03.07.2019

Gigantisch, riesig, groß: das sind die Adjektive, die meist mit einem Tagebau in Verbindung gebracht werden. Die Förderbrücken gehören zu den größten Maschinen weltweit und werden, wie Bagger und Transporteinrichtungen auch, mit Strom betrieben. Allein rund 110 Kilometer Bandanlagen ziehen sich durch die Tagebaue. Technik pur, die für den Betrieb viel Energie braucht. Dabei wurden schon immer Ansätze moderner Technologien zur Verbesserung der Energieeffizienz berücksichtigt und genutzt – wie zum Beispiel digitale Zwillinge.

Was ist ein Digitaler Zwilling?

Laut Wikipedia ist der Digitale Zwilling eine digitale Repräsentanz eines materiellen oder immateriellen Objekts aus der realen Welt. Es ist unerheblich, ob das Gegenstück in der realen Welt bereits existiert oder zukünftig erst existieren wird. Digitale Zwillinge ermöglichen einen übergreifenden Datenaustausch. Sie sind aber mehr als reine Daten und können auch Modelle, Simulationen und Algorithmen enthalten, die ihr Gegenstück aus der realen Welt und dessen Eigenschaften und Verhalten beschreiben. Die Gesellschaft für Informatik hebt hervor, dass der digitale Zwilling eine Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung unserer Welt sei. Diese einschätzung legt sie mit einem ausführlichen Artikel dar. 

„Rund 75 Prozent des gesamten Energieverbrauchs gehen in die Gewinnung, den Transport und das Verstürzen des Schüttguts“, erklärt Uwe Köhler. Er ist in der Bergbauplanung zuständig für die Anlagentechnik. Seine Aufgabe ist auch das Energiemanagement des Unternehmens. Ein umfangreiches Aufgabengebiet, angesichts der Dimensionen – aber ein lohnendes, sowohl finanziell als auch ökologisch.

Digitale Machinenkopien sind Standard

Oberstes Ziel im Tagebau ist nach der Gewährleistung der Sicherheit, der reibungslose Betrieb der Anlagen. „Die Produktion mag es gar nicht, wenn man an bestehenden Anlagen im laufenden Betrieb Versuche und Tests durchführt“, so Köhler. „Digitale Maschinenkopien sind deshalb ein üblicher Standard, um Justierungen und Untersuchungen an komplexen Anlagen vorzunehmen. Nur so können wir in der Praxis wirksame Veränderungen erreichen.“ Die fortschreitende Digitalisierung bringe hier neue Möglichkeiten.

Mehr als ein Maßanzug

„Die Nutzung von Systemmodellen für die Objektanalyse ist seit über 50 Jahren durchaus üblich, die jetzige digitale Umsetzung macht das Thema ein wenig hipper“, erzählt Köhler mit einem Schmunzeln. „Im Rechner ist es inzwischen wesentlich einfacher, komplexe Modelle abzubilden und vor allem stetig anzupassen. Sie sind anders als die meisten analogen Modelle kein Maßanzug, der nur einmal richtig passt. Digitale Modelle bieten die Möglichkeit, immer wieder Anpassungen vornehmen zu können und dazu wesentlich mehr Randbedingungen zu berücksichtigen, als dies bei analogen Modellen bis dato der Fall ist.“  Doch wie hoch ist der Aufwand und wie groß der Nutzen stellt sich mir die Frage?  

Dies ist der reale Part: Die Bandlage A114 liefert die Datenbasis für ihren digitalen Zwilling. Ihre Parameter werden justiert, je nach Ergebnis der Simulationen, Foto: LEAG

Energiemanagement goes digital

Die Antwort gibt ein erster Anwendungsfall. Vor zwei Jahren startete die LEAG den ersten Test, im Fokus der Energieverbrauch von Bandanlagen. „Die Anforderungen an das Energiemanagement steigen stetig, nicht nur unter wirtschaftlichen Aspekten. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass sich die ISO-Normen verändern. „Man kann versuchen sich durchzumanövrieren oder damit zielgerichtet umgehen“, so Köhler. „Wenn wir uns intensiv um die Bandanlagen kümmern, arbeiten wir an der richtigen Stelle.“ Einen weiteren Ausschlag für die Entscheidung gab die umfangreiche Datensammlung, die hier bereits vorlag.

Abbild aller Parameter

Auch eine Konsequenz der Digitalisierung: Uwer Köhler sitzt inzwischen mehr am Schreibtisch als dass er vor Ort im Tagebau ist, Foto: LEAG

Mit der ESi ITI GmbH, einem Ingenieursunternehmen, das sich auf die Erstellung von digitalen Abbildern komplexer Maschinen spezialisiert hat, fand die LEAG den richtigen Partner. Als realer Zwilling dient eine Bandanlage aus dem Tagebau Welzow-Süd. „Es hat ungefähr ein viertel Jahr gebraucht, bis das Modell sich genauso verhielt wie sein Bruder in der Realität“, erinnert sich Köhler. Nach dem Aufbau ging es an die eigentliche Aufgabe, der Suche nach Verbesserungen für das Energiemanagement.

Zunächst wurde die Antriebskonfiguration untersucht und ein Portfolio von technischen Maßnahmen durchgetestet. Dabei wurden verschiedene Kriterien wie Machbarkeit und Zeitbedarf mitberücksichtigt, um geeignete Maßnahmen für die Umsetzung zu finden. Ziel war ein vernünftiger, nachvollziehbarer Entwicklungsplan.

Alternative zur Glaskugel

„Prinzipiell hat sich das Verfahren als hinreichend sicher erwiesen“, zieht Köhler ein erstes Resümee. Die Kooperation mit den Partnern habe sich bewährt. „Mit Hilfe von digitalen Zwillingen kann ich die Performanceverbesserung der Anlage sowie deren Erhalt vorausschauend organisieren. Wenn einmal Beschreibungsregeln gefunden sind, können diese auf ähnliche Anlagen übertragen werden. Und Bandanlagen gibt es im Tagebau reichlich.“ Doch es gehe noch weiter, so Köhler: „Mit ein bisschen Denken sind die Ergebnisse durchaus auf andere Anlagen oder Maschinenkomplexe übertragbar.“ Der digitale Zwilling sei sehr flexibel. „Immer, wenn ich mir etwas vornehme, gibt es hier eine entsprechende Bearbeitungsmöglichkeit mit konkreten Ergebnissen. Es ist eine echte Alternative zur Glaskugel.“

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Autor

Daniela Hertzer

Meine berufliche Wiege stand in Brunsbüttel, genauer im dortigen Kernkraftwerk. Von da ging es stromaufwärts über Hamburg und Berlin in die Lausitz. Seit Beginn dieses Jahrtausends arbeite ich in der Unternehmenskommunikation: erst analog, jetzt digital. Mein Antrieb ist die Neugierde und der Spaß am Ausprobieren. Und ich bin ein großer Fan der Sesamstraße. In diesem Sinne: ... 1000 tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen, manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen....

 

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