30.04.2019
Schrotholzhaus

Zum Bau ihrer Häuser wählten die Heidebauern überwiegend Kiefern schon vor der Fällung aus und lösten spiralförmig Rinde unter der Baumkrone ab. Dadurch regten sie die Bäume zu vermehrter Harzbildung an, was das Holz haltbarer machte. Nach der Fällung verwandelte man mit einer Axt die runden Kiefernstämme in Vierkanthölzer, die aufeinander geschichtet zu glatten Wänden errichtet werden konnten. Die Verwendung dieses "Schrotholzes" hatte einen entscheidenden Vorteil gegenüber Rundholz-Blockhäusern: Die Wände konnten von Innen mit Lehm oder Strohhäcksel geputzt werden. So zog es nicht durch die Ritzen.

Hingeduckt und friedlich stehen sie da, die 24 Schrotholzhäuser der Siedlung am Erlichtteich am Nordrand von Rietschen. So könnte es ausgesehen haben, das typische Lausitzer Heidedorf im 19. Jahrhundert. Die denkmalgeschützten Gebäude stammen größtenteils aus Orten, die dem Tagebau Reichwalde weichen mussten. Dass es diese bis zu 300 Jahre alten Häuser heute noch gibt, ist unter anderem Kurt John zu verdanken.

Der Bergbauingenieur, der heute bei der GMB GmbH für den Gleisbau in allen LEAG-Tagebauen verantwortlich ist, war nach der Wende Bauamtsleiter in der sächsischen Gemeinde. „Für mich war klar“, erzählt er mir, „das ist die typische Bauweise unserer Vorfahren. Das müssen wir schützen.“

Es müsste doch möglich sein, die gefährdeten Häuser ab- und an einem neuen Ort wieder aufzubauen! Zu Beginn der 90er Jahre übernahm das die Gemeinde mit finanzieller Unterstützung des LEAG-Vorgängerunternehmens LAUBAG und baute die ersten drei Häuser mit ortsansässigen Unternehmen auf. Auf Dauer, so berichtet John, wäre das jedoch für die Gemeinde zu teuer geworden.

Eine Gruppe Gleichgesinnter gründete 1993 den Förderverein „Schrotholzhäuser Erlichthof Rietschen“. Bis 1997 setzten sie verschiedene Häuser aus Altliebel, Mocholz, Viereichen und Zweibrücken um. Manche tragen noch heute einen Zweitnamen aus dieser Zeit. So wie das Forsthaus auch „Altliebel Nummer 37“ heißt. Mehrere Häuser lagerten die Vereinsmitglieder damals zerlegt ein. „Vielleicht“, so John „könnten auch sie in der Zukunft eine neue Bestimmung finden.“ 

Das Forsthaus gehörte zu den ersten „Umzüglern“. Seit 1998 ist es Gaststätte, Foto: Hans-Peter Berwig

Neues Zuhause für gefährdete Häuser

Kurt John lebt mit seiner Frau im sogenannten Teehaus auf dem Erlichthof. Früher wurde hier Tee hergestellt, Foto: privat

Heute betreibt der Verein mit seinen 30 Mitgliedern das Museum. Von Dienstag bis Sonntag ist es jeweils ab 10 Uhr geöffnet und schließt um 17 Uhr. Das Museumsgehöft besteht aus insgesamt acht Gebäuden – Wohnhaus, Scheune, Stall, Torhaus, Ausgedingehaus, Bienenhaus, Backofen und seit einem Jahr die Bauernküche. Sie entstand aus einem der eingelagerten Häuser. „Bisher konnten unsere Besucher sehen, wie ihre Urgroßeltern gewohnt haben, wie deren Ackergeräte aussahen. Mit der Bauernküche haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass sie nicht nur schauen können“, erzählt mir John. Hier können die Gäste nach alter Art und Weise Lebensmittel haltbar machen – räuchern, einkochen, Marmelade herstellen, mit dem Holzofen kochen, backen und braten. Das kommt gut an. Der Verein vermietet die Küche auch. Mit Erfolg.

 

1/6 Der Erlichtteich gab der Siedlung ihren Namen, Foto: Erlichthof
2/6 Das Wohnhaus auf dem Museumsgelände in der Erlichthofsiedlung, Foto: Rainer Weißflog
3/6 Das Torhaus ist eins von acht Gebäude des Museums, Foto: Hans-Peter Berwig
4/6 Zu einem typischen Bauerngarten gehören die Kräuterbeete. So ist das auch im Museumshof, Foto: Erlichthof
5/6 Auf dem Gehöft des Schokoladens ist diese Wasserpumpe zu sehen, Foto: Hans-Peter Berwig
6/6 Das Haus Nummer 8 gehört zu jenen denkmalgeschützten Häusern, die nicht im Tagebauvorfeld standen und zwischen 1998 und 2002 im Erlichthof ein neues Zuhause gefunden haben. Es wechselte mehrmals die Mieter und heißt heute „Glas-Ton Art“, Foto: Hans-Peter Berwig

Neue Siedler in der Dorfgemeinschaft

Im Webhaus kann man das Spinnen lernen, Foto: Hans-Peter Berwig

Darüber hinaus – so John - verstehe sich der Verein als Dienstleister für alle Siedler auf dem Erlichthof. Neun sind das zurzeit. Sie sind Mieter auf dem Gelände, das der ArTour Rietschen GmbH gehört, und haben sich zum Beispiel Handwerkstraditionen wie dem Weben oder Töpfern verschrieben. Sie handeln, wie der Hof-, der Schoko- und der Naturladen, sind Handwerker in der Töpferei und der Weberei, betreiben Gastronomie in Forsthaus und Scheunencafe oder bieten Übernachtungen an, wie das Ferienhaus „Viereichen 10“ oder das „Auszeit-Idyll“.

Die Natur- und Touristeninformation bewohnt ein Haus und es gibt Dauerausstellungen, wie die zu den Lausitzer Wölfen und zur Flussbettverlegung des Weißen Schöps. Touristen können sich Fahrräder ausleihen und wer mit dem Wohnmobil kommt, findet dafür auch einen Stellplatz.

Kultur und Handwerk im Programm

Die Wolfsscheune beherbergt eine Ausstellung zum Thema Wölfe. Im Dorf hat zudem das „Kontaktbüro Wölfe in Sachsen“ sein Haus, Foto: Hans-Peter Berwig

Selbstverständlich haben auch kulturelle Veranstaltungen ihren festen Platz in dem kleinen Dorf.  „Dauerbrenner und fast immer ausverkauft sind die Gastspiele verschiedener Kabarettensemble aus Dresden, Leipzig und Frankfurt (Oder)“, erzählt mir John. Einmal im Monat finden sie in der Theaterscheune statt. Am 10. Mai kommt die Theatermanufaktur aus Dresden. Am 14. Juni werden Ellen Schaller und Torsten Pahl, ebenfalls aus Dresden, zu Gast sein.

Regelmäßig im Programm der Touristinformation sind außerdem Kräuterwanderungen und Radtouren ins Wolfsgebiet. Und wer sich an einer Töpferscheibe ausprobieren möchte, kann das auch mindestens einmal im Monat machen. Die Angebote im Sommer richten sich vor allem an Ferienkinder. Sie können hier kochen, backen, töpfern, filzen oder korbflechten – all das, was zum traditionellen Handwerk im Dorf des 19. Jahrhunderts gehörte.

Wohnen im Teehaus

Die Theaterscheune ist beliebter Veranstaltungsort für Kabarettgastspiele, Foto: Hans-Peter Berwig

Als Vereinsvorsitzender ist der 61-jährige John gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen für alle organisatorischen Arbeiten zuständig. Sie kümmern sich zum Beispiel um Fördergelder und müssen die Finanzen, Betriebskosten und das Klima im Verein im Blick haben. Selbstverständlich übernimmt er - wie seine Vereinskollegen auch - Wochenenddienste im Museum. Dafür muss er keinen weiten Weg zurücklegen, denn er wohnt mit seiner Familie seit Mitte der 90er Jahre unmittelbar neben der Erlichthofsiedlung in einem Schrotholzhaus, dem Teehaus. Das hätte nicht dem Tagebau weichen müssen, drohte aber zu verfallen. Die Johns haben es abgebaut und am neuen Standort wiedererrichtet.

 

Mehr über den Rietschener Erlichthof erfahren Sie hier:

www.erlichthofsiedlung.de


www.oberlausitz-bilder.de

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Autor

Elvira Minack

Nachdem ich über 30 Jahre als Pressesprecherin und verantwortliche Redakteurin in Ostbrandenburg und in Franken gearbeitet habe, kam ich 2009 ins Unternehmen. Seit dem Herbst 2017 arbeite ich in der externen Kommunikation.