11.11.2020
Brennstoffe

Ersatzbrennstoff (EBS) ist der Oberbegriff für heizwertreiche Brennstoffe, die aus ungefährlichen Abfällen hergestellt werden. Sie werden in EBS-Kraftwerken thermisch verwertet. Als Grundlage dienen insbesondere Gewerbeabfälle, produktionsspezifische Industrieabfälle, beispielsweise aus der Zellstoffindustrie, sowie nicht-recyclebare Materialien aus dem dualen Wertstoffsystem. Die Aufbereitungsschritte umfassen Sichtung und Sortierung, Schadstoff-Entfrachtung, Zerkleinerung und Metallabtrennung.

 

Heizwertreiche Sekundärbrennstoffe (SBS) werden in Kohlekraftwerken mitverbrannt und ersetzen dabei einen Teil des Hauptbrennstoffs. Sie werden vor allem aus nicht gefährlichen, kommunalen Siedlungsabfällen hergestellt. Recyclingfähige Wertstoffe und Schadstoffe werden abgetrennt. Die Aufbereitungsschritte umfassen Vorzerkleinerung, Absiebung mineralischer Bestandteile, Metallabtrennung sowie das Aushalten von PVC und die Sichtung von Stör- und Schwerstoffen. Abschließend wird der SBS nachzerkleinert und kompaktiert.

Eine sichere, umweltgerechte Entsorgung von Abfällen gehört zu den zentralen Anforderungen an unsere Gesellschaft. Aber derzeitige Entwicklungen legen nahe, dass es künftig an Kapazitäten fehlen könnte, um mit nicht recyclingfähigen Anteilen im Abfall umzugehen. Diese Anteile sind gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz in erster Linie zur energetischen Verwertung vorgesehen. Eine solche Anlage planen LEAG und Veolia am Standort Jänschwalde – die Energie- und Verwertungsanlage EVA Jänschwalde. Sie soll die Entsorgung im regionalen Umfeld sichern und gleichzeitig die Strukturentwicklung am Standort ankurbeln. Hintergründe zum geplanten Projekt erklären der Projektleiter bei LEAG, Frank Mielke, der Leiter Umweltschutz/Genehmigungen bei LEAG, Christoph Tischer, und der Leiter Mergers & Acquisitions der Veolia Deutschland GmbH, Vedad Delic.

Herr Mielke, warum planen Sie gemeinsam mit Veolia den Bau der EVA am Standort Jänschwalde?

Frank Mielke: Nach den Plänen der Bundesregierung erfolgt bis Ende 2028 die schrittweise Stilllegung des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde. In der EVA sehen wir ein deutliches Signal für den Erhalt und die langfristige Entwicklung des Standorts für Energie- und Industrieunternehmen. Die EVA soll ein Beitrag zur Strukturentwicklung sein, verbunden mit der Schaffung von 50 neuen Arbeitsplätzen und der Sicherung von Aufträgen für Servicepartner. Darüber hinaus wird der Standort Jänschwalde für Industriebetriebe und Betriebe des verarbeitenden Gewerbes nur dann von Interesse sein, wenn vor Ort eine zuverlässige Medienversorgung mit Strom, Dampf und Wärme sichergestellt werden kann. Die Energiedienstleistungen der EVA können also neue Industrieansiedlungen unterstützen und darüber hinaus die Fernwärmeversorgung von Cottbus und Peitz sichern. Nicht zuletzt bietet Strom auch Potentiale für weitere Zukunftsthemen, wie die Stabilisierung des Netzes und die Herstellung von Wasserstoff.

Welchen Vorteil hat dabei das Joint-Venture mit dem Partner Veolia?

Frank Mielke: Veolia zählt mit über einer Million Tonnen Aufbereitungskapazität im Bereich der Produktion von Ersatzbrennstoffen zu den größten EBS-Lieferanten in Deutschland. Unsere beiden Unternehmen verbindet eine lange, partnerschaftliche Zusammenarbeit. Veolia liefert schon seit Jahren hochwertig aufbereitete Sekundärbrennstoffe (SBS), die in unseren Kraftwerken zur Mitverbrennung eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund des Kohleausstiegs und des Bedarfs neue Verwertungskapazitäten zu erschließen, entstand die Idee der EVA als Gemeinschaftsprojekt. Dabei war es uns besonders wichtig, mit einem Entsorgungspartner zusammenzuarbeiten, der sich nicht nur durch die Brennstofflieferung in das Projekt einbringt, sondern gemeinsam mit uns in der Lausitz unternehmerische Verantwortung übernehmen möchte.

Vedad Delic, Veolia, Foto: Veolia

Herr Delic, neben der unternehmerischen Verantwortung, was war die Motivation von Veolia in dieses Projekt als Partner einzusteigen?

Vedad Delic: Als großes deutsches Entsorgungsunternehmen steht die Verwertung von Stoffen im Sinne einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft ganz oben auf unserer Agenda. Gleichwohl bleiben am Ende eines aufwändigen Sortier- und Recyclingprozesses nicht recyclingfähige Anteile, die sogenannten Sortierreste, übrig. Diese Reste werden in Form aufbereiteter Ersatzbrennstoffe ökonomisch und ökologisch sinnvoll verwertet. Mit der EVA haben wir die Möglichkeit, langfristig eigene verlässliche Verwertungskapazitäten in unserer Kernregion in Ostdeutschland zu schaffen. Gleichzeitig können wir so zur Versorgung mit den notwendigen Medien Strom und Wärme bei bestmöglichem Umweltschutz beitragen und nutzen eine Chance, die wirtschaftliche Attraktivität der Region und ihre Leistungsfähigkeit zu fördern.

Die EU-weite fünfstufige Abfallhierarchie – auf ihr beruht auch das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz, Grafik: LEAG

Wird die EVA auch bei künftig steigenden Recyclinganforderungen gebraucht?

Vedad Delic: Fakt ist, dass der thermischen Verwertung eine wichtige Rolle zukommt, um auch die umweltgerechte Entsorgung von nicht sortier- bzw. nicht recyclingfähigen Anteilen sicherzustellen. Nur so lässt sich auch die Beseitigung auf Deponien auf ein Minimum reduzieren. Fakt ist auch, dass es in den letzten Jahren eine ganze Reihe an Untersuchungen gab, die die Bedeutung der thermischen Verwertung unterstreichen. Die jüngste Studie zu den Perspektiven der thermischen Abfallbehandlung (Prognos/Faulstich, August 2020) blickt bis in das Jahr 2040 und kommt zu dem Ergebnis, dass es ohne weiteren Zubau sogar zu einem Mangel an thermischen Verwertungskapazitäten kommen würde. Laut Prognos-Studie wird die Umsetzung abfallwirtschaftlicher Vorgaben voraussichtlich zu mehr Recycling führen. Gleichzeitig steige aber auch das Gesamtaufkommen und andere Entsorgungswege – wie die Mitverbrennung in Kohlekraftwerken – fielen weg. Beim Thema Zubau wurden heute bekannte Planungen wie die EVA Jänschwalde von den Autoren bereits einkalkuliert.

Vergessen werden sollte auch nicht, dass die Errichtung von thermischen Behandlungsanlagen die wesentliche Voraussetzung für die Schließung von Deponien für nicht vorbehandelte Siedlungsabfälle im Jahr 2005 war und dass es aktuell keine bessere Lösung für nicht recyclebare Abfallsortierreste gibt.

Frank Mielke, LEAG, Foto: LEAG

Die EVA Jänschwalde wird bisweilen als eine der größten Müllverbrennungsanlagen in Deutschland bezeichnet. Ist das richtig?

Frank Mielke: Nein, die EVA ist weder eine klassische Müllverbrennungsanlage noch ist sie außerordentlich groß. Hauptzweck der EVA Jänschwalde ist die thermische Verwertung von Ersatzbrennstoff (EBS). Mit maximal 480.000 Tonnen Jahresdurchsatz wird sie eine im deutschlandweiten Vergleich mittlere Größe haben. Zieht man zum Vergleich andere Arten thermischer Behandlungsanlagen – wie reine Müllverbrennungsanlagen – heran, so befindet sich die größte Anlage Deutschlands in Köln und verfügt über eine Kapazität von 785.000 Tonnen jährlich. Weitere größer dimensionierte Anlagen im näheren Umfeld sind beispielsweise das Müllheizkraftwerk Ruhleben mit 550.000 Tonnen oder das Müllheizkraftwerk Magdeburg mit 660.000 Tonnen, wo derzeit eine Erweiterung geplant wird.

Vedad Delic: Die Differenzierung zwischen Müllverbrennung und der Verwertung von Ersatzbrennstoffen ist uns besonders wichtig. Die klassische Müllverbrennungsanlage verbrennt in der Regel nicht aufbereitete Abfälle, überwiegend aus der haushaltsnahen Erfassung. EBS hingegen ist ein aufwendig aufbereiteter, hocheffizienter Brennstoff, bei dem sich im Vergleich zum „Müll“ der Heizwert steuern lässt. Bei der Aufbereitung von EBS werden insbesondere Schadstoffe, im Vergleich zum nicht aufbereiteten Hausmüll, auf ein Minimum reduziert.

Das technische Konzept der EVA im Überblick: Die Anlage wird über zwei Verwertungslinien mit Dampferzeugern und Reinigungsstrecken für das Rauchgas verfügen. Der Dampf wird in einer gemeinsamen Turbine mit Generator in Strom umgewandelt oder als Fernwärme bzw. Prozessdampf ausgekoppelt. Grafik: LEAG

Wird sich mit der EVA die Menge Abfall, die am Standort verbrannt wird und damit auch das Verkehrsaufkommen erhöhen?

Frank Mielke: Das Aufkommen würde sich mit der geplanten Inbetriebnahme der EVA ab Oktober 2024 nur für begrenzte Zeit erhöhen. Im Kraftwerk Jänschwalde wird seit 2005 Sekundärbrennstoff (SBS) mitverbrannt. Die Kapazitäten zur Mitverbrennung haben sich durch die Sicherheitsbereitschaft der ersten beiden Kraftwerksblöcke 2018/2019 bereits deutlich reduziert – auf derzeit rund 400.0000 Tonnen im Jahr. Mit Blick auf den Kohleausstiegsplan der Bundesregierung werden diese Mengen ab 2026 weiter schrittweise abnehmen. Ein Block soll Ende 2025 und ein weiterer Ende 2027 in die zeitlich gestreckte Stilllegung überführt werden. Ende 2028 werden die verbleibenden beiden Blöcke des Kraftwerks Jänschwalde stillgelegt. Mit der Braunkohleverstromung endet auch die Mitverbrennung.

Somit werden auch die Transporte, die im Zusammenhang mit der Mitverbrennung stehen, ab dem Jahr 2026 abnehmen und mit der Stilllegung des letzten Kraftwerksblocks enden. Dabei sind die Logistik für die Mitverbrennung als auch für die EVA Jänschwalde lediglich Bestandteil des gesamten Verkehrsaufkommens auf den betreffenden Straßen. In Gesprächen mit dem Amt Peitz ist daher die Idee entstanden, eine übergreifende Infrastrukturstudie zum regionalen Verkehr in Auftrag zu geben. Dies würden wir als Projektträger der EVA unterstützen.

Christoph Tischer, LEAG, Foto: LEAG

Herr Tischer, ist eine Umwelt- bzw. Gesundheitsgefahr durch Emissionen aus der Anlage zu befürchten?

Christoph Tischer: Nein, das ist nicht der Fall. Die EVA Jänschwalde wird mit den neuesten Erkenntnissen nach dem Stand der Anlagen- und Umwelttechnik geplant und errichtet. Grundlage ist ein umfangreiches Genehmigungsverfahren nach Bundes-Immissionsschutzgesetz. Den Genehmigungsantrag haben wir im Februar 2020 zusammen mit der Umweltverträglichkeitsuntersuchung bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem brandenburgischen Landesamt für Umwelt, eingereicht.

In den Antragsunterlagen sind auch die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte für thermische Verwertungsanlagen berücksichtigt. Auf dieser Grundlage wurden die resultierenden Immissionen für das Umfeld bewertet. Entsprechend eines Fachgutachtens werden die Zusatzbelastungen durch die EVA als gering bzw. im Sinne der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft als irrelevant eingestuft. Mit einer mehrstufigen Rauchgasreinigung und einer kontinuierlichen Überwachung der maßgeblichen Emissionsgrenzwerte wird sichergestellt, dass ein unzulässiger Austrag von Schadstoffen vermieden wird.

Die Thermischen Abfallbehandlungsanlagen haben ihre Aufgaben innerhalb der Daseinsvorsorge in den letzten 125 Jahren kontinuierlich verändert, ihre Daseinsberechtigung dabei aber stets unter Beweis gestellt. Heute sind Investitionen in Thermischen Abfallbehandlungsanlagen nicht einfach „nur“ Investitionen in die Abfallentsorgung, sondern vielmehr in multifunktionale technische Infrastruktureinrichtungen, die die gesellschaftlichen und politischen Anforderungen zur Abfallentsorgung, Energieversorgung sowie Ressourcen- und Klimaschutz erfüllen können.

Prognos-Studie TAB Roadmap 2040: Thermische Abfallbehandlung - Status und Perspektiven
von Prof. Dr. Faulstich, Lehrstuhl des Fachgebiets „Ressourcen- und Energiesysteme“ der TU Dortmund

Vor Ort hat sich eine Bürgerinitiative gegen die EVA Jänschwalde formiert. Herr Mielke, haben LEAG und Veolia Anwohner und Gemeindevertretungen nicht ausreichend informiert?

Frank Mielke: Veolia und Vertreter der LEAG haben vor Ort in mittlerweile fünf öffentlichen Gemeindevertretersitzungen, im Amtsausschuss und bei der Standortkonferenz Jänschwalde über das Projekt informiert. Hinzu kommen mehrere Pressemitteilungen sowie eine Pressekonferenz. Darüber hinaus gibt es die gesetzlich geforderten Formate im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bis hin zur Veröffentlichung des kompletten Genehmigungsantrags im Internet während der öffentlichen Beteiligung. Ich denke, das mit der zeitnahen Gründung des Gemeinschaftsunternehmens mit Veolia diese Info-Angebote nochmals erweitert werden können.

Die EVA Jänschwalde: rechts im Bild der Brennstoffbunker, in der Mitte das Kesselhaus (transparent dargestellt, mit Blick auf die beiden Dampferzeuger), davor das kleinere Maschinenhaus mit Energieableitung. Links daneben befindet sich der Luftkondensator. Den hinteren Gebäudeteil nimmt die Rauchgasreinigung ein, Grafik: LEAG

Herr Tischer, in welcher Weise erfolgt die Beteiligung der Öffentlichkeit im Genehmigungsverfahren?

Christoph Tischer: Im Rahmen der öffentlichen Beteiligung wurden den Fachbehörden und Trägern öffentlicher Belange wie beispielsweise dem Amt Peitz die Antragsunterlagen zur Stellungnahme übergeben. Parallel hatten im Juli und August auch Privatpersonen Gelegenheit, den Antrag einzusehen und bis Ende September Stellungnahmen einzureichen. Derzeit wertet das Landesumweltamt die Stellungnahmen aus dem Beteiligungsverfahren aus und wird zu einer Online-Konsultation einladen.

Warum wird statt des üblichen Erörterungstermins eine Online-Konsultation durchgeführt?

Christoph Tischer: Wir sind auch lange davon ausgegangen, dass eine Erörterung der Stellungnahmen mit den Einwendern „live“ stattfinden kann. Die Cottbuser Messehalle war dafür bereits reserviert. Doch vor dem Hintergrund der steigenden Corona-Fallzahlen hat das Landesumweltamt als verantwortliche Behörde am 20. Oktober die Reißleine gezogen. Wir haben für diese Entscheidung Verständnis, denn immerhin reden wir hier von einem Termin für mehr als 300 Personen.

Für solche Fälle, in denen die derzeitige Corona-Pandemie der regulären Durchführung von Erörterungsterminen entgegensteht, hat die Bundesregierung zum Glück Vorsorge getroffen. Im Mai wurde vom Bundestag das Planungssicherstellungsgesetz verabschiedet. Es soll dafür sorgen, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren auch unter pandemiebedingten Einschränkungen ordnungsgemäß durchgeführt werden können. Kann ein Erörterungstermin coronabedingt nicht stattfinden, sieht das Gesetz eine Online-Konsultation vor. Bei der Online-Konsultation erhalten die Einwender – ähnlich wie bei der öffentlichen Beteiligung – Gelegenheit, Einsicht in die eingegangenen Stellungnahmen und deren schriftliche Beantwortung zu nehmen und können im Bedarfsfall eine Rückmeldung abgeben. Die genaue Verfahrensweise gibt das Landesumweltamt vorab bekannt.

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Autor

Ariane Geisler

Ich bin ein Lausitzer Gewächs: hier geboren, gehegt und gepflegt. Dann fürs Studium der Fachrichtung Medien vorübergehend "umgetopft". Beruflich habe ich in der Unternehmenskommunikation Wurzeln geschlagen. Mein Habitat bei der LEAG: Die externe Kommunikation im Print- und Digitalbereich. Was mir dabei am besten gefällt: Die Vielfalt der Menschen, Themen und Geschichten. Reichlich Nährboden für Einblicke, Schulterblicke, Seitenblicke.

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