Christina Grätz
Christina Grätz

Christina Grätz ist Diplom-Biologin und Geschäftsführerin der Nagola Re GmbH. Der Erhalt und die Wiederherstellung der Natur ihrer vom Bergbau geprägten Heimat ist der Lausitzerin seit ihrer Jugend ein besonderes Anliegen. Sie gründete darum 2011 die Firma und entwickelte spezielle Methoden der Renaturierung. Nagola Re wurde 2014 mit dem Zukunftspreis Brandenburg und dem Lausitzer Existenzgründerpreis ausgezeichnet. „Nagola“ kommt aus dem Sorbischen und bedeutet „auf der Heide“. 

Im „grünen Herz“ des Tagebaus Jänschwalde finden selten vorkommende Pflanzen und Tiere eine neue Heimat.

Katzenpfötchen, Pfingstnelke, Behaarter Ginster – nie gehört? Kein Wunder, denn es sind Wildpflanzen, die in Deutschland nahezu ausgestorben oder selten sind. Und doch gibt es einen Ort, an dem solche botanischen Raritäten gedeihen. Ausgerechnet auf der Kippe des Tagesbaus Jänschwalde finden geschützte Arten einen neuen Lebensraum. Dafür sorgt im Auftrag der Lausitz Energie Bergbau AG die Lausitzer Firma Nagola Re, die sich auf Renaturierung von industriell genutzten Flächen spezialisiert hat.

„Schauen Sie, wie hübsch und zart sie ist“, sagt Christina Grätz, Chefin der Nagola Re, und deutet auf eine leuchtend pinkfarbene zierliche Blüte vor ihren Füßen. „Das ist eine Karthäuser-Nelke.“

Die seltene Pflanze wächst zur Freude der Biologin in großer Zahl auf den ehemaligen Tagebauflächen in Jänschwalde. Noch vor wenigen Jahren wurde hier Braunkohle abgebaggert, jetzt hat die Natur die Kippe zurückerobert, eine bunte Wiese ist entstanden. Allerdings nicht ganz ohne Hilfe. Die LEAG erfüllt hier ihre Verpflichtung, nach der Kohlegewinnung wieder eine lebenswerte Landschaft zu errichten. Unter anderem entsteht das sogenannte „grüne Herz“ des Tagebaus. Das dies seinen Namen zu Recht trägt, dafür sorgt die Biologin und Unternehmerin Christina Grätz mit den speziell für die Tagebauflächen entwickelten  Methoden der Renaturierung.

Die Arbeit lohnt sich, auf der ehemaligen Tagebaufläche grünt es, Foto: Andreas Teich

15 Prozent für Biotope

Auf dem größten Teil der ehemaligen Tagebau-Flächen entstehen nach und nach Wälder und Felder für die Forst- bzw. Landwirtschaft. Dafür müssen die Böden aufwendig bearbeitet werden, damit sie eine homogene Struktur haben und die gewünschte Landnutzung möglich wird. Auf 15 Prozent oder ca. 1.000 Hektar der Bergbaufolgelandschaft des Tagebaus Jänschwalde wird die LEAG außerdem laut Braunkohlenplan Landschaften etablieren, in denen die Natur den Vorrang bekommt. Hier können sich geschützte Biotope entwickeln und seltene Arten ansiedeln. Für diese Flächen ist weniger Vorarbeit nötig. Denn hier ist gerade keine Gleichförmigkeit des Untergrunds erwünscht. „Strukturvielfalt im Boden ist immer verbunden mit Artenvielfalt“, sagt Christina Grätz. „Und die wollen wir ja schließlich erreichen.“

Natur pur: Flora und Fauna im Einklang. Foto: Andreas Teich

Seit der Wende schon besteht die gesetzliche Verpflichtung, auf den Kippen auch Naturschutzflächen entstehen zu lassen. Zunächst wurden die Flächen einfach sich selbst überlassen. „Doch es zeigte sich, dass die Natur es nicht von allein regelt“, so Grätz. „Die natürliche Sukzession reicht einfach nicht aus. Es stellte sich die Frage: Wie stellt man eigentlich eine Naturschutzfläche her?“

Seit der Wende schon besteht die gesetzliche Verpflichtung, auf den Kippen auch Naturschutzflächen entstehen zu lassen. Zunächst wurden die Flächen einfach sich selbst überlassen. „Doch es zeigte sich, dass die Natur es nicht von allein regelt“, so Grätz. „Die natürliche Sukzession reicht einfach nicht aus. Es stellte sich die Frage: Wie stellt man eigentlich eine Naturschutzfläche her?“

Christina Grätz und ihr Team haben zusammen mit Fachleuten der Rekultivierungsabteilung der LEAG im Laufe der Jahre und durch viele Versuche Antworten auf diese Frage gefunden. Eine Methode nennt sich Mahdgutübertragung. Dabei wird von artenreichen Wiesen aus der Region das Mahdgut – also der Wiesenschnitt – in einer dicken Schicht auf die nackte Erde der Kippe gelegt. „Der Rohboden ist sofort bedeckt und trocknet nicht aus“, erklärt Grätz. „Die Samen im Mahdgut gehen bald auf, die Keimlinge sind durch das organische Material geschützt. Das kann man sich so vorstellen, wie beim Mulchen im Garten.“

Die Heide stammt aus dem Vorfeld 

Acker-Wachtelweizen (Melapyrum arvense) Foto: Andreas Teich

Das Mahdgut in Jänschwalde kommt zum Beispiel vom Schlagsdorfer Weinberg bei Guben. Durch die Mahdgutübertragung ist auf der Kippe das größte Vorkommen von Acker-Wachtelweizen in ganz Südbrandenburg entstanden. Die Trockenwiesen leuchten jetzt zur Blütezeit der Pflanze in einem tiefen Purpurton. Dazwischen wachsen der Ährige Blauweiderich, Mauerpfeffer, Graue Skabiose, Steppen-Sesel, Natternkopf und Nickende Nelke. Inzwischen haben sich die „übertragenen“ Wildblumenwiesen so gut entwickelt, dass sie selbst als Mutterflächen genutzt werden können. „Wir mähen die Flächen einmal im Jahr und bringen das Mahdgut auf weiteren Kippenflächen aus“, so Grätz.

Trotzdem reicht diese Methode nicht, um alle Flächen zu begrünen. Auf Empfehlung von Nagola Re säht die Arbeitsgemeinschaft Rekultivierung des Tagebaus Jänschwalde darum auch Wildpflanzensamen im großen Stil aus. Es wird ausschließlich Saatgut aus der Region verwendet. In Einzelfällen, etwa bei besonders seltenen Arten bei denen es nur noch wenige Exemplare in der freien Natur gibt, wird auch gepflanzt.

Auch die Heide aus dem Vorfeld des Tagebaus wurde ins grüne Herz umgesetzt. „Das haben wir 2009 gemacht – schon 2011 hat die Heide erstmals geblüht“, erzählt Christina Grätz stolz. „Und das Tolle ist, dass wir den Leuten aus Taubendorf, wo die Pflanzen damals wuchsen, sagen können: Guckt mal, das ist eure Heide, die wächst jetzt hier.“

Wo die Katzenpfötchen blühen

Ebenfalls gepflanzt wurde das ganz besonders seltene Katzenpfötchen. „Davon gibt es männliche mit weißen Blüten und weibliche rosablühende Pflanzen, in ganz Deutschland aber fast keinen Ort mehr, wo beide wachsen“, berichtet die Biologin. „Nur in Jänschwalde hat es im Frühling weiß und rosa geblüht – lauter Katzenpfötchen. Hier finden Arten einen Platz, die sonst keinen mehr haben.“

Sand-Thymian (Thymus serpyllum), Foto: Andreas Teich 

Auch die Fauna soll sich auf den Kippenflächen möglichst artenreich entwickeln. Viele Tiere kommen von allein. Die Feldlerche – ihr Bestand ist stark gefährdet – ist längst in großer Zahl da, ebenso Feldhasen, der Wiedehopf und viele Insektenarten. Und der Wolf ist ebenfalls schon eingewandert. Für Zauneidechsen, die im Vorfeld heimisch waren, werden Reviere geschaffen, die mit Stubbenwällen umgeben sind. Für die Tiere wurde extra Sand-Thymian gepflanzt.

Er lockt Schmetterlinge an, die Nahrung für Eidechsen sind. In den Revieren leben die Tiere zunächst in einer geschützten, eingezäunten Umgebung, später sollen sie sich über die ganze Fläche verbreiten. Die Ansiedlung seltener und geschützter Tierarten erfolgt in Begleitung weiterer Naturschutzexperten.

Während Christina Grätz über die blühenden Trockenwiesen wandert und die vielen kleinen botanischen Kostbarkeiten vorstellt, die auf den Tagebauflächen wachsen, gerät sie immer wieder ins Schwärmen. „Hier gedeihen so viele Arten, die dringend unsere Hilfe brauchen“, sagt sie. „Wir waren selbst sehr überrascht, wie gut es funktioniert, diese bedrohten Pflanzen hier im Tagebau anzusiedeln.“

 

Dieser Beitrag erschien zuerst im Vattenfall Blog.

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Gastautoren beim Seitenblick

Einige unserer Beiträge sind von Autoren verfasst worden, die nicht zu unseren Stammteam gehören. Danke für diese tolle Zusammenarbeit.

Im Einzelnen sind dies:

Bärbel Arlt: Pechofen-Fund in Nochten; Tagebau-Tour zu schwarzem Gold und edlem Tropfen; Von Miniküchen und Kräutergärten: Die Stiftung Lausitzer Braunkohle
Bianca Aurich: Filmkulisse Tagebau; Findlingspark Nochten - Besuchermagnet zu Ostern
Monika Krüger: Peitzer Karpen: Ein Leben lang Sommer
Ralf Krüger: Ein Leben zwischen Bergbau und Kulturbetrieb; Lausitzer Kirchentag: Weg in die Zukunft
Alisa Dorin Schmidt: Architekturpreis für eine bewegte Landschaftsarchitektin
Silvia Teich: Artenvielfalt auf der Tagebau-Kippe

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