Lausitzer Sekundär-Rohstoff-Zentrum: Die LEAG bündelt Know-how

09.07.2020
Dr. Birgit Futterer

Als Referentin für die Planung von Depots gehört das Thema fachgerechte Abfallentsorgung zu meinem Aufgabenbereich. Das hat sich natürlich auch beruflich entwickelt. Als Geophysikerin kam ich von der Bergakademie Freiberg an die BTU Cottbus zum Promovieren. Die wissenschaftliche Phase in der Strömungsmechanik endete dann 2013 mit einer Gastprofessur an der Universität Magdeburg. Im Jahr 2014 bin ich beim Lausitzer Bergbau angekommen. Hier war ich zunächst beim Sachverständigen für Böschungen im Bereich der Depots eingesetzt und habe das Thema Bodenmechanik bearbeitet. Und so bin ich dann immer näher an die Deponien „herangerückt“ und heute unter anderem für deren Genehmigung zuständig. Dabei beschäftige ich mich ganz automatisch mit einem alltäglichen Problem: Wie verwerten und entsorgen wir unsere Abfälle?

Die LEAG engagiert sich in neuen Geschäftsfeldern und setzt sich dabei auch mit Roh-, Begleit- und Reststoffen auseinander. Hierzu gehören die Teilprojekte Lausitzer Sekundär-Rohstoff-Zentrum und eine neue Deponie. Der Betrieb von Deponien ist dabei kein Neuland für die LEAG. Für Kraftwerksreststoffe wie Asche betreibt das Unternehmen bereits Deponien. Warum die LEAG hier auch künftig Bedarf sieht und sich darüber hinaus mit der Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abfällen befassen will, erklärt Dr. Birgit Futterer.

Frau Dr. Futterer, was ist überhaupt eine Deponie? Viele Menschen verbinden damit eher nichts Positives.

Nach unseren heutigen, deutschen Standards ist eine Deponie eine bauliche und technische Anlage, in der Abfälle „für immer“ abgelagert werden können. Das ist auch einer der wesentlichsten Unterschiede zu einem Depot, in dem die abgelagerten Stoffe für eine spätere Rückgewinnung nur zwischengelagert werden. Wichtig beim Deponieren ist, dass dies ordnungsgemäß erfolgt. Das heißt jeder Schritt vom Errichten über das Betreiben bis zum Schließen unterliegt verschiedensten Kontrollen und Nachweisen. Deponien liegen oft an so genannten Altstandorten und nicht in der Nähe von Städten und Gemeinden. Das war aber nicht immer so: Bis Anfang der 1990er Jahre hatte jede Stadt, jede Gemeinde einen Standort direkt in unmittelbarer Nähe, an dem die Abfälle entsorgt wurden. Im schlimmsten Fall wurde dafür ein einfacher Acker genutzt. Entsorgt wurde alles, was anfiel. Aber vor dem Hintergrund von Ungeziefer, Ratten, Geruch und stinkenden Wassergräben begann bereits Mitte der 1970er Jahre ein erstes Umdenken. Auch wenn das zunächst nur hieß, dass zum Beispiel Fässer nicht einfach abgekippt, sondern ordentlich gestapelt wurden und man den abgekippten Abfall noch „zurechtschob“. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Deponierung im Sinne des Umweltschutzes sehr klar geregelt. Zudem erfahren Themen wie Wiederverwendung, Recycling, thermische Verwertung sowie Kreislauf- und Ressourcenwirtschaft immer größere Bedeutung. Im Jahr 2006 wurde sogar das Ziel formuliert, bis 2020 gar keine Deponien mehr betreiben zu wollen.

Abfall ist nicht gleich Abfall: Die Rangfolge im Umgang

Die fünfstufige Abfallhierarchie ist Kernelement des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG § 6) und legt eine grundsätzliche Rangfolge fest, in der mit Abfällen umgegangen werden muss, Grafik: LEAG

Welche Formen von Deponien gibt es?

Aus der beschriebenen früheren Phase stammt der Begriff der „Bürgermeisterdeponien“. Diese alten Deponien sind in Deutschland heute geschlossen und befinden sich in einem gesicherten Zustand. Das heißt, die Müllkörper wurden abgedichtet, um den Schutz von Natur und Umwelt, vor allem des Wassers, zu gewährleisten. Da früher organische Abfälle mit deponiert wurden, entgasen diese Deponien aber teilweise heute noch. Schaut man sich mit diesem Wissen in der Gegend um, findet man sehr schnell eine Vielzahl solcher künstlichen, kleineren begrünten Berge in der Nähe unserer Städte, eingezäunt und mit einer kleinen Gasfassung obendrauf. Die „Sündenfälle“, in denen im großen Stil beispielsweise Chemieabfälle illegal abgelagert wurden, sind oder werden zurückgebaut und die Abfälle ordentlich entsorgt.

Mit der Idee der „ordnungsgemäßen Deponie“ hat man mit der Deponieverordnung 2009 dann vier so genannte Deponieklassen festgelegt. Je höher die Klasse, umso „schlimmer“ sozusagen der Abfall. Mit zunehmendem Schadstoffgehalt steigen deshalb auch die Anforderungen an die Kontrollen und die Sicherungssysteme. Mindestanforderung an die Errichtung jeder Deponie ist eine Basisabdichtung mit Sickerwasserfassung. Die hatten die alten „Bürgermeisterdeponien“ nicht.

Klar ist, dass jede Gesellschaft Müll erzeugt. Unsere Vorfahren haben ihren Müll zum Teil als Baumaterial verwendet. So sind Paris, London oder New York ursprünglich auch auf Müll gebaut. Aber klar ist auch: Müll ist abhängig von der Entwicklung. Der Müll der Römer enthielt halt noch kein Plastik.

Die Deponie Spremberg-Cantdorf wurde 2011 bis 2013 vom Eigenbetrieb Abfallwirtschaft des Landkreises Spree-Neiße aufwendig saniert, Foto: LEAG

Also geht es nicht ohne Deponien?

Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. So wie wir leben, gibt es nun mal „einen Rest“, der übrig bleibt und mit dem wir nichts anderes machen können, als ihn zu entsorgen. Und das sollten wir ordentlich tun. Dabei ist Abfall nicht gleich Abfall. Am besten ist es natürlich, Abfall ganz zu vermeiden. Fällt er aber an, ist es besser zu prüfen, ob man noch etwas „Nützlicheres“ damit machen kann, als ihn zu deponieren. Es ist nun mal ein Unterschied, ob zum Beispiel beim Renovieren des Hauses Asbest oder kaputte Ziegel anfallen. Während ersteres in eine Deponieklasse II gehört, wird letzteres nicht mehr als Klasse I werden und kann sogar noch als Stabilisierung in die Deponie eingebaut werden. Dann spricht man von Verwertung bzw. einem Deponie-Ersatzbaustoff. Deshalb müssen wir auch die Verantwortung übernehmen, unseren Müll gesondert und fachgerecht zu entsorgen und zu deponieren.

Der eingangs erwähnte Verzicht auf Deponien ab dem Jahr 2020 lässt also auf sich warten?

Ja, so ist es. Derzeit schreiben fast alle Bundesländer ihre Bedarfe neu aus. Wichtig ist, dass wir mit dem Thema Müll verantwortungsvoll umgehen, uns nicht umdrehen und so tun, als hätten wir damit nichts zu tun. Die schlimmste Situation wäre die, die in dem Film „Wall E“ beschrieben wird: Die Menschheit hat die völlig zugemüllte Erde verlassen und lässt Roboter den Müll pressen und zu Hochhäusern aufstapeln. Eine grausige Vorstellung! Die jetzt geplanten neuen Deponien sollen dem Fakt gerecht werden, dass es diesen „letzten Rest“ gibt. Aber gleichzeitig wird auch die Priorität in der Abfallhierarchie explizit mehr in Richtung Verwertung gesetzt. Abfall vermeiden geht also vor Verwerten. Beim Verwerten unterscheidet man dann auch das stoffliche und das thermische Verwerten – das heißt Verbrennen und dabei Energie erzeugen. Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, darf ich auch beseitigen, also deponieren. Ich bin mir sicher: Solange der Kreis in der Kreislaufwirtschaft noch nicht komplett geschlossen ist, so lange werden wir auch Deponien betreiben. Und die alten Deponien werden immer unter Beobachtung stehen müssen.

Für eine umweltverträgliche Deponierung werden mehrere, voneinander unabhängige Barrieren errichtet. Der Aufbau richtet sich nach der jeweiligen Deponieklasse, Grafik: LEAG

Nun zur konkreten Situation bei der LEAG: Was macht und plant unser Unternehmen in diesem Bereich?

Wir haben im Jahr 2018 das Thema Deponien erstmalig generell aufgegriffen. Einerseits, weil wir immer wieder Anfragen Dritter hatten, ob bei uns auf der Deponie Jänschwalde II Abfälle entsorgt werden können und andererseits, weil durch die Politik ganz klar formuliert wird, dass neue Deponien gebraucht werden. Externe Entsorgungsanfragen müssen wir derzeit grundsätzlich ablehnen, auch wenn für die Deponie Jänschwalde II zugelassene Abfälle angeboten würden. Da es sich um eine betriebseigene Deponie handelt, können wir hier ausschließlich Kraftwerksaschen aus der Braunkohlenverfeuerung entsorgen.

Unabhängig davon kommen mit dem geplanten Ausstieg aus der Braunkohlennutzung auch auf uns als Bergbau-Unternehmen Rückbau- und Entsorgungsverpflichtungen zu, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken werden. Als Ergebnis aus all diesen Aspekten entstand das Projekt Lausitzer Sekundär-Rohstoff-Zentrum, bei dem wir eine Recyclinganlage für überwiegend mineralischen Bauschutt errichten und betreiben wollen. Flankieren soll das Projekt eine neue Deponie. Beide Betriebe wollen wir auch für geeignete Abfälle Dritter öffnen. Nicht zuletzt können wir so neue Arbeitsplätze schaffen.

Das sind große Pläne. Wie sieht deren konkrete Umsetzung aus?  

Das Projekt hat drei Phasen, von denen die erste die Genehmigungsphase und die zweite die vorbereitenden Maßnahmen abdeckt. Am Ende soll ein zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb entstehen. Das bedeutet, dass wir nächstes Jahr die notwendigen Genehmigungsanträge stellen wollen. Dann folgen Auslegungen, Beteiligungen usw. Mit der Zulassung beginnen die vorbereitenden Maßnahmen. In unserer derzeitigen Planung wollen wir in 2023 den Betrieb des Sekundär-Rohstoff-Zentrums beginnen und in 2024 den Betrieb der Deponie.

Planungsstand zum Sekundär-Rohstoff-Zentrum und zur Deponie

1/4 Das Sekundär-Rohstoff-Zentrum soll auf dem Gelände der heutigen Tagesanlagen des Tagebaus Jänschwalde errichtet werden; Foto: LEAG
2/4 Das Areal für die geplante neue Deponie am Standort Jänschwalde. Hier betreibt die LEAG schon das Gipsdepot und die Aschedeponie Jänschwalde II. Die Deponie Jänschwalde I ist bereits stillgelegt, Foto: LEAG
3/4 Auf dem Gelände der künftigen neuen Deponie wird derzeit Gips für die Industrie aus dem Depot rückgewonnen, Foto: LEAG
4/4 Das Gipsdepot im Vordergrund, im Hintergrund die Aschedeponie Jänschwalde II mit bereits teilweise hergestellter Oberflächenabdichtung, Foto: LEAG

Könnten Sie die einzelnen Phasen noch etwas genauer beschreiben?

Für das Betreiben einer Recyclinganlage wie auch einer Deponie sind selbstverständlich Genehmigungsverfahren erforderlich. Bei der Recyclinganlage muss ein Antrag nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gestellt werden. Bei der Deponie geht man nach der Deponieverordnung vor. Das Deponie-Verfahren und die Art der Recyclinganlage erfordern eine Umweltverträglichkeitsprüfung und verschiedene Lärm- und Staubprognosen. Etwa in einem Jahr hoffen wir, alle Unterlagen zusammenzuhaben, um die jeweiligen Anträge einreichen zu können. Liegt dann die Genehmigung vor, kann die Recyclinganlage gebaut werden. Hierzu wollen wir im Bereich der Tagesanlagen des Tagebaus Jänschwalde Gebäude nachnutzen. Im besten Fall kann man das eine oder andere Gebäude so nutzen wie es ist, anderenfalls ist es zu ertüchtigen. Dann wird dort eine Haupt-Aufbereitungsstrecke für mineralischen Bauschutt gebaut. Die nimmt die angelieferten Stoffe auf, sortiert, siebt, klassiert, bricht und zerkleinert, und sortiert wieder. Am Ende entstehen verschiedene Haufwerke, die entweder einen Stoff zum Vermarkten enthalten oder eben den verbleibenden Rest, der deponiert werden muss. Für die Deponie wird eine Basisabdichtung mit Sickerwasserfassung errichtet. Erst dann darf Abfall angeliefert und deponiert werden.

Wie sieht denn für die LEAG künftig die ganz praktischen Arbeit als verantwortlicher Betreiber von Deponien aus?

Ähnlich und doch ein wenig anders als jetzt. Zurzeit bewirtschaftet ja unsere Tochter GMB GmbH die Deponie Jänschwalde II. Das heißt, auch bei einer betriebseigenen Deponie werden die Abfälle, die angenommen werden, durch den Deponiewart kontrolliert und zur Ablagerung in den Prozess gegeben. So wird das auch bei der neuen Deponie sein. Nur dass dann andere Abfälle angeliefert werden und nicht mehr der Absetzer den Einbau übernimmt. Wie jetzt schon kontrollieren unsere Abfallbeauftragten die Probenahmen vor Ort. Und die Genehmigungsbehörde schaut ebenfalls regelmäßig vorbei. Im Hintergrund läuft bei uns als verantwortlichen Deponiebetreiber ein umfangreiches Kontrollregime, was sich in der behördlichen Jahresberichterstattung widerspiegelt. Vom Monitoring der Qualität des Grundwassers, über Setzungen bis hin zur Dokumentation des Wetters im Berichtsjahr, um nur einige Punkte zu nennen, sind eine Vielzahl unserer Kollegen schon jetzt eingebunden, um die Kontrollen kontinuierlich zu gewährleisten.

Deponie Jänschwalde II

1/4 Zugabfahrt am Absetzer der Aschedeponie Jänschwalde II, Foto: LEAG
2/4 Bau des Entwässerungsgrabens, Foto: LEAG
3/4 Schrittweiser Aufbau der Oberflächenabdichtung,Foto: LEAG
4/4 Begrünung der Deponieoberfläche, Foto: LEAG

Also haben wir das entsprechende Know-how bereits im Unternehmen?

Mit den Fachabteilungen in der Geotechnik und im Bereich Umweltschutz, aber auch mit den Leuten vor Ort sind wir gut aufgestellt. Auch für Themen, die bisher noch nicht eindeutig auf dem Aufgabentisch der Abfallwirtschaft liegen wie die Aufbereitung oder Deponierung von Schlämmen und Schlacken aus Kraftwerken. Auch hier werden bergbauunabhängige Lösungen gebraucht. Aber unser Fokus wird auf mineralischem Bauschutt liegen. Diese Abfallart und die Thematik der Aufbereitung sind neu für uns. Deshalb haben wir bereits zwei Stellen geschaffen, auf denen sich Fachkollegen für diese Thematik spezialisiert haben. Ein guter Anfang, auf den wir weiter aufbauen.  Hier freue ich mich sehr, dass wir offen sind, dieses Neuland zu betreten. Es ist gut, dass alle Beteiligten Verantwortung übernehmen wollen.

Erläutern Sie bitte noch zum Schluss den Zusammenhang zwischen Sekundär-Rohstoff-Zentrum und neuer Deponie. Geht das eine nicht ohne das andere?

Das würde schon gehen. Aber wir wollen mit unserem Projekt eben nicht nur dem Deponiebedarf gerecht werden, sondern auch die Anforderungen der Kreislaufwirtschaft mit ihrer Abfallhierarchie im Auge behalten. Wenn ich nur ein Recyclingzentrum oder nur eine Deponie habe, kann ich auch nur eines machen – verwerten oder beseitigen. Die Politik wünscht sich aber eine sehr hohe Recyclingquote. Dafür müssen dann allerdings noch die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Um ein Beispiel zu nennen: Solange auch die öffentliche Hand Baumaßnahmen unter Verwendung von Primärrohstoffen ausschreibt, wird die Verwendung von Sekundärrohstoffen, zu denen recycelter Bauschutt gehört, nicht steigen. Wir stellen uns daher vor, dass wir mit dem Gesamtprojekt die von außen vorgegebenen Rahmenbedingungen besser aussteuern können.
 

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Autor

Steffen Herrmann

Nach meinem Studium der Verwaltungswissenschaften am Bodensee und diversen Stationen als Journalist in Baden-Württemberg und Berlin hat es mich in die Kommunikation gezogen - zunächst für ein Ministerium in Berlin und dann für fast ein Jahrzehnt bei Vattenfall. Nun freue ich mich, seit Gründung der LEAG der Medien-Ansprechpartner für alle LEAG-Themen in Berlin zu sein.

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