„Frag mich nicht wie, frag mich nicht wann. Es ist doch nur ein Lied. Aber mit nem Lied fang ich erstmal an“, heißt es in einem Text von Gerhard „Gundi“ Gundermann. So ähnlich habe ich es auch gemacht und auf der Fahrt zum Tagebau Nochten erstmal Lieder des Lausitzers gehört. Hier dreht der Regisseur Andreas Dresen eine Woche lang für einen Spielfilm über das kurze und bewegte Leben des Bergmanns und Künstlers.
An den alten Tagesanlagen in Nochten hat die Filmcrew ihre Basis aufgeschlagen. Neben einer Kaffee- und Teestation, Masken- und Aufenthaltsräumen und diverser Technik stehen auch die Fahrzeuge, die als Garderobe dienen. „Conny“, „Gundi“ und auch „Volker“ kann ich lesen.
Nebenan wartet Karl-Heinz Wauro schon mit dem Jeep auf mich. Bis August 2016 war er Operativingenieur in der Aus- und Vorrichtung in Nochten. Seither betreut der Rentner Besucher im Tagebau. Heute ist er mein Fahrer und damit einer von fast 70 LEAG-Mitarbeitern, die auf irgendeine Weise mit den Dreharbeiten zum Film über Gerhard Gundermann zu tun haben. Den größten Aufwand haben die Transporte ausgemacht: Darsteller, Komparsen, Filmtechnik, verschiedene Fahrzeuge, Catering – alles musste, zum Teil per Tieflader, in den Tagebau. Unsere erste Station ist im Oberflöz am Eimerkettenbagger Es 340.
Per Tieflader wurden auch diese „Oldtimer“ in den Tagebau gebracht, Foto: Peter Hartwig/Pandora-kineo Film
Dort angekommen schaffe ich es gerade noch, Peter Hartwig – Co-Produzent und Produktionsleiter der PANDORA Film - zu begrüßen. Dann höre und sehe ich Gundi – gespielt von Alexander Scheer - schimpfend zwischen den Raupenfahrwerken davonlaufen. Conny (Anna Unterberger) hinter ihm her. „Gundi warte doch.“ Andreas Dresen hinterm Monitor lässt die Szene mehrfach wiederholen. Sie endet mit dem ersten Kuss zwischen Gundi und seiner späteren Frau. Ich bekomme den allerdings nicht zu sehen. Es passiert auf der anderen Seite des Baggers.
Komparsen an Bord
Susann Gawron fährt einen Mannschaftstransportwagen, Foto: Peter Hartwig/Pandora-kineo Film
Schaue ich mich eben mal in Ruhe um vor Ort. Neben dem Bagger stehen eine MZ und drei alte Pkw. Einer davon ist ein Volvo . Mit ihm – so höre ich – war Werner Walde, ehemaliger Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung Cottbus, im Tagebau. Diese Szene wurde am Vortag gedreht.
Zwei Mannschaftstransportwagen stehen ebenfalls hier. Gefahren werden sie von denen, die das auch sonst tun. Nur die Fahrgäste sind in dieser Woche andere. Es sind die Komparsen. Eine der Fahrerinnen ist Susan Gawron. Schon nach zwei Tagen wird sie von allen im Dreh-Team nur Susi genannt. Sie fährt nicht nur, fasst auch mal mit an oder gibt Tipps. „Ich hatte keine konkreten Vorstellungen, wie das sein würde beim Film und bin sehr beeindruckt, mit welchem Aufwand ein Dreh verbunden ist“, erzählt sie mir.
Unter den Komparsen kommt mir einer sehr bekannt vor. Ist das nicht? Es ist Weißwassers Oberbürgermeister Torsten Pötzsch. Er erzählt mir, dass er von den Filmleuten angesprochen wurde. „Ich dachte, sie brauchen meine Hilfe als Stadtoberhaupt, aber sie wollten mich als Komparse“, erzählt er mir. Er hat sich zwei Tage Urlaub genommen für die Dreharbeiten. „Dieser Film ist doch auch eine wunderbare Werbung für unsere Region“, lautet seine Erklärung.
Maske leistet ganze Arbeit
Inzwischen ist die Kussszene im Kasten. Alexander Scheer kommt auf mich zu. Die Maskenbildner haben wirklich ganze Arbeit geleistet: neue Nase, andere Zähne, Haarverlängerung. Er sieht Gundi nicht nur unglaublich ähnlich, er bewegt sich und spricht wie er. Ich will wissen, seit wann er weiß, dass er die Hauptrolle spielen wird. Er lacht: „Als ich gehört habe, dass Gundis Leben verfilmt wird, habe ich sofort eine Mail an Andreas Dresen geschrieben. Das ist eine Rolle, die darf man sich nicht entgehen lassen. So eine Figur, die kannst Du nicht erfinden“, kommt er ins Schwärmen. Endlich spiele er mal jemanden mit einem richtigen Beruf, einer anständigen Arbeit. Dass er auch singen kann und bereits 18 Titel eingesungen hat, erfahre ich auch.
Gundi absolut ähnlich: Alexander Scheer. Rechts im Bild Anna Unterberger, die Conny, Foto: Peter Hartwig/Pandora-kineo Film
Währenddessen packen die Mitarbeiter des Filmteams, wie von unsichtbarer Hand gelenkt, das Equipment zusammen, decken die alten Fahrzeuge ab. Einer ruft: „alle aus dem Bild“. Ein Drohnenflug steht an – Impressionen aus dem Tagebau mit Gundi allein ganz oben auf dem Bagger.
Drehen heißt auch warten
Ich stelle mich mit einem Teil der Crew dort unter, wo Gundi vorher weggelaufen war, zwischen den Fahrwerken. „Kann ja nicht so lange dauern“, denke ich. Das erweist sich als Irrtum. Denn erstens gehört das Warten beim Film einfach dazu und zweitens hat im Aufräumübereifer jemand das Transparent mit der Aufschrift „Auf sicherem Kurs zum 30. Jahrestag dynamisch, rationell, effektiv“ vom Verladeausleger abgehangen. Andreas Dresen schüttelt verständnislos mit dem Kopf. Auf der Suche nach einem warmen Ort lande ich im Aufenthaltsraum des Baggers. Er dient eigentlich als Arbeitsraum für die Maskenbildnerinnen. Jetzt wärmen sich auch andere Mitarbeiter hier auf.
Genau wie damals: So sah Gundis Bagger innen wohl in den 70er Jahren aus, Foto: Andreas Franke
Später bin ich dabei, als Andreas Dresen, Anna Unterberger und Alexander Scheer sich die Aufnahmen der Drohne anschauen, bereits mit Gesang. „Perfekt“, sagt der Regisseur und Scheer ergänzt: „Besser kann man es nicht machen“.
Zeit für die Mittagspause, die schon am nächsten Drehort sein wird, im Vorschnitt, an einem Schaufelradbagger, der in dieser Woche trotz der Dreharbeiten in Nochten in Betrieb ist und wie gewohnt, die erste Schicht Sandboden abbaggert. Und Zeit für ein kurzes Gespräch mit Andreas Dresen. Er ist des Lobes voll für die LEAG und ihre Mitarbeiter. „Wie wir hier aufgenommen wurden, was alles möglich gemacht wurde, das ist sensationell“, fasst er seine Eindrücke zusammen. Schon bei den ersten vorbereitenden Gesprächen hätte er gemerkt, alle haben Lust auf einen Film über einen von ihnen.
Die 70er Jahre im Fahrerstand
Gerhard Gundermann in den 1980er Jahren vor seinem Bagger, Foto: Andreas Höfer
Was alles möglich gemacht wurde, bekomme ich am Nachmittag zu sehen – und zwar von beiden Seiten, vom Filmteam und von den LEAG-Mitarbeitern. Dafür fahre ich mit Matthias Quander im Hauptflöz zum Schaufelradbagger 1535. Dessen modernen Fahrerstand haben die Szenenbildner auf 1970 umgebaut. Der Ingenieur, der für den Bereich Produktion des Tagebaus während der Dreharbeiten die Verantwortung hat, hat den fertigen Umbau noch nicht gesehen. Eins, zwei, drei ist er nach oben geklettert. Sekunden später schaut er zu mir herunter: „Unglaublich!“ ruft er aus. Nur dreimal seien die Szenenbildner hier gewesen. So ein Ergebnis hätt er nicht erwartet: Die gesamte Computertechnik ist verschwunden und gegen alte Technik getauscht. Das Sitzkissen auf dem Fahrerstuhl ist abgewetzt auch die Gardinen haben schon bessere Zeiten gesehen. Die Szenenbildner haben zum Teil Dinge neu gebaut aber auch bei Ebay ersteigert.
Aber Matthias Quander imponiert noch mehr: „Das Miteinander mit PANDORA ist sehr gut. Die Filmleute arbeiten absolut professionell. So präzise, wie man uns vor Wochen gesagt hat, was genau gebraucht wird, so präzise wird hier auch gearbeitet“, erzählt er mir. Das ihm der ganze Dreh große Freude macht, ist nicht zu überhören.
Jetzt wird es noch einmal spannend. Die „Schnee-Szene“ steht an. Es geht um den kalten Winter 1978/79. LEAG-Mitarbeiter haben für alles gesorgt, was zum Schneeerzeugen notwendig ist und haben Licht ins Dunkel gebracht, drei Armeefahrzeuge wurden hierher transportiert , THW- und Feuerwehrmitarbeiter stehen bereit. Aus den Bergarbeiterkomparsen vom Vormittag sind Soldaten der NVA geworden – Tücher gegen den Frost vor dem Mund, Schapkas auf dem Kopf.
Kurze Absprache vor dem Dreh: Alexander Scheer, Milan Peschel, Eva Weißenborn (v.li.) und Andreas Dresen von hinten, Foto: Peter Hartwig/Pandora-kineo Film
Im Sommer 2018 im Kino
Andreas Dresen erklärt allen noch einmal, worum es geht. Es gibt jetzt keinen festen Text, der Barkas habe sich fest gefahren und alle sollen versuchen, ihn zu schieben, schaffen es aber nicht. „Gib uns noch drei Minuten“ ruft jemand aus dem Team dem Regisseur zu. Nach drei Minuten kommt sein: „Achtung, wir drehen“. Ein mächtiges Gewusel um den Barkas herum, alle laufen vermeintlich kreuz und quer, schieben und plötzlich bewegt sich das Fahrzeug. „Ach nein, der sollte doch stehen bleiben“, entfährt es Dresen. Wie oft die Szene im Schnee wiederholt werden musste, habe ich nicht mehr erfahren. Für mich geht der interessante Drehtag jetzt zu Ende.
Wie es ausgeht, werde ich nächsten Sommer im Kino sehen, in dem Film über Gerhard Gundermann, von dem Andreas Dresen sagt: „Er war ein wunderbarer Poet und saß leidenschaftlich gern auf seinem Bagger. Er brauchte die Erdung für seine Kunst.“
Weitere Information
Alles rund um den Film, die Dreharbeiten etc. gibt es auf facebook unter GundermannDerFilm.