Michael Rösler

Seit ich denken kann, möchte ich Förster werden. Sicherlich hatte ich gerade in jungen Jahren klischeehafte Vorstellungen von diesem Beruf. Während der Ferienarbeit in der Schulzeit wurde dieses Bild aber schnell „geradegerückt“. Es folgte eine Lehre zum Forstwirt mit Abitur in Bad Doberan; Praxiserfahrungen sammelte ich dann als Waldarbeiter im Forstamt Hoyerswerda. Nach dem Zivildienst studierte ich an der forstwissenschaftlichen Fakultät der TU Dresden. Durch meine Diplomarbeit kam ich erstmals mit dem Thema Rekultivierung in Berührung. Anschließend beschäftigte ich mich zwölf Monate mit dem Thema Zertifizierung in Stuttgart und absolvierte ein zweijähriges Referendariat in Sachsen. Im Jahr 2003 habe ich mich auf eine Stelle in der Rekultivierungsabteilung beworben und seitdem kann ich mich in meinem Traumberuf verwirklichen. Das Aufgabengebiet ist vielfältig, anspruchsvoll und spannend zugleich. Es ist für mich Chance und Herausforderung zugleich, gemeinsam mit den Kollegen großflächige Landschaften gestalten zu dürfen.

Ortstermin in Jänschwalde. Der Tagebau erstreckt sich kilometerweit. Der eigentliche Abbau erfolgt aktuell vor dem Ort Grießen. Direkt an der Schallschutzwand ist eine Aussichtsplattform; ein beliebter Anlaufpunkt für Radwanderer. Rechter Hand blickt der Besucher in die Tagebaugrube. Gleich an den Rand schließt sich eine grüne Insel inmitten eines Brachlandes an.

„Es ist eine besondere Situation im Tagebau Jänschwalde: Wir rekultivieren direkt auf der Schüttung der Abraumförderbrücke. Normalerweise wird diese überdeckt. Da wir uns aber unmittelbar vor dem Ort Grießen bewegen, sollen die Flächen besonders schnell grün werden. Deshalb haben unsere Tagebautechnologen die Basis geschaffen, damit die Rekultivierer direkt hinter der Brücke arbeiten können“ erläutert Michael Rösler. Er ist seit 2003 in der Rekultivierung beschäftigt und mit seinem Team unter anderem für die Forstwirtschaft zuständig.

„Die Abraumförderbrücke gräbt sich in Richtung Norden und verkippt den Boden hinter sich auf der ausgekohlten Seite. Es entsteht die sogenannte Brückenkippe“, erklärt Rösler. So gelangen Bodensubstrate mit sehr niedrigem pH-Wert an die Oberfläche. Später wird Kalk in den Boden eingearbeitet. „Das schafft eine hervorragende Ausgangsbasis für die Aufforstung.“

Altersstaffelung im Forst

Seit 2010 werden die Flächen auf der Brückenkippe mitten im Tagebau Jänschwalde bepflanzt. Es entsteht eine grüne Insel, die vor allem von Mischwald geprägt wird. Jedes Jahr kommen neue Pflanzungen dazu. Die aus dem letzten Jahr sind zwischen 20 und 50 Zentimeter hoch. Hier sind es vor allem Eichen, die ihre Blätter gen Himmel recken. Allerdings sind sie zwischen Roggen und Wildblumen kaum zu sehen. „Die zusätzliche Ansaat sichert zum einen vor Erosion und schützt zum anderen die Setzlinge.“

Je weiter man sich von der Grube entfernt, desto größer werden die jungen Bäume. Die Ältesten aus dem Jahr 2010 sind über drei Meter hoch. In langen Reihen stehen Birken, Eichen, Linden, Ahorne, Buchen, Kiefern und Erlen – schlichtweg alle Baumarten, die in der Region anzutreffen sind. „In unseren Kippenwäldern wachsen viele verschiedene Baum- und Straucharten. Überwiegend pflanzen wir heimische Gewächse und prüfen zuvor, welche am besten zu welchem Boden passen.

Ein-, zwei- und dreijährige Pflanzungen, Foto: LEAG

Heimische Pflanzen haben Vorteile

Rösler und seine Kollegen beziehen die Pflanzen von regionalen Baumschulen. 6.000 bis 10.000 Gewächse werden je nach Artenmix auf einer Fläche von 100 mal 100 Metern gesetzt. Nicht alle bleiben. „Die Bäume haben unterschiedliche Funktionen. Erlen beispielsweise sind gute Stickstofflieferanten und helfen so bei der Ernährung der umliegenden Laub- und Nadelbäume. Sie werden allerdings nur 15 bis 20 Jahre alt, dann trocknen sie zurück und treiben neu aus. Erlenlaub wird besonders gut abgebaut und verbessert so den Boden“, erläuterte Rösler.

Förster Rösler prüft seinen Wald,Foto: LEAG

„In 100 Jahren werden zwischen 150 und 400 Bäume die Oberschicht des Waldes bilden.“ Dadurch löst sich auch die jetzt noch gut sichtbare Anordnung in Reihen auf. „Die Pflanzung erfolgt maschinell. Anders ist das kurze Zeitfenster für Baumpflanzungen im Frühjahr und Herbst nicht effektiv nutzbar.“ Rösler inspiziert seinen Wald. Er kontrolliert die Höhen, prüft die Blätter und resümiert: „Ich hätte mehr Trockenschäden dieses Jahr erwartet.“ In den vergangenen Wochen hat es in der Lausitz kaum geregnet. „Die hier gepflanzten Arten können aber gut mit längeren Trockenperioden umgehen, und die gibt es in dieser Region häufiger. Auch sind sie an späten Frost im Frühjahr gewöhnt. Da haben die regionalen Sorten einen entscheidenden Vorteil.“

Die Arbeitsbasis ist der Bergbau

Blick auf die Rekultivierungslandschaft von der Geissener  Ausssichtplattform, Foto: LEAG

Der Lausitzer genießt die Zeit in „seinem“ Wald. „Am schönsten ist es, vor Ort die Rekultivierungsfortschritte zu beobachten; die immer größer werdenden grünen Flächen. Es ist einfach erfüllend, wenn Pläne in der Praxis funktionieren; wenn ein Zahnrad in das andere greift und eindrucksvolle Landschaften entstehen.“ Die meiste Zeit jedoch verbringt Rösler am Schreibtisch in der Hautverwaltung in Cottbus. Seinen Arbeitsalltag bestimmen Termine mit Rekultivierungskollegen sowie Mitarbeitern aus anderen Bereichen und dem Tagebau. Besonders die Bergleute schaffen die Basis für eine erfolgreiche Rekultivierungsarbeit. Diese Schnittstelle ist äußerst wichtig. „Wir sind von der Beschaffenheit des Bodens abhängig, den die Kollegen in den Tagebauen verkippen. Sie legen – im wahrsten Sinne des Wortes – das Fundament für neue Wälder und sorgen so für ein gutes Waldwachstum der nächsten Generationen“, erläutert der 42-Jährige. Darüber hinaus sind viele Abstimmungen mit Behörden nötig. Aber auch für die Öffentlichkeitsarbeit nimmt sich Rösler Zeit. Viele Interessierte lassen sich während der Exkursionen durch die Kippenwälder von der Qualität rekultivierter Tagebaubereiche überzeugen. Die Aufforstung der Rekultivierungsflächen ist nicht ausschließlich „Förstersache“. 7 Förster reihen sich in das Team von 40 Kollegen ein. Sie arbeiten Hand in Hand mit anderen Bereichen, um die lange Erfolgsgeschichte der Rekultivierung in der Lausitz fortzuschreiben.

Am Grubenrand wachsen bereits die Baumpflanzen, doch bis es Wald wird, dauert es, Foto: LEAG

Zuerst werden die verkippten Böden kartiert und deren Beschaffenheit in einem Raster von hundert mal hundert Metern analysiert. Denn je nach Art der Beschaffenheit eignen sich unterschiedliche Baumarten, um Wälder auf bestimmten Arealen anzulegen. Je besser die Planung, desto erfolgreicher die spätere Pflanzung. „Der Wald spielt eine große Rolle in der Lausitz, deshalb ist er auch in der Bergbaufolgelandschaft von immenser Bedeutung. Natürlich muss die Landschaft zunächst dem Tagebau weichen, aber das, was in den nachbergbaulichen Landstrichen wieder entsteht soll sich perspektivisch nahtlos ins Umfeld einfügen. Das ist ein Grundsatz unserer Arbeit.“

Waldumbau der Extreme

Auch Kiefern haben ihre Berechtigung, Foto: LEAG

Grundsätzlich gilt für Forstwirtschaftsbetriebe in Deutschland der Ansatz, Monokulturen aufzubrechen. So soll auch die jahrzehntelang betriebene Kiefernwirtschaft in der Lausitz wieder ursprünglichen Mischwäldern weichen. Ein solcher Prozess dauert in gewachsenen Wäldern mindestens 50 Jahre. „Wir können schneller neue Strukturen schaffen. Wir machen Waldumbau der Extreme.“ Das bedeutet aber nicht das Ende für das Kieferndasein in der Lausitz. Da wo der Boden passt hat auch die Kiefer ihre Daseinsberechtigung. Und diese Böden gibt es in der Lausitz, auch in der Bergbaufolgelandschaft. Und so  drängt sich an einigen Stellen ein Nadelbaum an den nächsten, denn die enge Bepflanzung bremst das Dickenwachstum in den ersten Jahren. „Das ist für die Holzqualität wichtig. Zudem sterben die unteren Äste durch das dichte Wachstum ab und so weist der Stamm später weniger Verästungen auf. In der weiteren Verarbeitung ist das Holz also hochwertiger.“

Artenvielfalt durch Rückzugsraum

Manche Bäume werden auch ausgesäät, Foto: LEAG

Zur Forstwirtschaft gehört neben Aufzucht und Pflege auch die Vermarktung des Holzes. Teil der Arbeit ist außerdem ist die Jagd zum Schutz des Forstes. Die Jagd ist zeitlich vorgeschrieben. „Jetzt in der Jahresmitte stehen vor allem Rehe und Wildschweine im Fokus. Aber der Schwerpunkt liegt im Herbst. Die Jagd ist wichtig, um die Wilddichte soweit zu regulieren, dass die forstlichen und landwirtschaftlichen Kulturen sich etablieren können.“ Rehe und Hasen sorgen für Fraßschäden an den jungen Pflanzen. Die Flächen entwickeln sich schnell und schaffen damit gute Bedingungen für die Besiedlung durch das Wild. Natürlich auch für alle anderen Tiere.

Besonderheit in Jänschwalde: Die Streuobstwiese, Foto: LEAG

Rösler und sein Team sorgen für abwechslungsreiche Lebensräume. Neben den erwähnten Misch- und Kiefernwäldern gibt es auch Besonderheiten wie Streuobstwiesen. „Hier hat mein Kollege besonders alte Sorten gepflanzt, teilweise aus Vorkommen, die dem Tagebau weichen mussten. So bleibt auch diese Form der Artenvielfalt erhalten.“

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Autor

Daniela Hertzer

Meine berufliche Wiege stand in Brunsbüttel, genauer im dortigen Kernkraftwerk. Von da ging es stromaufwärts über Hamburg und Berlin in die Lausitz. Seit Beginn dieses Jahrtausends arbeite ich in der Unternehmenskommunikation: erst analog, jetzt digital. Mein Antrieb ist die Neugierde und der Spaß am Ausprobieren. Und ich bin ein großer Fan der Sesamstraße. In diesem Sinne: ... 1000 tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen, manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen....