01.06.2020

Tagebau in der Lausitz, das bedeutet zwangsläufig auch unvermeidliche Eingriffe in Landschaft und Natur. Regionale Landwirte im Revier sind davon betroffen, wenn der Bergbau Agrarflächen in Anspruch nehmen muss und ihnen damit Teile ihrer Geschäftsgrundlage entzieht.  Zur Unterstützung dieser Betriebe hat die LEAG sich verpflichtet. Das setzt sie unter anderem um, indem sie die Landwirte an der Wiedernutzbarmachung neuer Landschaften in der Rekultivierung beteiligt. Dabei gehen Bergbauunternehmen und Landwirte jetzt auch für die Lausitz neue Wege. Auf Versuchsflächen an und in den Tagebauen Jänschwalde, Nochten und Reichwalde haben sie in diesem Jahr unter anderem mit dem Anbau von Nutzhanf, Pfeffer und Lavendel begonnen.

Fleißig und genügsam: Gut einen Monat nach der Aussaat strecken sich die Finola-Pflanzen schon einen halben Meter hoch der Sonne entgegen und haben Blüten entwickelt. Am Rand des Tagebaus Reichwalde waren die Saatkörner von der Niederschlesischen Agrargenossenschaft Reichwalde e.G. im April in den Boden gebracht worden. Jetzt ist die 3,8 Hektar große Versuchsfläche dicht und grün vom Nutzhanf bewachsen, soweit das Auge reicht.

Der Nutzhanf gedeiht gut auf den Flächen am Tagebau, Foto: LEAG

Aus diesen kleine Saatkörnern entstehen Meter hohe Pflanzen, Foto: LEAG

Noch nicht ganz so weit ist der Aufwuchs auf den Versuchsflächen von zwei mal zwei Hektar auf der Tagebaukippe in Jänschwalde. Auf diesen Flächen ist die Aussaat etwas später mit Unterstützung der ARGE „Rekultivierung“ der Agrargenossenschaften Heinersbrück und Forst sowie der Bauern-AG Neißetal erfolgt. Im Anbau ist es nicht nur die ölreiche Sorte Finola, auf die Landwirte und LEAG Zukunftshoffnungen setzen, auch die Sorten Fedora 17 und USO 31 sollen im Herbst geerntet werden. In dieser Zeit müssen die Pflanzen zeigen, dass sie mit den Bodenbedingungen auf der Tagebaukippe und dem Lausitzer Klima zurechtkommen. Die Chancen dafür stehen gut, denn Hanf braucht wenig Wasser. Eine ideale Kulturpflanze für die Lausitz, die mit reichlich Sonne und frühen Vorsommern gesegnet ist, mit allzu vielen Niederschlägen aber nicht.

Die Nutzhanfaussaat wird per Maschine ausgesäht, Foto: LEAG

Eine Marktlücke für die Lausitz

Dr. Stefan Zimmermann bei der Hanfaussaat, Foto: LEAG

Und dennoch scheint Hanfanbau in der Lausitz, so wie auch in Brandenburg und Sachsen, bislang eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. „Wir haben zumindest kein rein regionales Hanfprodukt in den Märkten zwischen Cottbus und Hoyerwerda finden können, und diese Lücke wollen wir nutzen“, sagt Dr. Stefan Zimmermann von der LEAG-Unternehmensentwicklung. Er gehört zu der vierköpfigen  Projektgruppe, die sich speziell um diesen Zweig eines möglichen neuen Geschäftsfeldes des Energieunternehmens kümmert, von der Entwicklung bis zur Vermarktung: „In diesem Jahr wollen wir erst einmal im Lebensmittelbereich damit starten, aber am Ende soll die vollständige Verwertung der Pflanzen stehen. Hanf kann auch Verwendung als Dämmstoff in der Bauindustrie finden. In Österreich produziert man sogar schon Kalkhanfsteine als Baustoff damit.“

Hanföl soll das erste Produkt sein, das aus dem Projekt an den Markt gehen soll. „Bis Weihnachten könnte die erste Ladung erhältlich sein“, schätzt Zimmermann. Und zwar ganz regional, auch in der Herstellung. Dafür hat die LEAG schon eine Kooperation mit der Kanow-Mühle in Sagritz vereinbart. Und warum sollte das Hanföl aus der Lausitz dafür geeignet sein, den Markt zu erobern? „Es gibt viele gute Gründe“, ist sich der junge Unternehmensentwickler sicher. „Es schmeckt wirklich hervorragend, leicht nussig, und eignet sich damit gut für Salate. Es hat einen wunderbaren Cocktail aus allen Vitaminen. Es hat ein wunderbares Eiweiß-Portfolio mit wesentlich mehr Eiweiß als beispielsweise Leinöl. Das Fettprofil ist auch perfekt. Und außerdem ist es nicht nur als Speiseöl interessant, sondern auch für die Kosmetik-Industrie.“

Die Pfefferpflanzen sind bereits vier Jahre alt, hier pflanzen Dr. Anne Rademacher, Klaus Richter und Alexander Klaus, Foto: LEAG

Wissenschaftler machen den Eignungstest

Dr. Anne Rademacher vom Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften (FIB) Finsterwalde bei der Pfefferpflanzung, Foto: LEAG

Neben dem Hanfprojekt hat die LEAG noch einige andere Sonderkulturen ins Rennen um die Eroberung der rekultivierten Flächen auf ehemaligem Tagebaugelände geschickt. Mit Überlegung und wissenschaftlicher Hilfe sind sie ausgesucht worden. Wie beim Hanf so begleitet das Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften (FIB) Finsterwalde auch hier den optimalen Anbau und der Entwicklung dieser Kulturen. „Wir haben anhand der Standorte und ihrer besonderen Bedingungen Vorschläge entwickelt“, erklärt Dr. Anne Rademacher vom FIB. „Wir haben dann eine Vielzahl möglicher geeigneter Kulturen ausgesucht und schließlich immer mehr eingegrenzt, auf diejenigen, von denen wir erwarten dürfen, dass sie sich am besten mit dem Boden und dem Klima hier vertragen. Und da es hier um eine Versuchsfläche in der Nähe des Findlingsparks Nochten geht, wollten den Ort auch touristisch attraktiv gestalten, so dass man zu unterschiedlichen Zeiten das Blühen oder die Ernte beobachten kann, dass es also immer etwas Neues zu sehen gibt.“

Am Rand des Tagebaus Nochtens versammelt nun eine Versuchsfläche gleich mehrere Sonderkulturen. Unter anderem ist das der Ort in der Lausitz, wo der Pfeffer wächst. Allerdings haben die Szechuan-Pfeffer-Pflanzen, die hier seit April wachsen, nichts mit dem eigentlichen Pfeffer zu tun. Sie gehören zu den Zitrusgewächsen. Die Schalen der kleinen roten Kugelfrüchte werden getrocknet und gemahlen, die Samenkerne vorher entfernt.   

Auch Lavendel ist eine der Sonderkulturen, die jetzt im Tagebau wachsen, Foto: LEAG

In Gourmetküchen beliebt

Ralf Agricola, Leiter Rekultivierung der LEAG, auf dem Pfefferfeld, Foto: LEAG

„Das Gewürz ist zitronig-pfeffrig und prickelt noch eine Weile auf der Zunge. Das wird auch von vielen Gourmetköchen in Deutschland längst geschätzt“, weiß Ralf Agricola, Leiter der Rekultivierung bei der LEAG, und räumt dem Lausitzer Pfeffer deshalb gute Entwicklungschancen ein. Zumal auch dies ein zu 100 Prozent regionales Produkt sein wird. Schon die Pflanzen kommen aus der Lausitz, sie stammen aus der Anzucht der Baumschule Graeff in Zeischa.

In unmittelbarer Nachbarschaft der 130 Pfeffersträucher ist auf der Versuchsfläche neben einem Feld mit Ölleinen eine Plantage mit 9000 Lavendelpflanzen angelegt. Auch sie sind gute Kandidaten für den sandigen Lausitzer Boden und ein sonnenreiches Klima mit längeren Trockenperioden. Ein Hauch von Provence am Fuße des Kraftwerks Boxberg, der nicht allein ein optischer Genuss bleiben soll. Lavendelöl ist ein in der Kosmetik- und Wellness-Industrie begehrtes Produkt, auch hier könnte für Landwirte und Bergbau-Unternehmen ein künftiges Geschäftsfeld liegen, vorausgesetzt die Pflanzen arrangieren sich mit den Lausitzer Bedingungen.

Und wer weiß, vielleicht geht ja auch das kleine Experiment am Rande der Versuchsfläche auf, und die exotischen „Überraschungsgäste“ zeigen Gefallen am Nochtener Standort: Dann könnten aus den drei Indianerbananen, die gemeinsam mit Esskastanien und Cornell-Kirschen als Flurgehölze zwischen die anderen Kulturen gepflanzt worden sind, einmal mehr werden. Und ihre Früchte zu einem typisch Lausitzer Eigengewächs wie Gurken, Erdbeeren und Spargel.

 

1/9 Ende April erfolgte die Aussaat des Nutzhanfs, Foto: LEAG
2/9 Eine Saatmaschine übernahm die Aussaat, Foto: LEAG
3/9 Digitale Planung: In der Rekultivierung sind die Flächen genau kartografiert und klassifiziert, Foto: LEAG
4/9 Die Saat kommt beutelweise und sortenrein, Foto: LEAG
5/9 Nach drei Wochen sprießen bereits die ersten Pflanzen, Foto: LEAG
6/9 Inzwischen sind die Nutzhanfpflanzen schon über einen halben Meter hoch, Foto: LEAG
7/9 Die unterschiedlichen Bestandteile des Nutzhanfs können verarbeitet werden, allerdings enthalten sie kaum THC, Foto: LEAG
8/9 Hanföl ist ein Endprodukt, Foto: LEAG
9/9 Hanffasern sind vielfach verwendbar, Foto: LEAG

Hintergrund:

Der Szechuan-Pfeffer stammt, wie die Benennung nach der zentralchinesischen Provinz nahelegt, aus Asien. Er ist auch als Japanischer, Chinesischer, Anis- oder Krippelpfeffer bekannt. Er ist ein dorniges Rautengewächs, das mit den Zitruspflanzen verwandt ist, und kann Wuchshöhen über vier Meter erreichen. Die Früchte, die wie kleine gebuckelte Perlen aussehen, sind etwa im August erntereif.

Die Indianerbanane stammt aus Nordamerika und wird von den dortigen Ureinwohnern auch Pawpaw genannt. Die längliche grüngelbe, essbare Frucht dieses Baums, der bis zu acht Meter hoch werden kann, sieht in der Form weniger einer Banane, sondern eher einer Papaya ähnlich, während das cremig-gelbe Fruchtfleisch im Geschmack durchaus an die Banane erinnert. 

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Autor

Thoralf Schirmer

Nachdem ich 20 Jahre als Lokaljournalist in der Lausitz gearbeitet habe, kam ich 2011 als Pressesprecher ins Unternehmen. Seitdem begleite ich alle Themen aus der Region zusammen mit meinem Team.

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