie war der für sie, will ich wissen. „Ich fand das sehr interessant und mir hat besonders gefallen, dass ich lernen und ausprobieren konnte, wie man Pflanzen selbst aufnimmt und bestimmt.“ Jeden Tag im Freien zu arbeiten, das wäre allerdings nichts für sie, ergänzt sie noch und ist in Gedanken auch schon bei der Dokumentation, die sie wie alle anderen in den nächsten Tagen erarbeiten wird.         

Mir geht es ähnlich wie den Schülern: ermüdet von der vielen frischen Luft und den mehr als 30° C und in Gedanken bei meinem Text und dem angedrohten Gewitter. 

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Autor

Elvira Minack

Nachdem ich über 30 Jahre als Pressesprecherin und verantwortliche Redakteurin in Ostbrandenburg und in Franken gearbeitet habe, kam ich 2009 ins Unternehmen. Seit dem Herbst 2017 arbeite ich in der externen Kommunikation. 

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