Am 29. und 30. August findet in Leipzig das 6. Ostdeutsche Energieforum statt. Das Forum sieht sich als Denkfabrik für die Umsetzung der Energiewende in Ostdeutschland. Mitgedacht hat Dr. Helmar Rendez, Vorstandsvorsitzender der LEAG. Wir haben mit ihm am Rande der Veranstaltung über das Forum gesprochen, Stimmen und Stimmungen eingefangen und nach seinem persönlichen Resümee zur Energiewende gefragt.
Herr Dr. Rendez, warum nimmt die LEAG am Ostdeutschen Energieforum in Leipzig teil und ist einer der drei Leading Partner?
Dr. Rendez: „Wir sind von Anfang an dabei, dieses Jahr also zum sechsten Mal. Unsere nun schon traditionelle Teilnahme lag praktisch auf der Hand: Wir sind das größte ostdeutsche Energieunternehmen. In unseren Kraftwerken in Brandenburg und Sachsen produzieren wir fast jede zehnte Kilowattstunde Strom, die in Deutschland verbraucht wird. Dass wir als Leading Partner das Forum unterstützen, ein Panel mitgestalten und uns an der Diskussion beteiligen, ist für mich die logische Konsequenz. Das gehört einfach zu unserer Rolle und unserer Verantwortung dazu.
Eine Pflichtveranstaltung also?
Dr. Helmar Rendez während seines Diskussionspanels. Foto: LEAG
Dr. Rendez: Ja, aber im positiven Sinne. Mit mehr als 350 Fachleuten aus Politik, Energiewirtschaft und Wissenschaft vor Ort ist das Ostdeutsche Energieforum eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich auszutauschen und andere Sichtweisen und Ideen zum Thema „Energie für die Zukunft“ kennenzulernen.
Sie haben an einem Panel mit dem Titel „Kommt die Rolle rückwärts in der Energiewende“ teilgenommen. Kommt sie Ihrer Ansicht nach tatsächlich?
Dr. Rendez: Es geht nicht um eine Rolle vorwärts oder rückwärts, sondern darum, das Projekt Energiewende erst einmal vom Kopf auf die Füße zu stellen. Der Kurs, der mit der Energiewende verfolgt wird, ist grundsätzlich richtig. Die Weltbevölkerung wächst und mit ihr der Energiebedarf – bei endlichen fossilen Ressourcen. Das Einvernehmen darüber, dass die Entwicklung hin zu einer emissionsarmen Gesellschaft verlaufen muss, verbindet Menschen und Nationen rund um den Globus. Doch ein Selbstläufer ist die Energiewende deshalb noch lange nicht. Nehmen wir das Thema Versorgungssicherheit. Sie wird in Deutschland als selbstverständlich angesehen. Das ist sie aber nicht. Wir müssen sie hart erkämpfen.
Wie meinen Sie das?
Im vergangenen Winterhalbjahr hatten wir von November bis März eine Reihe von Dunkelflauten, also nicht nur Tage, sondern ganze Wochen, in denen Wind und Sonne fast nichts zur Stromversorgung beigetragen haben. In solchen Phasen stützt sich die gesamte Stromversorgung auf konventionelle Kraftwerke. Unsere Kraftwerke waren voll im Einsatz. Unser Strom wurde gebraucht und dankend abgenommen. Diese Tatsache wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, denn mit der Kernenergie gehen rund zwölf Prozent gesicherte Erzeugung aus dem Markt. Dazu kommen reihenweise andere Kraftwerke, die bei der Bundesnetzagentur zur Stilllegung angemeldet sind. Deshalb wird Braunkohle auch in Zukunft noch eine wichtige Rolle spielen. Wir haben im Frühjahr unser Revierkonzept für zukünftige Tagebauerweiterungen vorgestellt. Es sieht vor, im Förderraum Nochten das Sonderfeld Mühlrose abzubauen. Über die Weiterführung des Tagebaus Welzow-Süd im Teilabschnitt II werden wir bis 2020 abschließend entscheiden, wenn absehbar ist, wie sich der Strommarkt nach dem Ausstieg aus der Kernkraft weiterentwickelt. Damit haben wir den Rahmen für die nächsten 25 bis 30 Jahre abgesteckt.
Braunkohle und Energiewende passen also gut zusammen?
Martina Weiß vom Kraftwerk Jänschwalde erklärte Besuchern am LEAG-Stand unter anderem die Flexibilität der Kraftwerke. Foto: LEAG
Dr. Rendez: Genau! Wir sind ein Teil der Energiewende. Ich sage sogar, wir sind mit unseren flexiblen Kraftwerken einer der Erfolgsfaktoren. Doch ich beobachte auch, dass sich die Energiewende-Diskussionen immer nur auf den Strom fokussieren, auf Ausbauziele für Windräder bzw. Solaranlagen und den Kohleausstieg. Was ist mit dem Thema Sektorkopplung, mit Stichworten wie Wärme oder Mobilität? Und wenn wir über Strom reden, wie sieht es dann mit dem zukünftigen Strommarktdesign aus? Wir brauchen einen Markt, der endlich ohne Subventionen auskommt und in dem Versorgungssicherheit einen Wert und damit einen Preis bekommen muss. Ich erwarte von der neuen Bundesregierung eine ehrliche Zwischenbilanz über das bislang Erreichte und ein Gegensteuern bei erkennbaren Fehlentwicklungen. Dazu gehört auch, die seit 2010 fortgeschriebenen Prognosen mit den tatsächlichen Entwicklungen abzugleichen und einen Plan aufzustellen, der technisch machbar, finanziell verkraftbar und sozialpolitisch verantwortbar ist. Nur wenn wir diese Rahmenbedingungen angemessen berücksichtigen, wird die deutsche Energiewende Nachahmer finden. Mehr Nüchternheit und weniger politische Ehrgeiz-Rhetorik täten uns dabei gut.
Was fällt Ihnen noch auf beim Stichwort Energiewende?
Dr. Rendez: Speicher! Ganz klar ein Thema, das immer wichtiger wird, wenn wir in Zukunft immer mehr Strom aus wetterabhängigen erneuerbaren Anlagen erzeugen wollen und der Netzausbau trotz aller Anstrengungen nicht vorankommt. Fakt ist jedoch, wir haben heute in Deutschland keine wirtschaftlichen Großspeicher neben den Pumpspeicherwerken – und deren Kapazität ist begrenzt.
Speicher - wäre das etwas für die LEAG?
Dr. Rendez: Durchaus. Speicher könnten eines unter mehreren Geschäftsmodellen für uns sein. Wir beteiligen uns als assoziierter Partner am Verbundprojekt WindNODE im Rahmen des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“. Gemeinsam mit Siemens als Technologiepartner wollen wir unsere Kraftwerke durch neue Technologien ergänzen. Der Fokus liegt dabei auf der Kombination von grundlastfähigen Braunkohlenkraftwerken und spitzenlastfähigen Batteriespeichern in relevanten Größenordnungen.
Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke diskutierte im Panel "Klimaschutzziele - Wunschdenken oder Wirklichkeit?" - und mit Dr. Rendez am LEAG-Stand. Foto: LEAG
In Leipzig haben verschiedene Foren stattgefunden, zum Beispiel zum Thema „Gegen den Strom/ Innovative Lösungen“. Wie sieht der Beitrag der LEAG dazu aus?
Dr. Rendez: Mein Anspruch als Vorstandsvorsitzender ist, dass ich keinen Auslaufbetrieb für Braunkohle leite. Stattdessen müssen wir uns schon heute fragen: Wo will das Unternehmen einmal hin? Und welche Perspektiven bietet uns dabei die Energiewende? Die LEAG hat etwa 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter viele hochqualifizierte Ingenieure und Techniker. Wir arbeiten an der weiteren Flexibilisierung des Kraftwerkparks, wir befassen uns mit verschiedenen neuen Geschäftsmodellen wie beispielsweise Großspeichern und innovativen Wärmekonzepten und nicht zuletzt mit der Digitalisierung.
Schon heute kümmern sich in einem internen Think Tank mehrere Mitarbeiter um innovative Themen der Zukunft. Dafür sind sie einen Tag pro Woche freigestellt. Innovationsfähigkeit ist seit jeher ein wichtiges Thema für unsere Kolleginnen und Kollegen, beispielsweise auch in der Zusammenarbeit mit den Hochschulen der Region. Aber neu ist, dass wir ihnen diesen speziellen Raum eines Think Tanks geben. Bereits in den ersten Monaten haben sie interessante Ideen entwickelt. Drei Projekte wollen wir noch in diesem Jahr auf den Weg bringen. Wir sind also gut aufgestellt.