20.06.2016
Ingolf Arnold

Meine berufliche Basis bildet mein Studium an der Bergakademie Freiberg. Zudem erwarb ich an der Technischen Universität Dresden den Fachingenieur für Grundwasser. Von da ab habe ich mich der ostdeutschen Braunkohle im Lausitzer Revier gewidmet. Seit 1994 ist die Wasserwirtschaft mein Fachgebiet. Heute leite ich die Abteilung Geotechnik der LEAG. 

Wie eine gelbe Karawane wandert ein Gerätekomplex am kleinen sächsischen Ort Bluno direkt an der Landesgrenze zu Brandenburg vorbei. Er ist rund 200 Meter lang und wird zur Herstellung einer Dichtwand benötigt. Der Koloss legt täglich bis zu drei Meter zurück – zu seiner Rechten das Lausitzer Seenland, zu seiner Linken der Tagebau Welzow-Süd. Bei dieser Wanderung entsteht ein Bauwerk mit gigantischen Dimensionen, das der Beobachter nur erahnen kann, denn es liegt unter der Erdoberfläche. 

Stück für Stück frisst sich die Schlitzfräse durch die Bodenschichten. Sie fräst einen ein Meter breiten Schlitz. Dieser Schlitz wird bis unmittelbar an die Geländeoberkante mit einem Ton-Wasser-Gemisch gefüllt, das drei Funktionen übernimmt. Erstens stützt es die beidseitigen Schlitzwände vor dem Zusammenbruch. Zweitens hält es die losgelösten Bodenschichten in einem definierten Schwebzustand. Drittens stellt es das Dichtmaterial bereit – und das funktioniert so: Infolge des hydraulischen Überdruckes im Schlitz gegenüber dem außerhalb anstehenden Grundwasser will das Gemisch in das Erdreich eindringen. Wegen der Partikelgröße der Tonplättchen schaffen es aber nur die Wassermoleküle, das Schlitzinnere zu verlassen. Die Tonplättchen dagegen verkeilen sich an den Seitenwänden und bilden so langsam eine wasserundurchlässige Barriere. So entsteht binnen weniger Minuten an beiden Rändern die erste Kruste. Innerhalb von drei Stunden ist die Schicht bereits zwei bis fünf Zentimeter dick. Nach 20 Stunden ist die Krustenbildung abgeschlossen, der Schlitz wird wieder verfüllt. Die Dichtwand steht.

130 Meter tiefer Schutzschild

Hier entsteht der Schlitz, Foto: LEAG

„Anders als bei bislang hergestellten Dichtwänden fräsen wir hier wegen der tiefreichenden gut wasserdurchlässigen Gebirgsschichten bis zu 130 Meter tief“, erklärt Ingolf Arnold, Leiter der Geotechnik. „Das teilweise nur einen Steinwurf entfernte Lausitzer Seenland wird durch die Dichtwand vor der Grundwasserabsenkung des Tagebaubetriebes abgeschirmt und kann wie bisher wasserwirtschaftlich und touristisch genutzt werden. Andererseits müssen wir für den Tagebau weniger Grundwasser abpumpen, da der Zustrom von der Dichtwand abgeriegelt wird.“

Fräsen im Duett

Eigens für diese Arbeiten ist vor einigen Jahren ein zweites Schlitzfräsgerät, die VB130/II, gebaut worden. „Das war das bislang größte Gerät des Herstellers BAUER aus dem bayrischen Schrobenhausen.“ 320 Tonnen wiegt der Stahlriese.

Die Maschine ist eine technische Weiterentwicklung der VB130/I, die ebenfalls in Welzow-Süd im Einsatz ist. „Um die Gesamtlänge der Dichtwand von fast elf Kilometern bis 2022 zu schaffen, ist der Einsatz beider Geräte notwendig. Die Umsetzung in dieser Zeitspanne ist eine Auflage der wasserrechtlichen Genehmigung  für den Tagebau.“

So funktioniert eine Dichtwand, Grafik: LEAG

Nutzen ist schnell sichtbar

Der Nutzen einer solchen Dichtwand zeigt sich ziemlich schnell. „Bereits nach der Fertigstellung der ersten drei Kilometer stellt sich zwischen der Wasser- und Tagebauseite der Dichtwand ein deutlicher Sprung in den Grundwasserhöhen ein. Während auf der Tagebauseite das Grundwasser weiter absinkt, kommuniziert das Grundwasser auf der Wasserseite mit dem Flutungsregime des Lausitzer Seenlandes“, so Arnold. Dabei brauchen sich anliegende Gemeinden wie die Einwohner von Bluno aber keine Sorgen zu machen, dass ihre Keller volllaufen. „Geologisch wird alles vorab sorgfältig geprüft und vom Amt genehmigt. In diesem Falle liegt das Dorf etwa sechs Meter höher als der benachbarte Südsee, da besteht überhaupt keine Gefahr.“

Größtes Dichtwandbauwerk der Welt

Die Dichtwand Welzow-Süd ist seit 2010 im Bau. „Mit ihrer Tiefe und Länge wird sie nach Fertigstellung das bislang größte Dichtwandbauwerk der Welt sein“, erläutert Arnold. „Die Trasse führt durch eine eiszeitliche Rinne mit stark wechselnden geologischen Schichten, dies ist für uns eine große Herausforderung.“ Bis vor kurzem waren solche Bedingungen noch ein K.O.-Kriterium. „Erst mit den beiden neuen Schlitzfräsen können wir solche Tiefen erreichen, so dass hier ein zuverlässiger Schutz möglich ist“, erläutert Arnold. Knapp die Hälfte der Länge ist geschafft. „Nach gut fünf Jahren haben wir Ende Mai 2016 die erste Lücke zwischen den beiden bislang getrennten Bauabschnitten nordwestlich von Bluno schließen können.“

Bauprinzip einer Dichtwand, Grafik: LEAG

Weiteres Projekt in der Umsetzung

Doch die Arbeiten in Welzow-Süd sind derzeit nicht die einzigen im Revier. Parallel entsteht eine weitere Dichtwand am Tagebau Reichwalde in Sachsen. Hier geht es um den Schutz der Hammerstädter und Rietschener Teiche, der Oberlausitzer Teiche und der Neißeaue vor der Grundwasserabsenkung durch den Bergbau.

Bislang sind gut fünf Kilometer errichtet worden. Auf rund zwölf Kilometer Gesamtlänge soll es diese Dichtwand einmal bringen, bei Tiefen zwischen 40 und 90 Metern. Mitte April 2016 querte der Gerätekomplex die Bahntrasse Cottbus-Görlitz, die für ein Wochenende zwischen Weißwasser und Horka voll gesperrt werden musste. Die Fräse, die den Schlitz herstellt, blieb dabei aus. Die dadurch entstandene Dichtwand-Lücke von ca. 100 m Länge wird zu einem späteren Zeitpunkt geschlossen werden.

„Wir haben hier 30 Meter Bahngleise und Gleisbett entfernt, um die 260 Tonnen schweren Gerätschaften überzusetzen. Nach erfolgreicher Querung ist alles wieder in den ursprünglichen Zustand gebracht worden“, erläutert Arnold. „Wir haben versucht, die Beeinträchtigungen des Schienenverkehrs so gering wie möglich zu halten.“

Kompetenz international gefragt

Seitdem am Tagebau Jänschwalde die weltweit erste Dichtwand für den Braunkohlenbergbau errichtet wurde (Baubeginn 1979), ist die Kompetenz aus der Lausitz über die Region hinaus gefragt. „Lausitzer Dichtwandtechnik ist längst auch international eine wegweisende Umwelttechnologie, die sensible Landschaftsträume wirkungsvoll schützt“, erklärt Arnold.

 

 

Weitere Informationen

Die Dichtwand ist eine vertikale unterirdische Sperrschicht für Wasser. Mit ihr wird das Absenken des Grundwassers auf den für den Abbau der Kohle unmittelbar notwendigen Raum begrenzt. Auf der „Wasserseite“ bleibt der Spiegel erhalten. Insgesamt drei solcher Wände gibt es im Lausitzer Revier bereits. Mit den bereits fertiggestellten Stücken in Welzow-Süd und Reichwalde beträgt die Gesamtlänge der hergestellten Dichtwände rund 33 Kilometer.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst im Vattenfall Blog.

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Autor

Kathi Gerstner

Direkt nach meinem Studium der Kulturwissenschaften hatte ich die Möglichkeit, in vielen Bereichen der Kommunikation unseres Energieunternehmens tätig zu sein. Seit mehr als zehn Jahren gehöre ich zum Team der Pressesprecher. Dort bin ich Ansprechpartnerin für die Medien zu allen Themen der LEAG-Geschäftswelt.