Im Jahr 1994 begann der Aufbau des Museums Energiefabrik Knappenrode auf einem traditionsreichen Gelände. Verschiedene Dauerausstellungen wie die, die eine fast lückenlose Folge historischer Brikettier-Technik zeigt, oder Sachsens größte Ofen- und Feuerstättenausstellung sowie regelmäßige Sonderausstellungen sind hier zu sehen. Doch die inzwischen 100-jährigen Gebäude brauchen dringend eine Renovierung. Über die Umbaupläne habe ich mit Museumsleiterin Kirstin Zinke auf dem Weg durch die historische Fabrik gesprochen.
Der Standort der Brikettfabrik in Knappenrode besteht jetzt seit 100 Jahren. Wie lange war er Produktionsstätte und ab wann Museum?
Von 1918 bis zur Stilllegung im Jahr 1993 wurden hier 67 Millionen Tonnen Brikett gepresst. Die Kohle kam stets aus Tagebauen südlich von Hoyerswerda. Nach Beendigung der Produktion sah der Rahmenbetriebsplan eine kulturell-touristische Nutzung vor. Das Museum war jedoch – mit Augenzwinkern und Wertschätzung – eigentlich ein „Geburtsfehler“.
Wieso das?
Das Wort Museum wird schnell bemüht, wenn man etwas Bedeutendes erhalten will. Und das Erhalten dieses großen Ensembles von authentischer Fabrik, Werksiedlung und Rekultivierung inklusive Knappensee lag dem damaligen Museumsgründer – dem Förderverein – am Herzen. Aber die Aufgaben eines Museums sind viel umfangreicher. Es bewahrt nicht nur. Es sammelt, forscht, vermittelt und stellt auch aus. Man kann sagen, dass der Aufbau des Museums 1994 begann. Wir sind also ein junges Museum mit einer alten Geschichte.
Ab wann war der Begriff Museum dann gerechtfertigt?
Erst ab 1998 konnten die Verantwortlichen hier nach vorne denken. Noch bis zum Jahr 2002 hatte der Verein mit dem Rückbau, der Nachnutzbarkeit der Technik und der Umgestaltung zu tun, um das Ensemble als Museum nutzbar zu machen.
Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an der Energiefabrik? Ehemalige Produktionsstätten, die heute museal oder kulturell genutzt werden, gibt es ja woanders auch.
Kirstin Zinke, studierte Technologin und Museologin, leitet die Energiefabrik seit 2012, Foto: LEAG
Für mich ist das die Authentizität einer fast vollständig erhaltenen Produktionsstätte. Es ist nichts leer und blank geputzt. In den Fabrikhallen zum Beispiel glaubt man sich zurückversetzt in die Gründerzeit. Der Geruch von frisch gepressten Briketts liegt in der Luft. Die Lüftungsklappen klappern, wenn der Wind weht. Man spürt den Kohlestaub, der in der Luft liegt.
Dennoch bauen Sie jetzt um – warum?
An den alten Gebäuden muss unbedingt etwas passieren. Dieser Umbau war im Jahr 2004 schon einmal beschlossen. Das Land Sachsen hatte das notwendige Geld dafür bereitgestellt. Die Stadt Hoyerswerda konnte damals den notwendigen Eigenanteil nicht erbringen. Inzwischen ist der Landkreis Bautzen Eigentümer des Ensembles. Die einstigen Grundlagen nutzend und mit der Stadt Hoyerswerda als Partner konnte er unser Vorhaben erfolgreich in der Bundesförderung platzieren.
Wie sieht dieses Vorhaben aus?
Wir verkleinern die Flächen, die durch das Museum genutzt werden, und wollen neue Akteure gewinnen, die hier zum Beispiel in das heutige Besucherzentrum einziehen, das zur Zeit der Haupteingang zum Museum ist. Dabei reißen wir nichts ab, geben keine Geschichte preis. Wir wissen, dass die Kraft dieses Ortes das Gesamtensemble ist – ähnlich dem Konzept der Zeche Zollverein oder der Völkinger Hütte.
Ein wichtiger Gestaltungsgrundsatz beim Umgang mit dem national bedeutsamen Industriedenkmal lautet: Altes bleibt erhalten. Neues setzt sich deutlich ab. Das gilt auch für diese Schalter, Zähler usw. - Altes bleibt erhalten, Foto: LEAG
Was tun Sie konkret?
Wir ziehen alles zusammen, machen das Ensemble kompakter. Aus ehemals zu bespielenden Flächen von ca. 24 Hektar werden acht Hektar. Der Zugang zum Museum, das ganzjährig außer Montag von 10 bis 18 Uhr geöffnet sein wird, führt künftig direkt in die Fabrik. Davor entstehen schon jetzt Parkflächen und eine neue Zufahrt. Der Rundgang beginnt in der alten Motorenhalle in einem zukünftig multimedialen Besucherinformationszentrum.
In der alten Motorenhalle bleibt alles, was an Technik hängt, liegt und steht, erhalten, Foto: LEAG
Wenn der Gast diese neue zentrale Ausstellung gesehen hat, hat er sozusagen Grundkenntnisse erworben über die Geschichte der Region, der Menschen, die hier lebten und arbeiteten, zu technologischen Prozessen und über den Weg der Kohle. Der Gang durch die Fabrik bleibt nicht nur erhalten, er gewinnt durch die zukünftige Kontextualisierung an Attraktivität. Die einzelnen Ausstellungen wie die der Ofen- und Feuerstätten und die der Geräte im Außenbereich bleiben ebenso.
Was werden die Besucher darüber hinaus an Neuem entdecken?
Ein Blickfang wird der neue 37 Meter hohe Aufzug „Lausitz Blick“ sein. Vom Dach aus hat man von dort zukünftig einen einzigartigen 360⁰- Blick über das alte Revier. In der großräumigen Empfangshalle befinden sich zentral Kasse, Museumsshop und Café. Zudem bemühen wir uns, offizielle Touristeninfo zu werden. Ein modernes Zentral-Depot ermöglicht zukünftig eine wissenschaftliche Bestandserschließung. Das heißt, wir werden unsere Objekte so aufarbeiten, dass sie der interdisziplinären Forschung zugänglich sind. Auch Verwaltung und Werkstätten erhalten neue Räume. Wir haben durch die räumliche Zentrierung auch kürzere Wege.
Was wird der Umbau kosten?
Insgesamt entstehen Kosten von ca. 10 Millionen Euro. Der Landkreis steuert über eine Million Euro bei. Der Zweckverband Sächsisches Industriemuseum investiert 1,2 Millionen Euro. Die Differenz wird aus Fördermitteln bestritten.
Die beliebte Ofen- und Feuerstättenausstellung bekommt im neuen Museum wieder ihren Platz, Foto: LEAG
Lohnt sich der Aufwand?
Unbedingt. Wir sind mitten im Lausitzer Seenland, einer Region, welche stark durch Wandel geprägt ist. Das Ende der Kohleförderung und -verarbeitung in der Lausitz treibt uns alle um. Gute Ideen, neue unternehmerische Ansätze und Zukunftskonzepte sind gefragt. Aber auch leistungsfähige Orte der geschichtlichen Aufarbeitung, des Bewahrens materiellen und immateriellen Kulturerbes, für uns in der Lausitz der braunkohlegeprägten Industrialisierung, sind notwendige Marker in diesen Prozessen. Wir können viel an Erfahrung einbringen. Das Interesse an diesem Thema ist groß. Das belegen auch unsere Besucherzahlen. 2017 waren es 26.000. Viele Fahrradtouristen waren darunter. Der Kurzzeittourismus in der Region nimmt zu – auch dank der Entwicklung des Seenlandes. Deswegen sehen wir uns auch nicht als Einzelstück. Erfolg ist immer ein Ergebnis vieler Engagierter. Für Knappenrode heißt das: Wenn für den Gast das Erlebnis Bergbau bereits am Ortseingangsschild beginnt, haben wir das Ziel erreicht.
Alte Handwerkskunst zum Anfassen gibt es beim Kehraus zu sehen, Foto: Peter Radke
Muss das Museum für die Bauarbeiten schließen?
Bis zum 31. Dezember läuft alles wie gewohnt. Danach schließen wir allerdings unter der Woche für den Individualverkehr. An den Wochenenden werden wir öffnen. Zudem bieten wir Baustellenführungen an. Im Frühjahr 2020 eröffnen wir dann planmäßig die neue Energiefabrik – rechtzeitig zum Jahr der Industriekultur in Sachsen. Die zentrale Ausstellung wird in Zwickau sein. Und wir sind der schöne Satellit in der Lausitz. Bevor die Bauarbeiten richtig losgehen, verabschieden wir uns mit einem zünftigen Kehraus in die neue Zeit. Am 13. Oktober wird es ein Zusammenspiel unserer bewährten Veranstaltungen Fabrik.Fest.Spiele, Sommernachtsspektakel und Herbst.Feuer.Fest für die ganze Familie geben. Dazu möchte ich schon heute alle Freunde der Energiefabrik herzlich einladen. Die neue Straße von Maukendorf nach Knappenrode wird dann offen sein, das heißt, wir sind wieder sehr gut zu erreichen.
Was erwartet die Gäste an diesem Tag?
Von 10 bis 20 Uhr feiern wir den Herbst und verabschieden uns bei unseren Gästen in altem Gewand mit Handwerk, Gewerbe, Sonderführungen in den Ausstellungen, der Fabrik und der Baustelle. Dazu gibt es Theaterspektakel um den Feuerdrachen, kulinarische Köstlichkeiten, herbstliche Bastel- und Mitmachangebote, einen großen Trödelmarkt und Fahrten mit der Handhebeldraisine. Einfach Schauen, Stöbern, Verweilen, Freunde treffen und die Energiefabrik erleben, steht auf dem Programm. Mit einem musikalischen Feuerwerk verabschieden wir uns.