Vor dem Eingang zum Haus 2 in den Tagesanlagen des Tagebaus Welzow-Süd steht ein Umzugslift, der an einem Fenster im zweiten Stock endet. Gerade kommt von dort ein Schrankkorpus nach unten. Da habe ich doch gleich mein erstes Bildmotiv.
Ich bin hier verabredet mit Belinda Reinhardt. Die junge Frau arbeitet im Bereich Tagebauwirtschaft, einem Teilbereich des Stabes, der sich mit wirtschaftlichen Themen beschäftigt. Im Stab, zudem auch die Teilbereiche Planung, Geotechnik und Sicherheit gehören, sind auch die unterschiedlichsten Projekte angesiedelt. Und der Umzug der Tagesanlagen, die dem fortschreitenden Tagebau Welzow-Süd weichen müssen, zum neuen Standort im Industriepark Schwarze Pumpe ist ein solches Projekt des Stabes.
Ein Schrankkorpus auf dem Weg nach unten, Foto: LEAG
Ich habe den Fotoapparat eben wieder verstaut, da kommt Reinhardt mit einer kleinen Gruppe von Kollegen aus der Tür. „Wir wollen ein letztes Mal hier zum Mittagessen in die Kantine. Kommen Sie mit?“, fragt sie mich. Ich sage zu und erlebe während des Essens, dass alle in freudiger Erwartung sind.
Ermitteln, ausrechnen, bestellen, packen
Das für sie Wichtigste transportieren die meisten Mitarbeiter persönlich. Für Wolfgang Schreier, Leiter Bergbauplanung im Stab, sind dies Aktentasche und Kaffeebecher, Foto: LEAG
Alles ist gepackt, die Kartons mit den notwendigen Informationen beklebt, von den Kollegen, die in den ersten drei der insgesamt fünf Wellen umgezogen sind, weiß man, dass alles gut geklappt hat. „Gibt es gar keine Wehmut?“, will ich wissen. Wolfgang Schreier, Leiter Bergbauplanung im Stab, hat hier seit 1993 seinen Arbeitsplatz. „Ich habe hier sehr gerne gearbeitet und natürlich bin ich etwas traurig. Aber wir wollen hier weiter Kohle gewinnen. Da gehört der Umzug dazu, erzählt er mir.“ Später – wir sind zurück im Haus 2 – spendiert er für alle ein Abschiedseis. „Auf ein Neues“, lacht er als er mit Aktentasche und Kaffeebecher auf der Treppe steht.
Während Reinhardt in ihrem Büro die letzten Dinge in einen Karton packt, wird sie mal hier- und mal dorthin gerufen. Denn sie zieht heute nicht nur selbst um, sie ist verantwortlich für den Umzug von 150 Büroarbeitsplätzen von Kollegen aus 14 Abteilungen. Seit April 2017, erzählt sie mir, bereitet sie den Umzug vor. Sie hat ermittelt, wer alles umzieht, hat die Möbel, Rechner und Telefone erfasst, Etiketten bestellt und ausgerechnet, wie viele Kartons gebraucht werden. 2.200 Kubikmeter Umzugsgut müssen transportiert werden. 88 Fahrten sind dafür ungefähr erforderlich. Die Ausschreibung für den Umzug hat die Berliner Firma Grohmann Logistik gewonnen.
Umzugswelle orientiert sich an Zieletagen
Belinda Reinhardt packt die letzten Dinge in Kiste Nummer 7, Foto: LEAG
Die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Umzug haben für jeden künftigen Raum Skizzen erstellt, in die die Kollegen einzeichnen konnten, wie sie ihn eingeräumt haben wollen. Nicht jeder hat am neuen Standort wieder seinen bisherigen Büropartner, denn in den beiden künftigen Bürogebäuden – dem ehemaligen Technikgebäude 1 und der ehemaligen Lehrwerkstatt – sind die Räume kleiner oder größer. Schlussendlich war ihr auch wichtig, dass in den neuen Konstellationen auch die Möbel zusammenpassen – ob nun grau, mittelbraun oder hellbraun. Wer in welcher Welle umzieht, orientiert sich an der Zieletage, also am künftigen Arbeitsplatz. Tagebauleiter Andreas Redlich zum Beispiel wird im fünften Stock sitzen und zieht mit der letzten Welle, die am 25. Oktober beginnt, um.
Mir fällt auf, dass es ausgesprochen ruhig zugeht hier im Haus 2. Reinhardt bestätig, dass alle Mitarbeiter rechtzeitig und umsichtig gepackt haben und dass auch die Grohmanns zügig und fast geräuschlos arbeiten. Die ersten drei Umzugswellen seien sehr gut abgelaufen. „Nur die erste Welle war anstrengend für mich. Ich musste einige Touren begleiten, damit sich die Grohmänner auf dem Industrieparkgelände und an den unterschiedlichen Zielorten zurechtfinden“, erzählt mir die Sprembergerin, die einen Abschluss als Bachelor of Arts/Industrie hat.
Belinda Reinhardt ist so weit. Gerade noch rechtzeitig fällt ihr auf, dass sie ihren schwenkbaren Telefonständer nicht abgebaut hat. Er kommt obenauf in Karton Nummer 7. Sie nimmt ihre Handtasche und einen Beutel mit den gesamten Umzugsunterlagen und wir gehen, um zum Industriepark zu fahren. Die Dinge, die ihr sehr wichtig waren, wie ihre Grünpflanzen, hat sie bereits selbst ins neue Büro gebracht.
Umfangreiche Bauarbeiten am neuen Standort
Alexander Braune ist Projektingenieur im Stab und koordiniert den Umzug mit. Hier gleicht er mit Belinda Reinhardt noch einmal eine Liste ab, Foto: LEAG
Unsere Fahrt dauert nur eine viertel Stunde. Am Technikgebäude 1, in dem Reinhardt ihr Büro haben wird, steht der zweite Lift des Logistikunternehmens und transportiert Möbel in die fünfte Etage. Wir gehen die fünf Etagen nach oben zu Fuß. Es riecht noch neu überall. Seit 2015 wurde das Gebäude saniert. Insgesamt hat die LEAG für den Umzug der Tagesanlagen 30 Millionen Euro investiert. Das Geld floss in Neubauten wie die Kaue und den Anbau für die Feuerwache und in die Sanierung verschiedener Gebäude. Die Räume sind hell und freundlich. Mir fallen besonders die modernen Deckenleuchten in den Büros und auf den Fluren auf. Oben angekommen sehen wir zwei Schränke im Flur auf den typischen Umzugsrollbrettern stehen. „Der eine ist meiner“, freut sich Reinhardt. An jeder Bürotür, die wir passieren, hängen neben dem Namensschild der künftigen Bewohner die Skizzen, die sie entworfen hat. Auch an ihrem Büro – einem kleinen Einzelzimmer am Ende des Ganges – mit der Nummer 524 ist das so. Reinhardt schaut sich um und stellt fest: „Da ist ja schon ein Schrank.“ Sie bittet mich um Entschuldigung – aber das muss sie jetzt klären. Woanders fehle dann sicher einer. Also bittet sie einen Mitarbeiter der Spedition, den Schrank erst einmal im Flur stehen zu lassen. Reinhardts Umzugskisten werden am Montag ankommen. Spätestens am Dienstag will sie wieder voll arbeitsbereit sein.
Letzte Welle ab Donnerstag
Eingang zu Belinda Reinhardts neuem Büro, Foto: LEAG
Für heute geht es zurück zum Haus 2 am alten Tagesanlagen-Standort. Auf dem Weg nach unten schaut Reinhardt bei denen vorbei, die bereits in den ersten Wellen umgezogen sind, um sich zu erkundigen, ob alles in Ordnung ist. So kommen wir auch in ein Betriebsratsbüro und die Umzugsverantwortliche sieht gleich: „Hier fehlt ein Schrank.“ Das hat sich dann also auch geklärt.
Ein Schrank am falschen Ort – vermeintlich eine Kleinigkeit. Doch Belinda Reinhardt möchte, dass alles perfekt funktioniert bei diesem Umzugsgroßprojekt. Die letzte Welle läuft ab dem 25. Oktober. Vom 29. Oktober an arbeiten die Tagesanlagen des Tagebaus Welzow-Süd dann komplett aus dem Industriepark Schwarze Pumpe heraus. Bis dahin sind seit dem 27. September 150 Mitarbeiter aus den Büros und 700 Bergleute umgezogen. Sie arbeiten in allen für den Tagebau Welzow-Süd zugehörigen Bereichen von A wie Aus- und Vorrichtungen und B wie Betriebsrat oder C wie Controlling über I wie Instandhaltung, M wie Markscheiderischer Außendienst, P wie Produktion oder R wie Rekultivierung bis zu S wie Stab und T wie Tagebauleitung. Die Produktion im Tagebau ist während der fünf Umzugswochen ohne Unterbrechung weitergelaufen. Auch dank der guten Organisation von Belinda Reinhardt.
Von der neuen Kaue aus starten ab dem 29. Oktober die Mannschaftstransportwagen in den Tagebau, Foto: LEAG