Unverzichtbar für die Energiewende: Der 7. Wissenschaftstag in Cottbus erörtert die Rolle der Speichertechnologien zur Erreichung der energiepolitischen Ziele in Deutschland. Seit sechs Jahren diskutieren einmal im Jahr in der Cottbusser Zentrale Kollegen und Wissenschaftler zu unterschiedlichen Themen aus dem Geschäftsfeld des Unternehmens. Dieses Jahr geht es um Speichertechnologien.
Schon im Foyer erfolgt eine kleine Einstimmung auf das Thema. Ein Modell zur Erläuterung der Zusammenhänge von Produktion und Markt lädt ein, einmal selbst Wettergott zu spielen: Ich habe die Möglichkeit, über Wind- und Sonnenstärke das Energieerzeugungsportfolio festzulegen. Anhand realer Daten aus dem Jahr 2012 wird mir der mögliche Strommix gezeigt. Ich sehe, welche Kapazitäten neben den erneuerbaren Energien noch am Markt ihre Kapazitäten platzieren können – darunter auch die Lausitzer Braunkohle.
Speichertechnologien im Überblick
Ein guter Einstieg ins Thema des Tages: Hubertus Altmann, Vorstand Kraftwerke bei Vattenfall Mining & Generation und Schirmherr der Veranstaltung begrüßt die rund 100 Gäste. Unterstützt von Moderator Dr. Holger Hettinger vom Deutschlandfunk begleitet er die vier Vorträge und die anschließende Diskussion.
Den Beginn macht Prof. Dr. Alexander Kratzsch von der Hochschule Zittau/Görlitz mit einem Überblick zu den Speichertechnologien. Ob mechanisch, chemisch, biologisch, elektrisch oder thermisch: Sie alle sollen einen Ausgleich bei Über- oder Unterkapazitäten im Stromversorgungssystem leisten. Allen gemein ist bislang ihre geringe Verfügbarkeit.
Die gesamte Präsentation finden Sie hier.
Tägliche Herausforderung Netzstabilität
Pumpspeicherwerke haben aktuell das größte Speicherpotenzial, insgesamt sind 7.000 Megawatt (MW) Leistung in Deutschland installiert. Der Druckluftspeicher in Hunstorf schafft 321 MW. Der aktuell größte Batteriespeicher hat fünf MW Leistung. 2013 lag die erzeugte Leistung von Wind- und Solaranlagen in Deutschland jedoch in Summe bei circa 36 Gigawatt laut Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme. Kratzsch geht davon aus, dass die bestehenden Netzregelungsmöglichkeiten an ihre Leistungsgrenzen kommen und die Netzstabilität nicht mehr sichergestellt werden kann.
Teure Kinderschuhe
Stromspeicher könnten hier eine Lösung bieten, sind jedoch in der Entwicklung teuer und stecken vor allem noch in den technologischen Kinderschuhen. Kratzsch rät deshalb zur weiteren Flexibilisierung von vorhandenen Kraftwerksanlagen durch die Integration thermischer Energiespeicher.
Elektromobile Speicher in ferner Zukunft
Doch zunächst erläutert Prof. Dr. Harald Schwarz von der BTU Cottbus wie und warum er mit dem e-Sol-Car-Projekt mit 45 Fahrzeugen einen mobilen Speicher erschaffen hat. Die Idee ist nicht neu, dennoch fehlt es bislang an der notwendigen Technologie für die Umsetzung. Der erste Schritt dazu ist jetzt getan, seit 2011 wurden im Projekt drei verschiedene Fahrzeugtypen entwickelt und erprobt.
Die e-Sol-Cars sind Teil der Lausitz. Die Präsentation zum Vortrag finden Sie hier. Foto: LEAG
Bis zur Serienreife werden mehr als ein paar Jahre vergehen. Schwarz arbeitet laut eigener Aussage jedoch daran, dass seine Enkel nicht erst Großeltern werden müssen, bevor eine nennenswerte Speicherkapazität mit Elektromobilen geschaffen wurde.
Fahrspaß statt Speicher?
Herausforderung ist hier nicht nur die Technologie: Menschen sind Gewohnheitstiere und – solange die Nutzung eines solchen mobilen Energiespeichers mehr Voraussicht benötigt als die Nutzung eines konventionellen Fahrzeuges – wird es mit der Akzeptanz schwer. Wer von uns möchte auf Flexibilität und Mobilität zugunsten eines stabilen Energieversorgungssystems verzichten? Jedes Mal vorher zu überlegen, wann ich und wie lange ich mein Auto das nächste Mal brauche, stelle ich mir persönlich schwierig vor.
Themensprung in den nächsten Beitrag. Deutschlands größte Stromspeicher sind aktuell die Pumpspeicherwerke. Vattenfall betreibt davon vier mit einer Kapazität von 3.000 MW. Deshalb stellt Dr. René Kühne vom Unternehmen kurz die Sachlage dar. Er zeigt auf, dass Pumpspeicher öfter mal unbemerkt die Welt retten, allerdings derzeit durch Abgaben kaum marktfähig sind. Das müsse sich ändern.
Wichtig aber unwirtschaftlich
Oder auch konkreter: Wenn kritische Netzsituationen entstehen, tragen Pumpspeicherwerke je nach Über oder Unterschuss mit Pump- oder Turbinenbetrieb und Laständerungen von 1.500 MW in weniger als zehn Minuten zur Stabilisierung bei. Das Licht bleibt an. Doch da neben der Wasserentnahme in Form eines Netzentgeltes auch noch für die Stromabgabe ins Netz gezahlt werden muss, ist das Geschäftsmodell unrentabel. Die Margen schrumpfen und reichen nicht, um die Anlagen mit Gewinn zu betreiben.
Den gesamten Vortrag finden Sie hier.
Ein weiter Weg zur Marktreife
Bleibt noch die Keynote von Hannes Seidl, stellvertretender Bereichsleiter für Energiesysteme und Energiedienstleistungen bei der Deutschen Energie-Agentur (dena). Er sprang kurzfristig für Stephan Kohler ein. „Ein weiter Weg zur Marktreife“ lautete der Titel und das wäre auf jeden Fall die für mich passende Zusammenfassung für das Thema Speichertechnologien.
Regelwerke überprüfen
Aber zuerst zur Keynote. Seidl unterstreicht die Thesen seiner Vorredner zur Bedeutung und Leistungsfähigkeit der Speicher. Ergänzend schafft er einen Überblick über die aktuellen Möglichkeiten und die notwendigen Rahmenbedingungen. Und er zeigt auf, dass sich Regularien ändern müssten, um aus Sich tder dena hier erfolgreich zu werden. Nicht nur das angesprochene Korrigieren der Einstufung von Pumpspeicherwerken als Endverbraucher ist dabei, auch weitere gesetzliche Rahmenbedingungen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Bundes-Immissionsschutzgesetz sind Regelungen, die aus Sicht der dena angepasst werden müssten.
Den gesamten Vortrag finden Sie hier.
Umsetzung in großem Maßstab muss sich beweisen
Stromspeicher müssen künftig unstrittig einen wesentlichen Beitrag für die Versorgungssicherheit leisten. Sie sind notwendig, um das Energieversorgungssystem – die Stromnetze – zu stabilisieren, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien künftig weiter steigt. In kleinen Maßstäben gibt es schon heute gute Lösungsansätze, die ihre Umsetzung sowohl technisch als gesellschaftspolitisch erst noch beweisen müssen.
Der Artikel erschien zuerst im Vattenfall Blog.