12.04.2018
Sicher gerüttel
Sicher gerüttelt

Die Innenkippe des Tagebaus Cottbus-Nord wurde von den Tagebaugroßgeräten geschüttet. Sie umfasst einen großen Teil des Seebodens einschließlich zweier Inseln, das Ostufer und die sich anschließenden Rekultivierungsflächen. Weil der geschüttete Boden lockerer gelagert ist, als die über Jahrtausende gewachsenen Bodenstrukturen im Norden, Westen und Süden des künftigen Sees, werden die entsprechenden Uferbereiche im Osten mit dem Verfahren der Rütteldruckverdichtung zusätzlich stabilisiert. Bei der Rütteldruckverdichtung wird eine vibrierende Lanze zunächst 30 bis 50 Meter tief in den Boden getrieben. Im „Rückwärtsgang“ löste sie dann halbmeterweise  feine Schwingungen aus und lässt die Sandkörnchen enger zusammenrutschen. Dies geschieht, bis die Lanze wieder an der Erdoberfläche auftaucht. Parallel wird neues Erdreich nachgefüllt, so dass sich eine feste Bodenstruktur bildet. Durch die Aneinanderreihung solcher „Rüttelsäulen" entsteht ein unterirdischer Damm, auch „versteckter Damm“ genannt. Er sichert das Erdreich in den Uferbereichen. 

Der Cottbuser Ostsee, der aus dem früheren Tagebau Cottbus-Nord entsteht, ist ein Mammutprojekt: Größter See Brandenburgs und vorerst größter Bergbausee Deutschlands wird er nach seiner Flutung sein. Doch vor dem großen „Wasser marsch“ erfolgt die Vorbereitung und Sicherung des künftigen Seebetts mit seinen Ufern. Mitten drin ist Heike Beutler.

Zur Zeit sorgt sie im Auftrag der LEAG für die Standsicherheit der Innenkippe während der Gestaltungsarbeiten – besonders für das aus Kippensanden bestehende Ostufer. Ich bin an einem eiskalten, aber sonnigen Tag mit der Sachverständigen für Geotechnik bei der Freiberger Firma GICON unterwegs.

Die eisigen Temperaturen, die heute auf der Ostsee-Baustelle herrschen, werfen bei mir gleich die erste, weniger technische Frage an Heike Beutler auf: „Eine Tätigkeit im Freien – war das Ihre Vorstellung, als Sie sich für ein Studium der Geotechnik in Freiberg entschieden haben?“ Die 48-Jährige lässt keine Zweifel aufkommen: „Unbedingt. Ich wollte niemals irgendwo den ganzen Tag lang in einem Büro sitzen.“ Und sie habe etwas Handfestes machen wollen, etwas, was man berechnen kann. Ein wenig im Scherz ergänzt sie: „Geologen und Hydrologen können immer sagen: ‚Das könnte so passen.‘ Das, was wir machen, muss so passen.“

Inzwischen passt auf der Baustelle schon eine ganze Menge. Dazu zählt auch, dass an den  künftigen Inseln  die Verdichtungsarbeiten abgeschlossen sind. Mittels Rütteldruckverdichtung wurde ein sogenannter „versteckter“ Damm hergestellt und anschließend mit einer Fallgewichtsverdichtung die Geländeoberfläche gesichert. Beide künftige Inseln sind bereits endprofiliert. Bis zum Endes des Jahres  2018 wird noch einmal richtig losgelegt. Bis zu sechs Rütteldruckgeräte werden gleichzeitig im Einsatz sein, erklärt mir die Technikerin am künftigen See.

Ein Traumprojekt

Heike Beutler, die eben noch eine Lanze für das Handfeste gebrochen hat, sieht ihre Aufgabe am Cottbuser Ostsee als „ein Traumprojekt“. Drei einfache Gründe nennt sie mir dafür: „Ich komme von hier und habe den Tagebau zur aktiven Zeit erlebt. Mit der sicheren Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft schließt sich für mich ein Kreis.“
Welcher Kreis das ist? Nach dem Abitur und einer Ausbildung zum Geologie-Facharbeiter im damaligen BKW Cottbus mit den Tagebauen Cottbus-Nord und Jänschwalde hat Heike Beutler Geotechnik an der TU Bergakademie Freiberg studiert. Für den Tagebau Cottbus-Nord hat sie während ihrer Ausbildung unter anderem geologische Schnitte entworfen, ihre Facharbeit über die Abbauwürdigkeit der dritten Flözbank geschrieben und während des Studiums die Setzungen im Südrandschlauch des Tagebaus Jänschwalde analysiert.  

Heike Beutler ist Geotechnikerin mit Leidenschaft. Ihren Auftrag am künftigen Ostsee nennt sie ein "Traumprojekt", Foto: LEAG

Kind des Tagebaus

Der Rüttler brauch Bodenkontakt, um arbeiten zu können. Deshalb schüttet ein Radlader Erde auf, Foto: LEAG

Das Interesse für den Tagebau hat Heike Beutlers Vater in ihr gelegt. Dietmar Beutler war mit seiner Familie 1973 nach Cottbus gezogen, um den Grubenbetrieb im benachbarten Tagebau Jänschwalde zu leiten. Von der Familienwohnung im Cottbuser Stadtteil Sandow aus konnte man den Absetzer sehen, eines der Geräte, mit denen der Tagebau 1974 aufgeschlossen wurde.

„Ich bekam als Kind öfter von ihm die Aufgabe, zu notieren, wann und wie lange der Absetzer schüttet“; erzählt mir Heike Beutler lachend. Aus jener Zeit stammt auch ihr erster Berufswunsch als Kind: Dispatcher. Ihr Vater gab sie oft bei der Dispatcherin ab, wenn er in den Tagebau wollte. „Ich fand die vielen Telefone, blinkenden und leuchtenden Knöpfe so spannend. Immerzu rief jemand an und wollte wissen, was zu tun ist. Und diese Frau hatte die Fäden in der Hand und auf alles eine Antwort – großartig fand ich das“, berichtet die Technikerin. Später hat sie ihren Vater auch in den Tagebau begleitet und durfte mit ihm bei Stippvisiten auf der Abraumförderbrücke F 60 mitfahren.

Wenn sie auch nicht Dispatcherin geworden ist – die Fäden hat sie sehr wohl in der Hand. Zur Zeit als Sachverständige für die Standsicherheit der Innenkippe beim Entstehen des Bettes für den künftigen Cottbuser Ostsee. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Kippe zu erkunden, ihre Festigkeit vor und nach der Verdichtung zu ermitteln, Standsicherheiten zu berechnen, die Sicherungsmaßnahmen inklusive Erdbau zu planen und die konkreten Verdichtungsmaßnahmen festzulegen.

Erkunden, planen, festlegen und kontrollieren

Den Rütteldruckverdichtern folgt ein Fallgewichtsgerät (TDE). Der Klotz ist 2x2 Meter groß und sinkt ca. einen Meter tief in die Erde ein, Foto: LEAG

Um die Einhaltung der Ausführungstechnologie zu kontrollieren, wertet sie auch die Prozessdaten der ausführenden Firmen aus. Eine hauseigene Datenbank (SCMS) von GICON macht es möglich, die erforderlichen Verdichtungsnachweise zu erstellen. So kann Heike Beutler die Verdichtungsqualität der hergestellten „versteckten“ Dämme besser kontrollieren und bekommt gegebenenfalls Fehlstellen beziehungsweise eine nicht ausreichende Verdichtung aufgezeigt.

„So gewährleisten wir eine sichere Nachnutzung“, erläutert sie mir. „Wir“ heißt in diesem Fall ein eingespieltes Team von Ingenieuren und Technikern des Ingenieurbüros GICON. Seit 2008 arbeitet Heike Beutler hier. Erfahrungen mit so genannten Restlöchern des Bergbaus bringt sie unter anderem aus Kleinleipisch und Drochow mit.

Alle zwei Wochen ist sie vor Ort im künftigen Cottbuser Ostsee, nimmt an der Bauberatung teil, arbeitet ihrem LEAG-Partner Torsten Bahl zu und diskutiert mit ihm und den anderen am Bau beteiligten Firmen. Torsten Bahl ist bei der LEAG für die Planung, Umsetzung und den Abschluss der Verdichtungsmaßnahmen in allen Tagebauen zuständig und hat 20 Jahre Erfahrungen auf diesem Gebiet. Er betont, dass er und Heike Beutler auf Augenhöhe miteinander arbeiten. „Wir nutzen gegenseitig die Erfahrungen des anderen“, erklärt er mir.

Faszination Geologie

Immer wieder während unseres Gesprächs spricht Heike Beutler von der Faszination Geologie, erzählt mir, dass der Tagebau Cottbus-Nord der geologisch interessantere der „Tagebaugeschwister“ Cottbus-Nord und Jänschwalde gewesen sei. „Durch die Wirkung vom Gletschereis gab es viele Aufpressungen des Kohleflözes. Was im geologischen Schnitt anhand der geophysikalischen Vorerkundung zwischen zwei Bohrungen theoretisch ermittelt wurde, konnte man sich dann später, nachdem der Bagger den Bereich freigeschaufelt hatte, in der Praxis vor Ort anschauen beziehungsweise überprüfen.“ 

Die Faszination steht für sie nicht im Widerstreit mit dem Handfesten, dem zu Berechnenden. „Wir bekommen eine sichere Gestaltung hin!“, betont sie beim Abschied.

Roter Erwin haben die Bergleute dieses Trägergerät getauft. Seine Lanze ist 50 Meter lang, Foto: LEAG

 

Mehr Information

Wenn Sie mehr wissen wollen über den Cottbuser Ostsee, lesen Sie:

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Autor

Elvira Minack

Nachdem ich über 30 Jahre als Pressesprecherin und verantwortliche Redakteurin in Ostbrandenburg und in Franken gearbeitet habe, kam ich 2009 ins Unternehmen. Seit dem Herbst 2017 arbeite ich in der externen Kommunikation.