Die Frau mit dem Überblick am Leitstand

07.03.2019

Von der Pforte zum Fahrstuhl, mit dem Fahrstuhl in die vierte Etage, vom Fahrstuhl ins Schichtleitzentrum. Wie oft Karola Elsmann, Zentralleitstandsführerin im Kraftwerk Jänschwalde, diesen Weg schon gegangen ist? Die 58-Jährige hat es nicht gezählt. Aber in 38 Jahren sollten wohl einige Tausend Mal zusammengekommen sein. Heute begleite ich sie.

Um 14 Uhr beginnt die Spätschicht der Kraftwerksmeisterin. Verabredet hat sie sich mit mir bereits um 13:20 Uhr. Das hat allerdings nichts mit unserem Treffen zu tun. Schichtwechsel in der Schicht A laufen für die Neuendorferin immer so ab: Noch in zivil setzt sie sich mit ihrer Vorgängerin oder ihrem Vorgänger zusammen und lässt sich alles Wichtige berichten.

Start mit Schraubenzieher und Kombizange

Karola Elsmann begrüßt Kerstin Jahn beim Schichtwechsel, Foto: LEAG

Erst nach dieser Übergabe zieht Elsmann sich um und nimmt pünktlich ihren Platz vor den fünf Monitoren ein. Die zeigen ihr unter anderem den Anlagenzustand im gesamten Kraftwerk von der Wasseraufbereitung bis zum Blockbetrieb und die Wirtschaftlichkeit der Blöcke an. Einer dient ihr zum Schreiben der Berichte, nicht nur Jänschwalde betreffend. Sie ist auch für die Grundlastberichte der drei anderen LEAG-Kraftwerke zuständig.

Seit 1988 arbeitet Elsmann hier im Schichtleitzentrum. Zwei Jahre lang hat sie sich für diesen Arbeitsplatz zur Meisterin qualifiziert. Kraftwerkerin hatte sie zuvor von der Pike auf gelernt. „Maschinistin“ hieß der Ausbildungsberuf, in den sie 1976 im damaligen Kraftwerk Thierbach startete. Sie hat Kohle geschippt, Anlagen gereinigt, war – mit Schraubenzieher und Kombizange ausgerüstet – bei Wind und Wetter unterwegs.

Erfahrungen darin, die Übersicht zu behalten über verschiedene Abläufe und Prozesse erwarb sie bereits Ende der 1970er Jahre als Dispatcherin bei der Werksbahn. Das Leitstandfahren hat sie in der Bekohlung im Kraftwerk gelernt, nachdem 1981 ihr erster Sohn geboren wurde. Nach der Geburt des zweiten Sohnes 1984 arbeitete sie wieder als Dispatcherin für Bekohlung und Entsorgung am Standort Jänschwalde.

Ansprechpartner für die Einsatzplanung

Karola Elsmann an ihrem Arbeitsplatz im Schichtleitzentrum, Foto: LEAG

Hier im Schichtleitzentrum sorgt die erfahrene Kraftwerkerin gemeinsam mit ihrem Schichtleiter dafür, dass die Fahrpläne eingehalten werden. Fahrpläne, so heißen die täglichen Vorgaben für jedes Kraftwerk, welcher Block wann und in welcher Last gefahren wird. Sie werden von Dispatchern geplant, deren Ziel es ist, den Kraftwerkspark so optimal wie möglich einzusetzen. Dafür berücksichtigen sie u.a. die variablen Kosten der Kraftwerke und den Strompreis am Markt, denn das Unternehmen muss seine Lieferverpflichtungen nicht nur zuverlässig, sondern auch zu wirtschaftlichen Konditionen erfüllen.

„Wir erstellen die aktuellen Verfügbarkeiten für all unsere Blöcke und bieten unsere Leistungen den Dispatchern der Kraftwerkseinsatzplanung in Prag an“, erklärt sie mir. Prag, das ist für sie im Übrigen nichts Anonymes. Ihr ältester Sohn arbeitet dort, ist nach der Ausbildung zum Mechatroniker und einem Studium mit Masterabschluss Chef der dortigen Dispatcher.

Geradeaus in ruhigem Betrieb

Im Schichtleitzentrum kommen alle wichtigen Informationen zusammen – nicht nur die über die Arbeit der einzelnen Blöcke. Auch die sogenannten Außenanlagen – das sind die Kohleversorgung und Ascheentsorgung – die Wasserwirtschaft und die Feuerwehr liefern ihre Daten hierher. Um 14:20 Uhr müssen wir unser Gespräch kurz unterbrechen. Das ist die Zeit, zu der alle Blockleiter und die Verantwortlichen der Außenanlagen und der Wasserwirtschaft anrufen und ihren technischen Anlagenzustand durchgeben. Alle Blöcke sind am Netz. Auch der Tagebau meldet sich und berichtet, dass in dieser Schicht 30 Kohlezüge den Tagebau verlassen werden. 18 davon werden ins Kraftwerk Jänschwalde kommen. Elsmann schaut auf den Bildschirm nach dem Kohlebestand im Grabenbunker. „Wir haben genügend Platz“, stellt sie fest.

 

Im Schichtleitzentrum kommen alle wichtigen Informationen zusammen, Foto: LEAG

Um 14:35 Uhr fasst sie die Erkenntnisse aus allen Telefonaten zusammen. „Wir sollen geradeaus fahren.“ Übersetzt heißt das, die Spätschicht wird ein ruhiger Betrieb. Draußen ist es grau bewölkt und windstill. Anders als am Wochenende zuvor, an dem es sehr windig war. „Wir hatten an allen vier LEAG-Kraftwerken insgesamt vier Blöcke außer Betrieb deswegen“, erzählt sie mir.  In Deutschland haben die erneuerbaren Energien Vorrang vor den fossilen Brennstoffen bei der Stromeinspeisung in die Netze. Für die Kraftwerker heißt das bei einem Überangebot an Strom, die Leistung zu drosseln. Heute ist damit nicht zu rechnen. Doch Elsmann schaut auf die Wetterprognose: „In den nächsten Tagen wird es sonnig, dann werden wir den Fahrplan wieder anpassen müssen“, stellt sie fest. Dass sie vorausschauend arbeitet, ist für Elsmann ganz normal.

Nicht auf Stillstand ausgelegt

„Die Schichtarbeit nagt an einem“, räumt Elsmann ein. Doch sie liebe ihre Arbeit und wollte in all den Jahren nie etwas anderes machen. Was ging ihr durch den Kopf, als im Herbst letzten Jahres Block F in die Sicherheitsbereitschaft verabschiedet wurde? „Das hat weh getan“, erzählt sie mir und wird dann – ganz Technikerin – wieder sachlich.  „Wir haben dennoch Arbeit mit ihm. So ein Kraftwerksblock ist nicht auf Stillstand ausgelegt. Wir müssen regelmäßig Funktionsproben durchführen.“

Karola Elsmann wollte nie etwas anderes als Kraftwerkerin sein, Foto: LEAG

Gemäß dem Lausitzer Revierkonzept arbeitet das LEAG-Kraftwerk Jänschwalde noch bis Anfang der 2030er Jahre. Elsmann wird dann schon Renterin sein. Wie sich die Vorschläge der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung – weithin als Kohlekommission bezeichnet – für die LEAG auswirken, das wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Für die jüngeren Kollegen sieht Elsmann mit einer Mischung aus Realismus und Optimismus in die Zukunft. „Die jungen Leute bekommen bei der LEAG eine sehr gute Ausbildung. Diejenigen, die ich hier kennenlerne, sind tüchtig, zuverlässig und lernen gern von uns Älteren. Wir geben ihnen Pflichtgefühl und die entsprechende ‚Kraftwerkerehre‘ mit auf ihren Weg.“

 

Wenn Sie mehr über Frauen aus dem Bergbau und den Kraftwerken der LEAG erfahren wollen, lesen Sie bitte hier: 

https://www.leag.de/de/blog/artikel/wahlheimat-lausitz/
https://www.leag.de/de/blog/artikel/eisenbahnerin-im-lausitzer-revier/
https://www.leag.de/de/blog/artikel/familienbegleiterin-in-schweren-zeiten/
https://www.leag.de/de/blog/artikel/chefin-auf-dem-leitstand-bei-der-leag/

 

 

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Autor

Elvira Minack

Nachdem ich über 30 Jahre als Pressesprecherin und verantwortliche Redakteurin in Ostbrandenburg und in Franken gearbeitet habe, kam ich 2009 ins Unternehmen. Seit dem Herbst 2017 arbeite ich in der externen Kommunikation. 

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