Die Fäden in Punkto Sicherheitsbereitschaft laufen bei ihm zusammen: Der 27-jährige Paul Donath ist Fachingenieur beim Instandhaltungsmanagement Kraftwerke. Mit einem Team von rund 30 Mitarbeitern betrat er letztes Jahr Neuland für die LEAG: am 1. Oktober ging Block F des Kraftwerks Jänschwalde in eine vierjährige Sicherheitsbereitschaft. Ein Jahr später warten bekannte und neue Herausforderungen mit dem Beginn der Sicherheitsbereitschaft am dortigen Block E.

Paul Donath steht seit letztem Jahr Rede und Antwort in Punkto Sicherheitsbereitschaft für den Block F im Kraftwerk Jänschwalde, Foto: LEAG
Grundlage für die Umsetzung der Sicherheitsbereitschaft sind die im Energiewirtschaftsgesetz beschriebenen Aufrufkriterien: Bereitschaftszeitraum von vier Jahren, Betriebsbereitmachung der konservierten Anlage innerhalb von zehn Tagen sowie anschließendes Anfahren auf Nettonennleistung innerhalb von 24 Stunden. Anforderungen, die beim Bau des Kraftwerks keiner vorhersehen konnte. Bereits im Jahr 2016 begann der umfangreiche Planungsprozess, in den neben internen Spezialisten auch die Herstellerfirmen der Anlagen involviert waren. Die Aufgabenstellung bringt Donath mit einer Frage auf den Punkt: Welche Maßnahmen müssen in Vorbereitung auf die Sicherheitsbereitschaft und für den Bereitschaftszeitraum von vier Jahren ergriffen werden, um die Anlage im Aufruffall nach den vorgegebenen Kriterien wieder in Betrieb zu nehmen? „Wir mussten für jeden Anlagenbereich prüfen, wie wir verfahren, welche Maßnahmen kosteneffizient die Anforderungen erfüllen und wie wir über die Zeit prüfen, ob alles funktionsbereit ist“, erinnert sich Donath. So blieben einzelne Systeme in Betrieb, zum Beispiel Kühlwasser- oder Ölsysteme sowie die gesamte Elektro-und Leittechnik. „Auch die Wartung und Schmierung der Systeme läuft natürlich weiter. Hinzu kommen jetzt Funktionsproben für die außer Betrieb genommenen Anlagenbereiche. Diese werden in regelmäßigen Abständen unter neuen Bedingungen in Funktion gesetzt.“ Auch die TÜV-Prüfungen müssen weiterlaufen – allerdings auch hier teils unter anderen Voraussetzungen.
Zwei Phasen zur Konservierung

Die Amin-Konservierung lässt Wasser einfach abperlen, Foto: LEAG
Für die Sicherheitsbereitschaft hat das Team um Donath zwei Konservierungsphasen definiert: vor und nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Termin zur Außerbetriebnahme der Anlage. Phase eins startet bereits 14 Tage vor der Außerbetriebnahme. Zu diesem Zeitpunkt werden dem Wasser-Dampf-Kreislauf des Blocks organische Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindungen beigefügt. „Durch die Adsorption von Amin-Wirkstoffmolekülen an den Metalloberflächen bildet sich eine geschlossene, diffusionsdichte, hydrophobe Schutzschicht, die während der Stillstandszeit als Sperrschicht zwischen Materialoberfläche und Medium, hier Wasser/Luft, wirkt. Somit können Luftsauerstoff oder andere korrosionsfördernde Stoffe die Oberfläche nicht erreichen“, erklärt Donath. Das Verfahren war 2018 komplettes Neuland für das Team. „Die erste Herausforderung nach der Außerbetriebnahme ist dann die Entleerung des kompletten Wasser-Dampf-Kreislaufes“, weiß Donath. Das System muss austrocknen, um der Korrosion entgegen zu wirken. „Die Luftfeuchtigkeit darf 40 Prozent nicht überschreiten.“ Um dies dauerhaft zu erreichen, setze man Lufttrockner ein.
Déjà-vu auf der Blockwarte
Am Tag der Außerbetriebnahme von Block F, dem 30. September 2018, präparierte Donath Proben, um die Wirksamkeit von Konservierungsphase eins zu überprüfen. Nun folgt das Déjà-vu. „Auch dieses Jahr werde ich am 30. September die Außerbetriebnahme auf der Warte im Werk III verfolgen.“ Hier laufen die beiden Blöcke E und F zusammen, von hier wird die Anlage gefahren beziehungsweise die Sicherheitsbereitschaft koordiniert und überwacht. Wenn Block E ebenfalls in die Bereitschaft gehe, ändere sich vieles noch einmal, da beide Blöcke sich zum Beispiel Bereiche des Kühlsystems teilen. Dies sei dann auch von außen sichtbar. „Die beiden Hauptkühltürme und der gemeinschaftlich genutzte Sommerkühlturm werden nur noch dämpfeln“, beschreibt es Donath – die großen weißen Dampfschwaden würden ausbleiben.
Frostschutz für den Winter nötig

Mit Heizlüftern wird die Luftfeuchtigkeit als auch die Wärme im Kesselhaus reguliert, Foto: LEAG
Ein wichtiges Thema ist auch der Frostschutz. In der Lausitz können die Temperaturen im Winter in den zweistelligen Minusbereich gehen. Gleichzeitig wäre ein Aufruf genau in dieser Zeit am wahrscheinlichsten, da der Energie-Verbrauch in Deutschland entsprechend steigt. „Ein derart herunter gekühlter Kraftwerksblock ist nicht anfahrbereit und schon gar nicht innerhalb von zehn Tagen. Also haben wir entsprechende Vorkehrungen getroffen“, erklärt Donath. Das besondere Augenmerk richtete sich auf die sehr komplexe und auch finanziell sehr anspruchsvolle Abdichtung und Beheizung des Kesselhauses. Dafür wurden über 50 schrankgroße Heizlüfter mit insgesamt sieben Megawatt Leistung aufgestellt. Zudem wurde innerhalb des Kesselhauses ein Heizsystem mit Temperaturüberwachung installiert. Es übermittelt permanent Daten aus dem Kesselhaus an die Blockwarte. „Die durchgeführten Thermographien an den Außenseiten zeigen den Erfolg der Maßnahme“, berichtet Donath. „In den Bereichen oberhalb von 40 Meter Höhe haben wir ergänzend hunderte Meter wasserführende Impulsleitungen mit einem Begleitheizungsband ummantelt, um die Messfunktion zu erhalten.“
Anfahrzeit bei Aufruf im Blick
Parallel finden in den Wochen nach der Außerbetriebnahme umfangreiche Reinigungsprogramme in den Bereichen Rauchgasentschwefelung, Ver- und Entsorgung sowie Dampfkesselinnen- und -außenbereich statt. Dies sei besonders wichtig, um Krustenbildung durch chemische Ausfallprodukte in den Transportsystemen oder Behältern zu vermeiden, so Donath. Für alle Bauteile würden bestehende Prüfpflichten und Überwachungsmaßnahmen zur Lebensdauer definiert werden. Komponenten, die aufgrund des Stillstands besonders gefährdet seien, wie Armaturen und Brennerlanzen, würden demontiert und gesondert eingelagert. Dabei gelte es immer die Anfahrzeit bei Aufruf zu beachten.
Das Ziel bleibt eine stabile Stromversorgung
„Im Großen und Ganzen hat beim ‚Friedrich‘ alles geklappt. Jetzt können wir die Erfahrungen auf den ‚Emil‘ übertragen, auch wenn die bis dato noch vom Block E genutzten Gemeinschaftsanlagen ebenfalls in die Sicherheitsbereitschaft überführt werden“, resümiert Donath. Viel Arbeit, die das Team bereits in Angriff genommen habe. Dabei stehe die Bewährungsprobe – ein Aufruf der Anlage aus der Sicherheitsbereitschaft – noch aus. Doch Donath versichert mit entschlossen Blick: „Wir halten unser Wort: Wir liefern, egal wann – damit eine stabile Stromversorgung auch in Zeiten der Energiewende gesichert ist.“
Hintergrund
Die Bundesregierung veranlasste mit der Erweiterung des Energiewirtschaftsgesetzes die Sicherheitsbereitschaft für Braunkohlekraftwerke. Insgesamt wurde sie für 2.700 MW Braunkohlekraftwerkskapazität verordnet, verteilt auf fünf Kraftwerksstandorte in ganz Deutschland. Alle drei deutschen Braunkohlereviere sind betroffen: das Rheinische Revier, das Mitteldeutsche Revier und das Lausitzer Revier. Mit dieser Maßnahme erhofft sich die Bundesregierung eine Senkung der bundesweiten CO2-Emissionen zur Erreichung der deutschen Klimaziele.

Grafik: LEAG
Schrittweise werden die vorgegebenen Blöcke nach einem im Gesetz definierten Zeitplan vom Netz genommen und für jeweils vier Jahre in Bereitschaft gehalten. Nur bei Engpässen in der deutschen Stromversorgung können die in Sicherheitsbereitschaft befindlichen Anlagen durch den zuständigen Übertragungsnetzbetreiber aufgerufen werden.
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