20.03.2020
CARBON

Dieser Artikel erscheint auch in der Ausgabe 01–19 unseres Unternehmensmagazins CARBON.
Fokus: Zukunft!

Kompletter Stromausfall zwischen Kap Arkona und Fichtelberg - fiktiver Stoff für einen TV-Blockbuster oder mögliches Schreckensszenario? Die Branche rüstet sich jedenfalls für den Ernstfall. Im Rahmen technischer Versuche wird trainiert, das virtuell kollabierte Netz nach einem exakt ausgearbeiteten Plan zu reanimieren. Daran beteiligen sich Kollegen im Transmission Control Centre (TCC) des Netzbetreibers 50Hertz Transmission in Neuenhagen, des Kraftwerks Schwarze Pumpe und des Gasturbinenkraftwerks Thyrow.

Lesen Sie hier das Protokoll einer Blackout-Übung und erfahren im Anschluss im Interview mit Dr. Thomas Krüger, Projektleiter E- und Leittechnik im Bereich Modernisierung und Effektivitätssteigerung, wie die LEAG sich noch auf einen großflächigen Stromausfall vorbereitet. 

 

Martin Nitzsche setzt die Übung zur Reanimation des Netzes in Gang, Foto: Siegfried Wagner, 50Hertz Transmission

9:03 Uhr, 50Hertz-Transmission-Control-Centre (TCC)

Egbert-Matthias Haase nimmt auf dem Leitstand des Kraftwerks Schwarze Pumpe via Satellitentelefon einen Anruf vom TCC entgegen: 50Hertz-Kollege Martin Nitzsche informiert darüber, dass das Netz schwarz gefallen sei und der Schichtleiter im TCC den umgehenden Wiederaufbau der Energieversorgung mithilfe der Gasturbinen in Thyrow entschieden habe. 

Egbert-Matthias Haase leitet alle notwendigen Schritte für die virtuelle Netzreanimation ein, Foto: LEAG

Kurz darauf, Zentraler Leitstand Kraftwerk Schwarze Pumpe

Regulär wird das Gasturbinenkraftwerk (GTKW) Thyrow von Schwarze Pumpe fernbedient, der Ernstfall erfordert die Betreibermannschaft vor Ort. Deshalb alarmiert Haase umgehend Mitarbeiter der LEAG-Tochter GMB, die das GTKW betreiben. 

Marco Gebauer und Bernd König im GTKW Thyrow, Foto: LEAG

10.15 Uhr, Leitstand Gasturbinenkraftwerk Thyrow

Marco Gebauer und Bernd König haben normalerweise eine Stunde Zeit, um aus der Rufbereitschaft anzurücken. Heute sind sie aber schon nach 15 Minuten auf dem Leitstand und machen die Maschinen startbereit. Um 10.15 Uhr läuft die Gasturbine A und setzt das benachbarte Umspannwerk Thyrow unter Spannung. 

Das Gasturbinenkraftwerk in Thyrow, Foto: LEAG

10:28 Uhr, Starterkabel vom Fläming in die Lausitz liegt an

Die Gasturbinen (vier x 37,5 Megawatt) sind hochgefahren und synchronisiert. Das Personal in der 50Hertz-Transmission Schaltzentrale hat eine Hochspannungsleitung von Thyrow in die Umspannwerke Ragow und Preilack durchgeschaltet - gewissermaßen ein Starterkabel vom Fläming in die Lausitz.

Dr. Thomas Krüger, Projektleiter E- und Leittechnik im Bereich Modernisierung und Effektivitätssteigerung, Foto: LEAG

Das Gasturbinenkraftwerk Thyrow deckt mit der Einspeisung den elektrischen Eigenbedarf eines 500-Megawatt-Blockes des Kraftwerks Jänschwalde. Die Anlage kann den Betrieb schrittweise wieder aufnehmen.

13:24 Uhr, Test bestanden

Versuchsleiter Dr. Thomas Krüger von der LEAG und Torsten Weiß von der Tochterfirma GMB erklären die Simulation für beendet.

Bernd König fährt in Thyrow die Gasturbinen nacheinander ab. Der nächste planmäßige Anlagencheck folgt schon in drei Wochen. 

 

Wie hoch ist die Gefahr eines Blackouts?

Netze & Kraftwerke

Die Energiewende stellt das Stromversorgungssystem vor enorme Herausforderungen. Um auf einen Stromausfall vorbereitet zu sein, hält der ostdeutsche Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission einen Netzwiederaufbauplan vor. Die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde fordert regelmäßig den Nachweis zur Schwarzstartfähigkeit der Kraftwerke sowie für das Funktionieren der Kommunikationskanäle zwischen den Beteiligten. 

Führt ein Stromausfall zu einer Netztrennung eines Dampfturbinenkraftwerks, muss sich dieses für mindestens zwei Stunden elektrisch selbst versorgen können (Inselbetrieb). 

Nur bestimmte Anlagen (Gasturbinen- und Laufwasserkraftwerke, Batteriespeicher) können ihren Betrieb ohne externe Stromzufuhr wiederaufnehmen (Schwarzstartfähigkeit). Sie sind Energiespender für andere Kraftwerke bei großflächigen Stromnetzausfällen. 

Versuchsleiter Dr. Thomas Krüger ist seit 2007 im Bereich Modernisierung und Effektivitätssteigerung bei der LEAG als Projektleiter E- und Leittechnik tätig. Wir sprachen mit ihm über die Wahrscheinlichkeit großflächiger Stromausfälle und über die Vorbereitungen im Unternehmen sowie bei ihm privat dazu. 

Wie wahrscheinlich ist ein großflächiger Stromausfall in Deutschland?

Anfang 2019 haben wir in Berlin gesehen, was passiert, wenn die Stromversorgung länger als 24 Stunden unterbrochen wird. Meine Einschätzung: Das Risiko für großflächige Ausfälle nimmt zu, denn viele Szenarien können einen Blackout verursachen. Hacker-Angriffe, schwankende Einspeisung der Erneuerbaren, hinkender Netzausbau, Bauarbeiten. Köpenick kann überall sein! 

Wie bereitet sich die LEAG darauf vor?

Die Kollegen in den Kraftwerksleitwarten werden am Netzsimulator für Störungen geschult. Praxisnahe technische Versuche mit Anlagen und Stromnetz sind trotzdem unentbehrlich. Entscheidend ist, dass die Beteiligten ein gewisses Maß an Routine gewinnen, um in brenzligen Situationen schnell und sicher zu reagieren. Natürlich hoffen wird, dass es nicht zum Blackout kommt, aber im Ernstfall sind wir vorbereitet. 

Wie lange reicht Ihr heimischer Notvorrat?

Zugegeben: So richtig vorbereitet sind wir nicht. Nudeln, Getränke, Kerzen und Taschenlampe sind zwar vorhanden, aber ohne Strom bleiben die Nudeln ungenießbar.

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Autor

Uwe Dobrig

Ich bin seit 1980 im Unternehmen. Für die Kommunikation arbeite ich seit 1987. Mein Start war damals in Jänschwalde. 

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