25.05.2016
Ulrike Kremeier

Nachdem ich sieben Jahre lang eine der größten Kunsthallen Frankreichs geleitet habe, arbeite ich seit Sommer 2012 als Direktorin des dkw. Kunstmuseum Dieselkraftwerk in Cottbus. Ich habe in München, New York, Berlin und Wien Kunstgeschichte studiert. Nach dem Studium war ich wissenschaftlich an verschiedenen Universitäten und Kunstakademien tätig. Parallel dazu habe ich als freie Kuratorin an internationalen Häusern Ausstellungen organisiert und 1995 in Berlin den unabhängigen Projektraum plattform gegründet, den ich bis 2005 geleitet habe. 

Kunst und Industrie – seit mehr als hundert Jahren sind sie sich auf verschiedene Weise begegnet und, wo sie es taten, haben sie sich gegenseitig beeinflusst. Spuren davon sind in der Industriearchitektur und der bildenden Kunst erhalten geblieben. Sie reichen von der kritischen Reflexion bis zur unverhohlenen Faszination.

Das ist auch in der Lausitz so, die seit Beginn des vorigen Jahrhunderts als Bergbau- und Energieregion gilt. Den Beleg dafür liefert Vattenfall. In seiner 40. Foyerausstellung in Cottbus blickt das Energieunternehmen auf 25 Jahre Kunstausstellung und Kunstförderung zurück und öffnet dafür seine Sammlung, die weit über das vergangene Vierteljahrhundert hinaus reicht.

Linus Hettenbach war Schlosser. Man erkennt es, ohne dass der Bildtitel es verrät, an blauer Arbeitsmontur und Mütze. Auch der Hintergrund des Porträts ist in einem strahlenden Blau gehalten. Das wirkt dynamisch, so wie das Profil des Arbeiters. Er sieht aus, als wolle er in diesem Augenblick des Modellsitzens nur eins: Möglichst schnell wieder zurück an seine Arbeit.

Es war eine Zeit des Aufbruchs in der Lausitz, als Dieter Dressler es malte. Das Bild ist 1961 entstanden und gehört zu den ältesten Arbeiten, die in der aktuellen Ausstellung zu sehen sind. Er arbeitete damals, dem so genannten Bitterfeld Weg folgend, der Künstler in die Produktion schickte, im noch jungen Braunkohlekombinat Schwarze Pumpe. Seit damals ist das Gemälde im Besitz des Energieunternehmens. Über die Jahrzehnte sollten viele weitere folgen.

Ulrike Kreimeier erklärt: „Horizonte“ von Hans Scheuerecker, Foto: LEAG

„Es war harte Arbeit, aus etwa 300 Kunstwerken nur 26 herauszusuchen, die die Sammlung repräsentieren sollen“, sagt die Kuratorin der Ausstellung, Ulrike Kremeier. Sie ist als Direktorin des Cottbuser Kunstmuseums Dieselkraftwerk Expertin vor allem für ostdeutsche Kunst zuständig.

„Ich habe vor allem danach geschaut, welche Themen über die Jahre verhandelt wurden und welche abstrakter und welche sehr gegenständlicher Natur sind. Und wenn es dabei unterschiedliche Assoziationsmöglichkeiten gibt, dann tut das dem Bild keinen Abbruch. Im Gegenteil.“

Viel Deutungsspielraum und manchmal auch Ironie

Das Bild erklärt: „Horizonte“ von Hans Scheuerecker, Foto: LEAG

Nicht zwingend muss es dabei einen Bezug zu Bergbau, zu dessen Landschaftsveränderung oder industrieller Stromerzeugung geben. Oft gibt es ihn aber doch, nur erschließt er sich erst auf den zweiten oder dritten Blick.

Gelegentlich gibt auch der Titel Aufschluss, der etwa plötzlich in einem dynamischen, mit breitem Pinsel hingeworfenen Kreis das Schaufelrad eines Baggers erkennen lässt oder ein gerades Graphitband auf braunem Grund als Kohlenflöz.

Manche Bilder halten für den Eingeweihten sogar ironische Anspielungen bereit. So lässt zum Beispiel Eckhard Böttgers „Heimkehr“ (1994) viel Deutungsspielraum: Ist es die Heimkehr des Bergmanns, die des verlorenen Sohnes? Auf einer Kanne, auf dem für die Heimkehr vorbereiteten Tisch, lässt sich das grüngelbe LAUBAG-Logo des Unternehmensvorgängers entdecken.

Chronisten ihrer Zeit

Eckhard Böttger gehört wie Dieter Dressler, Jürgen von Woyski und Gerhard Lampa zu den bedeutenden, inzwischen verstorbenen Künstlern der Lausitz. Lampa ist hier zum Beispiel mit „Waldgrenze“ von 1991 vertreten, einem Gemälde, das exemplarisch für seine kraftvoll-expressiven Lausitzer Landschaften steht.

Auch Kurt Klinkert, zu Unrecht außerhalb der Lausitz wenig bekannt, ließe sich hier einreihen, ein Künstler, der über Jahrzehnte ein fleißiger, immer den Menschen seiner Wahlheimat zugewandter Chronist seiner Zeit und ihrer Entwicklungen blieb.

Von ihm hat Ulrike Kremeier eine Zeichnung ausgewählt, die mehr über die Zeit ihrer Entstehung erzählt als die bloße bildhafte Darstellung. Klinkert durfte 1986 offenbar im modernen Rechenraum einer Förderbrücke F 60 Studien für ein Bild anfertigen.

Günther Friedrich: Kühltürme Schwarze Pumpe, Öl auf Leinwand, 1962,Foto: LEAG

Aus dem Bild aber wurde nichts. Klinkert vermerkt es selbst als Notiz auf der Zeichnung: Es sei die einzige geblieben, die er habe machen dürfen. Offenbar hatte man sie ihm aus Sicherheitsgründen gleich abgekauft und hielt sie im Kunstfundus unter Verschluss.

Natürlich ist auch die jüngere Moderne in der Ausstellung vertreten, verbunden mit bekannten Namen. „Horizonte“ (2006) von Hans Scheuerecker, „Roter Berg (1997) von Daniel Sambo-Richter, das „Paar“ (2003/2005) von Angela Hampel oder die Holzskulptur „Balkentorso“ (1998) des Brandenburgischen Kunstpreisträgers Hans-Georg Wagner sind zeitgemäße Interpretationen so ewiger Themen wie Liebe, Sehnsucht, Suche und Erkenntnis.

Noch bis zum 1. September 2016 ist die Ausstellung „25 Jahre Kunst – Mining und Generation“ wochentags während der Geschäftszeiten im Foyer der Hauptverwaltung, Vom-Stein-Straße 39, in Cottbus zu sehen.

 

Dieser Beitrag erschien zunächst im Vattenfall Blog.

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Autor

Mareike Huster

Seit mehr als 15 Jahren ist das Lausitzer Revier meine Heimat – Privat und im Dienst. Themen, die bewegen - Geschichten, die erzählt und Menschen, die einfach vorgestellt werden müssen – das ist mein Job. Seit 2017 bin ich verantwortlich für die Kommunikation mit den rund 8000 Mitarbeitern der LEAG.

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