29.08.2018

Im Tagebau Nochten drehen sich die Schaufelräder, schürfen die Eimerkettenbagger Abraum und Kohle, verstürzen Förderbrücke und Absetzer Erdmassen. Doch nicht weit entfernt davon nimmt bereits die Natur Besitz von der Bergbaufolgelandschaft. Ein See für die Natur entsteht in den nächsten Jahren auf dem Tagebaugelände. Dank einer wasserundurchlässigen Tonschicht am Seeboden und einer wetterunabhängigen Wasserzufuhr ist das Füllen des Sees bei laufendem Tagebaubetrieb möglich.   

Mehr als 26 Seen umfasst das Lausitzer Seenland. Rechnet man nur die Flächen der zehn Seen im Kerngebiet zwischen Großräschen, Senftenberg und dem Industriepark Schwarze Pumpe zusammen, dann ergibt sich eine Gesamtfläche von 7.000 Hektar. Demgegenüber ist die Größe des künftigen Hermannsdorfer Sees mit 256 Hektar als eher gering einzuordnen. An seiner tiefsten Stelle am nordöstlichen Rand sind es bis zu 28 Meter bis zum Seeboden.

Dieser Bereich, ein sogenannter Randschlauch des Tagebaus, war während der Kohleförderung sogar bis zu 80 Meter tief. Zu tief für einen künstlichen Tagebausee meint Ingolf Arnold, Leiter Geotechnik bei der LEAG. „Geotechnisch ist ein so tiefer See bei nur 256 Hektar Fläche nicht beherrschbar. Wir haben uns deshalb entschieden, den Randschlauch auf ein höheres Niveau wieder aufzufüllen“, erläutert Arnold. 

Bis zu 80 Meter tief war dieser Randschlauch im Tagebau, Foto: LEAG 

Hält dicht: Lausitzer Flaschenton

Bis zum Jahr 2004 wurde in diesem Bereich des Tagebaus Nochten Kohle gefördert. In den Jahren 2005 bis 2013 gestalteten die Bergleute die Fläche einschließlich der Uferkanten und formten damit das künftige Seebecken. Drei Meter dick ist die Tonschicht am Boden des Sees. „Diese Schicht besteht aus Lausitzer Flaschenton. Der Name ist historisch bedingt, da dieses Material seit über hundert Jahren als Rohstoff für Tongefäße und später für die Bau- und Keramikindustrie verwendet wurde und noch wird. Der ist so dicht, dass wir nur geringe Versickerungsverluste des Seewassers erwarten“, so Arnold. 

Um im richtigen Moment den Flaschenton an der dafür vorgesehenen Stelle am Seeboden zur Verfügung zu haben, mussten die Bergleute gut miteinander kommunizieren. Das Material zum Schütten für den Absetzer, der auf der ausgekohlten Tagebauseite steht, kam direkt vom Vorschnittbagger, der die obersten Erdschichten vor der Abraumförderbrücke abträgt. Der Baggerfahrer im Vorschnitt musste anfangs per Funk ankündigen, ob er Sand oder Ton auf die Bandanlagen gibt, die einmal um den Tagebau herumreichen und die geförderten obersten Erdschichten kilometerweit transportieren können. Je nachdem was beim Absetzerfahrer ankam, wusste dieser, welchen Bereich er zu schütten hat. Später wurde der Funk durch eine automatische Programmsteuerung ersetzt, so dass die Gerätefahrer nur noch kontrolliert haben.

Im Jahr 2005 wurde eine drei Meter dicke Flaschentonschicht  aufgetragen, Foto: LEAG

„Eine besondere Herausforderung war, an den aus Sand bestehenden Seeflanken die drei Meter dicke Tonschicht aufzutragen. Das Anschütten dieser Tonschürze war bergmännisch anspruchsvoll, da anfangs der Ton teilweise abzurutschen drohte“, bemerkt Arnold. 

95-Tonnen-Maschinen übernehmen Feinschliff

Den Feinschliff konnten die Bergleute erst nach dem Jahr 2016 mit dem Erhalt des wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses durch die verfahrensführende Behörde, der Landesdirektion Sachsen, machen. Dazu zählte die Formung zweier Inseln und einer Halbinsel. Mit einem Schürfkübelwagen, in der Fachsprache Scraper genannt, gezogen von der weltgrößten Raupe T11, wurde der Ton über die Wintermonate 2016/2017 nochmals modelliert. Beide Geräte wiegen zusammen rund 95 Tonnen. Bei teilweise sehr nassen Witterungsbedingungen eine echte Kraftprobe für Mensch und Maschine. Selbst für die große Raupe ging es irgendwann nicht mehr weiter. Aus einem Feinschliff wurde kurzzeitig eine Grobschlacht. Mithilfe anderer Geräte gelang es den Baufirmen jedoch ihre Maschinen zu befreien, um mit Einsetzen trockener Wetterperioden die Arbeiten fortzuführen.

Eine der weltgrößten Raupen war beim Modellieren des Tons im Einsatz, Foto: LEAG

 

Keine einfache Aufgabe: Der Wasserplan

Ebenfalls Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses war die Vorgabe, ein Einzugsgebiet für den See durch natürliche Zu- und Einläufe zu schaffen. „Unser Ziel ist, dass mit dem Ansteigen des Grundwassers in der Zukunft, das Wasser durch die Einläufe natürlich in den See zuströmen kann,“ so Arnold. Sein Mitarbeiter im Bereich Wasserwirtschaft, Thomas Koch, ergänzt, dass das Einzugsgebiet aus 17 Gräben bestehen wird, die in Summe 17 Kilometer lang sind. „Die Gräben, über die das Wasser in den See gebracht wird, werden auf vier Einlaufbauwerke ausgerichtet sein und an diese angebunden. Später einmal, wenn der endgültige Seewasserstand erreicht sein wird, sieht man diese Einlaufbauwerke nicht mehr, da sie unterhalb des Wasserspiegels liegen“, so Koch.

Dr. Thomas Koch, Foto: Andreas Franke 

Von den vier Einlaufbauwerken ist derzeit eins errichtet. In einem zweiten Planfeststellungsverfahren werden ab dem Jahr 2028 die weiteren Gräben und Einlaufbauwerke geplant, beantragt und genehmigt werden. Der Bau ist für den Zeitraum ab 2040 vorgesehen. Dem bereits bestehenden Einlaufbauwerk führt der Lutki-Graben Wasser aus der nahegelegenen Grubenwasserbehandlungsanlage (GWBA) Tzschelln zu. Fast allen 17 Gräben wurden schon Namen zugewiesen. Sie heißen unter anderem Katharinen-Graben, Jeseritzen-Graben, Nyks (Wasser)- und Plon (Feuer)-Graben. Das Wasser für den See ist gehobenes Grundwasser aus dem Tagebau Nochten. Bevor es in den See fließt, wird es in der GWBA Tzschelln von Eisen befreit. Zudem wird der pH-Wert angehoben. Bis zu zehn Kubikmeter pro Minute werden über eine knapp 13 Kilometer lange Rohrleitung nach der Reinigung in den See gepumpt. 

Ingolf Arnold, Leiter Geotechnik bei der LEAG, Foto: Andreas Franke

Über die Wasserqualität bräuchte sich niemand Sorgen machen, kündigt Ingolf Arnold an. „In dem Wasser ist Restkalk enthalten. Sollte Kippengrundwasser aus dem Tagebau in den See zuströmen, verhindert der Kalk ein Absinken des pH-Werts“, und er gibt zu, dass es eine komplizierte Aufgabe war, den Wasserplan für diesen See aufzustellen, da der Tagebau noch lange laufen wird. Große Verluste an Wasser erwarten die Fachleute durch Verdunstungen und planen daher eine jahrzehntelange unterstützende Wasserzufuhr ein, die so lange aufrechterhalten werden soll, bis das Grundwasser ausreichend angestiegen ist. 

10.000-jähriges Hochwasserereignis ist der Maßstab

Noch in diesem Jahr steht eine weitere Baumaßnahme am Seeufer an. So soll ab dem letzten Quartal 2018 ein Damm-Bauwerk errichtet werden. Ebenfalls eine Vorgabe aus dem wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss. Auf knapp zwei Kilometern Länge entsteht dieser Hochwasserdeich, der bei starkem Wind entstehende Wellen zurückhalten soll. Ein Jahr Bauzeit ist dafür vorgesehen. Seine zwei Auslaufbauwerke, die im Zeitraum 2045 bis 2050 gebaut werden sollen, werden dann den Rothwasser- und Floßgraben mit Wasser versorgen. „Mit diesen Bauwerken können wir das Wasser gleichmäßig in verschiedene Richtungen abgeben für den Fall, dass ein Hochwasser eintritt“, so Koch. „Die Hochwassersicherheit des Sees richtet sich nach einem 10.000-jährigen Hochwasserereignis, ein Maßstab, der unter anderem bei Talsperren angelegt wird“, informiert Arnold.

Blick von oben auf den Seeboden. Am oberen Bildrand sieht man den Hermansdorfer Radweg oberhalb der Uferkante, Foto: Andreas Franke

In den nächsten Jahren werden die Kollegen den See permanent beobachten und begleiten. In einem umfangreichen Wasser- und Naturschutzmonitoring wird die Qualität des Wassers regelmäßig gemessen, um seinen künftigen Bewohnern gute Lebensbedingungen zu bieten. 

Gute Lebensbedingungen für seltene Pflanzen

Bereits heute sind seltene Pflanzen aus ehemaligen Mooren am Südufer des Hermannsdorfer Sees im Moorinitial „Neue Jeseritzen“ heimisch. Für dieses Moorgebiet wurden auf einer Fläche von 1,7 Hektar 5000 Kubikmeter Torf eingebracht. Im Jahr 2012 sind die wertvollen Moorpflanzgesellschaften aus dem Naturschutzgebiet „Große Jeseritzen“ hierhin umgesetzt worden.

Am Südufer des künftigen Sees gibt es ein Moorinitial, Foto: Andreas Franke 

Wer sich hier in Zukunft alles heimisch fühlen wird, bleibt eine Überraschung. Der Mensch jedenfalls darf dieses künftige Naturparadies nur aus der Ferne beobachten, denn Baden wird für ihn hier nicht erlaubt sein. Aber dafür stehen ja genügend Seen im Lausitzer Seenland zur Verfügung.

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Autor

Kathi Gerstner

Direkt nach meinem Studium der Kulturwissenschaften hatte ich die Möglichkeit, in vielen Bereichen der Kommunikation unseres Energieunternehmens tätig zu sein. Seit mehr als zehn Jahren gehöre ich zum Team der Pressesprecher. Dort bin ich Ansprechpartnerin für die Medien zu allen Themen der LEAG-Geschäftswelt.  

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