30.07.2019

Franziska Uhlig-May leitet den Rekultivierungsfachbereich der LEAG, Foto: LEAG

2019 ist das Jahr des Kippenbodens. Jährlich kürt ein Kuratorium den Boden des Jahres. Die Entscheidung, den Kippenboden zu wählen, sei mutig, sagt Franziska Uhlig-May. Die Chefin der Rekultivierung bei der LEAG verrät mir, warum und was den Kippenboden für sie auszeichnet.

 

„Eigentlich ist der Kippenboden ein Nischenboden“, erklärt Franziska Uhlig-May. „In Deutschland gibt es diesen Boden großflächig nur in den Braunkohleregionen. Insofern finden wir es gut, dass der Kippenboden nun ein bisschen Prominenz erlangt und über die bergbaulichen Grenzen hinaus an Bedeutung gewinnt.“ Denn für Uhlig-May und ihr Team ist der Kippenboden die Arbeitsgrundlage. Dabei sei die in jedem Tagebau spezifisch. „Die Geologie ist immer verschieden. Dennoch versuchen alle Tagebaue mit ihrer Technologie uns das bestmögliche Ausgangsmaterial zu schütten“

Der Tagebau im Querschnitt, Grafik: LEAG

Die Ausgangsbasis der Rekultivierung

Absetzer kippen die oberste Bodenschicht für die Wiedernutzbarmachung, das Substrat dafür stammt aus dem Vorschnitt des Tagebaus, Foto: Andreas Franke für LEAG

Die oberen Bodenschichten werden im Vorschnitt abgetragen, wobei der Abraum so gut wie möglich selektiert wird. Bandanlagen transportieren die gewonnenen Substrate auf die andere Seite des Tagebaus, wo die Kohle bereits abgebaut ist und die Wiederverfüllung begonnen hat. Hier tragen Absetzer das Vorschnittmaterial nach konkreten Vorgaben zuoberst auf, so dass eine mindestens zwei Meter mächtige, kulturfähige Schicht die Kippe überzieht. Im Anschluss wird diese planiert und ihr Relief ausgeformt. „Das ist ein klassischer Rohboden, unsere Basis“, so Uhlig-May. Hier setze dann die Arbeit ihres Bereiches an.

Bodenkundliche Expertise schafft Basis

„Mit unseren Kartierern schauen wir uns den Kippenboden ganz genau an. Sie sind spezialisierte bodenkundliche Experten, die im engen Raster die Flächen intensiv analytisch bewerten“, erläutert Uhlig-May. „Aus der Analyse leiten sich dann die Vorgaben für die folgende Düngung und Kalkung ab.“ Dadurch werde der Boden aufgewertet. Vor allem die Kalkung und damit die Einstellung des pH-Wertes des Bodens sei wichtig. Was dann weiter passiere, richte sich danach, ob eine landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder naturschutzmäßige Nutzung folge.

Melioration, der Boden wird für die landwirtschaftliche Flächenentwicklung vorbereitet. Mit dabei: Landwirte der Region, Foto: Andreas Franke für LEAG

Nutzung entscheidet über Fortgang

„Bei der Landwirtschaft beispielsweise nehmen wir die Flächen in Kultur und betreuen sie sieben Jahre lang mit einer ganz speziellen Fruchtfolge. Hierbei geht es nicht um die Erträge, sondern um die Bodenentwicklung“, betont Uhlig-May. Kalken und Düngen sei das eine. Um nachhaltig zu wirtschaften, brauche es aber auch organische Anteile im Boden. Diese würden sich durch die Kultivierung zunehmend anreichern. Es bilden sich langsam so genannte Horizonte aus. „Dies unterstützen wir über die Jahre. Gerade in der Landwirtschaft ist entscheidend, hier den Anbau stickstoffbildender Pflanzen zu fördern, um nach den sieben Jahren Erträge zu erreichen, die mit den vorbergbaulichen vergleichbar sind.“

Die Pflanzendecke aus Klee schützt nicht nur vor Erosion, sondern ist auch ein guter Stickstofflieferant, Foto: Andreas Franke für LEAG

Bepflanzungsplan gezielt abgestimmt

Bei der Forstwirtschaft sei es so, dass eine Schutzpflanzendecke ausgebracht wird. „Wir setzen hier Pflanzenmischungen ein, die den Boden vor Erosion schützen und für die kleinen Forstpflanzen eine Schutzfunktion übernehmen.“ Auch beim Setzen der jungen Bäume werde nichts dem Zufall überlassen. Die ausgewählten Baumarten seien gezielt auf die Bodenverhältnisse abgestimmt. Das regle der Aufforstungssplan. „Denn auch hier gilt, dass nicht jeder Baum in jedem Boden wächst“, so Uhlig-May.

Auch Rohboden bekommt Raum

Das Thema Kippenboden bleibe interessant, auch bei den Naturschutzflächen. „Hier ist es allerdings auch möglich, Flächen zu gestalten, auf denen sich nicht so schnell Vegetation niederlässt, um dort auch Tierarten, die Rohbodenflächen lieben, wieder Raum zu geben. Das ist eine Besonderheit, die man in dem als Kulturlandschaft ausgeprägten Deutschland so kaum mehr findet. Es fehlt schlicht Freifläche dafür“, stellt Uhlig-May heraus. Bei den Naturschutzflächen ginge es darum, die Besiedelung gezielt zu steuern und durch die sorgfältige Vorbereitung den Prozess zu unterstützen.

Flächen ohne intensive Nutzung bieten vielen Tieren willkommene Lebensräume, Foto: Andreas Franke für LEAG

Strenge Vorgaben bezüglich Folgenutzung

Von langer Hand geplant: Die Rekultivierungsflächen am Wolkenberg im Tagebau Welzow-Süd, hier im Jahr 2016, Foto: Andreas Franke für LEAG

Ob nun Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder eine Naturschutzfläche dem Tagebau folgt, geben die Braunkohlenpläne vor. „Wir erhalten keine Genehmigung für den Abbau der Braunkohle, ohne uns nicht vorher mit den zuständigen Behörden verständigt zu haben, was wir später in der Rekultivierung machen“, so Uhlig-May. „Die Vorgaben sind streng und verbindlich.“ Mit der Rekultivierung entstünden neben festgelegten Naturschutz-Arealen vor allem forst- und landwirtschaftliche Nutzflächen. Mehr als die Hälfte der bergbaulich in Anspruch genommenen Flächen würden aufgeforstet, etwa zehn Prozent werde zu Agrarflächen rekultiviert. Die Rückgabeflächen sichern die Existenz bereits bestehender landwirtschaftlicher Betriebe und damit den Erhalt ländlicher Räume. „Wald und Landwirtschaft haben schon früher die Lausitz geprägt, da knüpfen wir an.“

Prozesse forcieren, aber nicht künstlich beschleunigen

Der Kippenboden legt die Grundlage der Rekultivierung. Doch damit nicht genug. „Die Bodenentwicklung muss auch in der Folgenutzung weitergehen“, erläutert Uhlig-May. „Wenn man sich eine gewachsene Landschaft anschaut, sind die Bodenhorizonte über tausende von Jahren entstanden. Wir forcieren diesen Prozess. Dennoch lässt er sich nicht künstlich beschleunigen, da damit viele natürliche Prozesse verbunden sind, die ihre Zeit brauchen.“ Das alles sei eine Wissenschaft für sich, wie auch die aktuelle Wanderausstellung zum Boden des Jahres 2019 zeige. „Bis zum 29. August 2019 gastiert diese in unserer Hauptverwaltung in Cottbus. Ich kann jedem empfehlen, sie sich anzusehen." Gelegenheit zum Ausstellungsbesuch besteht montags bis freitags in der Zeit von 8 bis 17 Uhr nach Anmeldung am Empfang.

 

1/8 Wiederaufforstung ehemaliger Kippenareale, Foto: Rainer Weisflog für LEAG
2/8 Herbstliches Farbenspiel in der Rekultivierung des Tagebaus Nochten, Foto: Andreas Franke für LEAG
3/8 Findlinge und Gehölze als Nahrungsquelle und Nistmöglichkeit für Vögel und Insekten, Foto: Andreas Franke für LEAG
4/8 Ansiedlung lausitztypischer Wildpflanzen im „grünen Herz“ des Tagebaus Jänschwalde, Foto: Andreas Franke für LEAG
5/8 Entdeckungen in der Lausitzer Bergbaufolgelandschaft, Foto: Andreas Franke für LEAG
6/8 Bienen in der Bergbaufolgelandschaft, Foto: Andreas Franke für LEAG
7/8 Wiederhergestellte Flächen für die Landwirtschaft, Foto: Andreas Franke für LEAG
8/8 Weinernte auf dem Wolkenberg, Foto: Rainer Weisflog für LEAG

Lesen Sie auch:

 

Welche Herausforderungen und Chancen bringt der Kippenboden mit sich? Erfahren Sie Näheres in unserem Blog-Interview mit Dr. Thomas Heinkele vom Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften e.V.  (FIB).

 

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Autor

Daniela Hertzer

Meine berufliche Wiege stand in Brunsbüttel, genauer im dortigen Kernkraftwerk. Von da ging es stromaufwärts über Hamburg und Berlin in die Lausitz. Seit Beginn dieses Jahrtausends arbeite ich in der Unternehmenskommunikation: erst analog, jetzt digital. Mein Antrieb ist die Neugierde und der Spaß am Ausprobieren. Und ich bin ein großer Fan der Sesamstraße. In diesem Sinne: ... 1000 tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen, manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen....

 

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